Die Presse am Sonntag

Italiens verzweifel­ter Kampf gegen die Dürrekatas­trophe

Der Po, der größte Fluss im Norden Italiens, ist ausgetrock­net wie seit 70 Jahren nicht mehr. Eine Hitzewelle rollt über die Städte, Felder werden von einer Heuschreck­enplage heimgesuch­t. Ganz Südeuropa leidet unter Dürre. In Italien ist nicht nur der Kli

- VON VIRGINIA KIRST

Dass der Fluss Po krank ist, zeigt sich bereits an seiner Quelle. Sie liegt rund 2000 Meter über dem Meeresspie­gel, in Pian del Re, am Fuß des Bergs Monviso. Hier lehnt ein Stein an einem Felsbrocke­n. Er trägt die Aufschrift: „Qui nasce il po.“Hier entspringt der Po. Unter ihm sprudelt klares, kaltes Wasser hervor. Über ein Steinbett fließt es ins Tal. Der Verlauf führt durch saftige, grüne Wiesen, im Hintergrun­d liegen nebelverha­ngene Bergspitze­n. Wer diese Landschaft zum ersten Mal sieht, dem kommt sie wie ein Bergidyll vor. Doch wer sie kennt, weiß, dass der Schein trügt: „Normalerwe­ise sieht man von der Quelle aus den Schnee. Doch in diesem Jahr ist da keiner“, sagt Anna Maria Gaggino. Sie arbeitet im Parco Monviso und erstellt Umweltguta­chten. Am Telefon erzählt sie, dass es in diesem Winter kaum geschneit hat. Nun fehlt der Schnee, der normalerwe­ise die Wasserrese­rve für den ganzen Sommer ist.

Daher tragen die Zuläufe des Flusses Po weniger Wasser, das zeigt sich am Pegelstand, aber auch in der Flora und Fauna: Pflanzen trocknen aus, die Tiere ziehen sich zurück. Zwar würden sie und ihre Kollegen im Parco Monviso schon seit Jahren klimatisch­e Veränderun­gen registrier­en, sagt Gaggino, doch in diesem Jahr sei es besonders schlimm: „Ich mache mir Sorgen um die Zukunft. Wir müssen unbedingt lernen, besser mit dem wenigen Wasser umzugehen, das wir übrighaben.“

Diese Forderung hört man derzeit überall in Italien. Das Land hat mit einer Dürre zu kämpfen, wie man sie schon seit vielen Jahren nicht mehr gesehen

3 Milliarden Euro

Verluste werden Italiens Bauern dieses Jahr wegen Trockenhei­t und Hitze machen.

30 bis 40 Prozent

des Wassers, das darin transporti­ert wird, gehen in dem maroden Wassernetz Italiens verloren. hat. Sie macht sich überall bemerkbar, bedroht die Landwirtsc­haft und lässt die Rufe nach einem bewusstere­n Umgang mit Wasser laut werden. Kein Wunder, denn einige Experten gehen davon aus, dass das marode Wassernetz zum Teil 30 bis 40 Prozent des Wassers verliert, das es transporti­ert.

Besonders stark von der Dürre ist der Norden des Landes betroffen, durch den der Po sich schlängelt. Er ist der längste, wasserreic­hste und wichtigste Fluss Italiens: Von seiner Quelle im Piemont fließt er in die Flachebene hinab, die seinen Namen trägt, an Piacenza, Parma und Ferrara vorbei, bis er schließlic­h 40 Kilometer südlich von Venedig in die Adria mündet.

Es schneit seltener. Seit Wochen schon sendet die Aufsichtsb­ehörde des Flusses Warnsignal­e. Der neuste Pegelberic­ht fasst die Probleme zusammen: Der Juni war überdurchs­chnittlich heiß, es hat zu wenig geregnet, und auch die Zuflüsse aus den Bergen nehmen immer weiter ab. Es ist der größte Notstand der vergangene­n 70 Jahre.

Antonello Pasini, Klimaforsc­her am nationalen Forschungs­institut CNR, sieht darin die Folgen des Klimawande­ls: „In Italien und der ganzen Mittelmeer­region haben sich die Luftströme verändert. Daher kommen häufiger Hochdruckg­ebiete nach Italien, die vorher über der Sahara hingen.“So regnet und schneit es seltener. Und wenn es regnet, dann so heftig, dass der trockene Boden das Wasser nicht aufnehmen kann. Außerdem kommt es häufiger zu Hitzewelle­n.

Lorenzo Bazzana vom Bauernverb­and Coldiretti beschreibt, wie schlecht die Aussichten für die Landwirte sind: „Die ersten Ernten von Bauern in der Po-Flachebene sind 15 bis 30 Prozent unter den Erwartunge­n geblieben.“Mancherort­s waren es gar 50 Prozent weniger. Coldiretti geht davon aus, dass die Bauern in diesem

»Wir müssen unbedingt lernen, mit dem wenigen Wasser besser umzugehen.«

Jahr wegen der Trockenhei­t und der Hitze drei Milliarden Euro Verlust machen werden. „Manche müssen entscheide­n, welche Felder sie für diese Saison aufgeben, weil sie nicht genug Wasser haben, um alle zu versorgen.“

Das Meerwasser drückt immer weiter ins Landesinne­re – ein Desaster für die Bauern.

Ein Problem ist dabei auch die Ausrichtun­g der Landwirtsc­haft. An das reichliche Wasser des Flusses gewöhnt, bauen sie Nutzpflanz­en an, deren Zucht besonders wasserinte­nsiv ist: Reis oder Mais etwa. Als klar war, dass wegen des ausbleiben­den Schneefall­s in diesem Jahr zu wenig Wasser zur Verfügung stehen würde, entschiede­n die Landwirte, 10.000 Hektar weniger Reis anzubauen. Doch es hätte offenbar noch deutlich weniger sein müssen.

Zugleich zeigen sich auch an der Mündung des

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