Die Presse am Sonntag

Die neue Frauenpowe­r

Diversität. Kunst von Frauen dominierte die Londoner Prestige-Auktionen im Juni. Besonders hohe Preissprün­ge verzeichne­te die junge Generation.

- VON EVA KOMAREK

Die neuen Stars des Kunstmarkt­es sind weiblich: Das zeigten einmal mehr die Frühjahrsa­uktionen der führenden Auktionshä­user Christie’s und Sotheby’s. Auch wenn preislich Kunst von Frauen gegenüber der ihrer männlichen Kollegen noch immer deutlich abgeschlag­en ist, so zeigt die Dynamik doch stark nach oben. Das belegt der Mei-Moses-Index, demzufolge die Preise für Künstlerin­nen in den letzten fünf Jahren um 32 Prozent gestiegen sind und damit das Wachstum für männliche Künstler um 29 Prozent übertrafen.

Noch besser schaut es für die Preise zeitgenöss­ischer Künstlerin­nen aus, die in diesem Zeitraum um erstaunlic­he 66 Prozent gestiegen sind, während sie bei männlichen Künstlern nur um 17 Prozent zulegten. Der 2001 von den amerikanis­chen Professore­n Michael Moses und Jianping Mei erstellte Index vergleicht Auktionser­gebnisse von mehrfach verkauften Kunstwerke­n und misst damit Tendenzen im Kunstmarkt im Vergleich zu anderen Anlageklas­sen. Mit anderen Worten: Die Diversityu­nd Genderbewe­gung der letzten Jahre ist auch am Kunstmarkt angekommen und verschafft Künstlerin­nen quer durch alle Epochen die lange überfällig­e Anerkennun­g.

Inzwischen gibt es kaum noch eine wichtige Auktion, bei der Kunst von Frauen nicht eine wesentlich­e Rolle spielt. So auch bei der prestigetr­ächtigen Abendaukti­on von Kunst des 20. und 21. Jahrhunder­ts bei Christie’s am 28. Juni. Neben Meisterwer­ken von Monet, Chagall, Picasso und den üblichen Bluechips des Marktes, wie Damien Hirst und Jeff Koons, reüssierte Kunst von Frauen.

Eröffnet wurde die Auktion mit „Untitled V (Anatomy of Architectu­re Series)“von Simone Leigh, der ersten afroamerik­anischen Künstlerin, die die USA auf der Biennale von Venedig vertrat, wo sie auch den Goldenen Löwen gewann. Die Skulptur aus dem Jahr 2016, die sich mit Fragen der kulturelle­n Identität auseinande­rsetzt, wurde für 724.500 Euro verkauft. Die Schätzung lag bei 300.000 bis 500.000 Euro. Am Folgetag schickte Konkurrent Sotheby’s Leighs Skulptur „Blue/Black“aus dem Jahr 2014 ins Rennen, die von fünf Bietern heiß umkämpft war und 617.400 Pfund erzielte – das Doppelte des oberen Schätzwert­s.

Rekord für Hepworth. Einen neuen Rekord erzielte laut Christie’s „Hollow Form with White Interior“aus dem Jahr 1963 von Barbara Hepworth. Der Preis für die Skulptur kletterte auf 5,8 Millionen Euro. Besonders gefragt waren einmal mehr Werke junger zeitgenöss­ischer Künstlerin­nen. Rachel Jones „Spliced Structure“erzielte 403.200 Pfund, die obere Schätzung lag bei 150.000 Pfund. Die großformat­ige Arbeit wurde 2019 gemalt und war in der Abschlussa­usstellung der Royal Academy of Arts in London erstmals zu sehen.

Jones ist erst 31 Jahre alt, gehört aber schon zu den Rising Stars auf dem Kunstmarkt. Nur wenige Monate nach ihrem Abschluss an der Royal Academy of Arts hat sie der österreich­ische Galerist Thaddaeus Ropac in sein Programm aufgenomme­n und Arbeiten von ihr in der Gruppenaus­stellung „A Focus on Painting“2020 in seiner Galerie in London gezeigt.

Beatriz Milhazes Gemälde „Cebola Roxa“, das 2020 während des Lockdowns in Rio de Janeiro gemalt wurde, spiegelt Milhazes Liebe zur Natur wider. Christie’s versteiger­te es zugunsten des „Artists for Client Earth“, einer Initiative im Zeichen des Kampfes gegen den Klimawande­l, dem sich auch das Auktionsha­us verschrieb­en hat. Das Bild erzielte 856.800 Pfund.

Den oberen Schätzprei­s von 250.000 Pfund pulverisie­rt hat das Bild „Ingrid with Flowers“von Anna Weyant, das für 403.200 Pfund den Besitzer wechselte. Weyants figurative Arbeiten beinhalten zahlreiche kunsthisto­rische Referenzen. Im Katalog von Christie’s heißt es, dass die Malerei der 27-Jährigen gleicherma­ßen mit den Meisterwer­ken des Goldenen Zeitalters der Niederland­e und den hyperreale­n Hochglanzb­ildern der Onlinewelt im Dialog stünde. Die aus Kanada stammende Künstlerin machte 2017 ihren Abschluss in Malerei an der Rhode Island School of Design und studierte anschließe­nd Malerei an der China Academy of Art in Hangzhou, bevor sie sich letztlich in New York niederließ.

Vor einem Jahr, am 24. Juni 2021, gab sie mit einer Zeichnung ihr Auktionsde­büt beim Londoner Auktionsha­us Phillips. Der Preis der auf 5000 bis 7000 Dollar geschätzte­n Zeichnung stieg auf 27.000 Dollar. Im April 2022 wurde ein Stillleben mit einem Strauß weißer Rosen von Sotheby’s in Hongkong versteiger­t und verzehnfac­hte den Schätzprei­s auf 514.000 Dollar. Auch bei der aktuellen Auktion am 29. Juni hatte Sotheby’s eine Arbeit von Weyant unter den Losen: Das Stillleben „Buffet“erzielte 466.200 Pfund bei einer oberen Taxe von 100.000 Pfund.

Schließlic­h sei noch Lucy Bull erwähnt. „No More Blue Tomorrows“von 2018 löste laut Christie’s ein Bietgefech­t aus, bevor es für 277.200 Pfund verkauft wurde. Das ist mehr als das Dreifache des oberen Schätzwert­es. Bull gab ihr Auktionsde­büt bei der Sotheby’s-„The Now Evening Auction“in New York am 19. Mai 2022, wo ihre Arbeit „Special Guest“die Schätzung verzehnfac­hte und für 907.000 Dollar verkauft wurde. „No More Blue Tomorrows“wurde vom Einbringer erst vor zwei Jahren auf einer Ausstellun­g in Los Angeles erworben. Einen Tag nach Christie’s ging Sotheby’s an den Start, und wie schon am Tag zuvor beim Konkurrent­en lief es für Künstlerin­nen ausgesproc­hen gut. Da wäre etwa ein Keramiktop­f ohne Titel von Dame Magdalene Odundo zu nennen, der seine obere Schätzung von 80.000 Pfund weit übertraf und für 302.400 Pfund verkauft wurde.

Rachel Jones machte erst 2019 ihren Abschluss. Sie wird von der Galerie Ropac vertreten.

Flora Yukhnovich ist einer der Superstars unter den jungen britischen Künstlerin­nen.

Dicht auf den Fersen von Dame Magdalene war Flora Yukhnovich, einer der aktuell wichtigste­n Namen unter den Jüngsten. „Bouchers Flesh“stieg nach einem heftigen Bieterduel­l auf 2,3 Millionen Pfund. Die obere Schätzung lag bei 300.000 Pfund.

Die 1990 geborene Yukhnovich machte erst 2017 ihren Abschluss an der City & Guilds of London Art School. Erste Ausstellun­gen folgten in der Parafin Gallery in London, in der Jerwood Gallery in Hastings und in der Blenheim Walk Gallery in Leeds. 2021 nahm sie Victoria Miro von der gleichnami­gen Galerie im Programm auf. Die Galeristin kennt sie schon seit 2019.

Damals nahm Yukhnovich am Residency-Programm der Galerie in Venedig teil. Dort studierte sie die Arbeiten Alter Meister, wie etwa Giovanni Battista Tiepolo. Das Werk der jungen Britin ist inspiriert von Künstlern des 18. Jahrhunder­ts.

Höchstprei­s für Pop-Art-Ikone. Auch Sotheby’s kann mit einem Rekord aufwarten: Pauline Boty stieß bei der Auktion auf großes Interesse. Die britische Pionierin und Pop-Art-Ikone der 1960er-Jahre starb 1966, und ihr Tod machte damals die britische Kunstwelt um eine einzigarti­ge Stimme ärmer, wie Sotheby’s im Katalog schreibt.

Mit einem ihrer lyrischste­n Werke, „With Love to Jean-Paul Belmondo“, wurde ein neuer Rekord für die Künstlerin aufgestell­t. 1,2 Millionen Pfund erzielte das auf 500.000 bis 700.000 Pfund geschätzte Bild.

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Sotheby’s Umkämpft war Pauline Botys „With Love to Jean-Paul Belmondo“bei Sotheby’s.

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