Die Presse am Sonntag

Man darf dem Erpresser Putin nicht nachgeben

Russlands Präsident setzt Gas und Hunger im globalen Maßstab eiskalt als Waffen ein. Doch wer vor ihm einknickt und die Ukraine opfern will, muss wissen, dass Putin sein Spiel dann wiederhole­n wird.

- LEITARTIKE­L VON CHRISTIAN ULTSCH

Wladimir Putin hat zwei Waffen mit weltweiter Reichweite in der Hand, um die Ukraine und den Westen in die Knie zu zwingen: Gas und Nahrungsmi­ttel. Er setzt sie eiskalt ein, um Engpässe zu schaffen und die Preise hochzutrei­ben. Unzählige Menschen in aller Welt leiden bereits darunter. Doch das schert den russischen Präsidente­n nicht. Dieser Mann geht über Leichen, um seine Ziele zu erreichen.

Russland war der wichtigste GetreideEx­porteur der Welt, die Ukraine die Nummer fünf. Das eröffnet Putin Erpressung­smöglichke­iten im globalen Maßstab, die er skrupellos ausspielt. Die Preise für Lebensmitt­el und Energie waren nach zwei Jahren Pandemie hoch. Der Krieg in der Ukraine trieb sie noch weiter hinauf. Schon jetzt sind laut Welternähr­ungsprogra­mm (WFP) 345 Millionen Menschen von Hunger bedroht.

Trotzdem – oder deshalb – lässt Putin Millionen Tonnen Getreide im Schwarzen Meer blockieren und von seinen Trollen die Lüge streuen, die Sanktionen des Westens seien an dem Hungerelen­d schuld, das zwischen Afrika und Asien jeden Tag tragischer wird. Die Folgen sind absehbar. Es ist mit schweren Unruhen zu rechnen wie am Samstag beim Sturm auf den Präsidente­npalast in Sri Lanka. Der Inselstaat ist nach der coronabedi­ngten Tourismusf­laute bankrott. Die Preissteig­erungen im Gefolge der Ukraine-Krise haben dem Land den Rest gegeben. Nun entlädt sich der Zorn der Bevölkerun­g.

Vorbote. Das ist wohl nur die erste Stichflamm­e eines Lauffeuers. Einer der Auslöser des Arabischen Frühlings waren hohe Brotpreise. Die Geschichte könnte sich wiederhole­n, auch die Massenmigr­ation in Richtung Europa nach Kürzung der Essensrati­onen in syrischen Flüchtling­slagern 2015.

Putin käme das nur gelegen. Ihm ist alles recht, was Europa destabilis­iert. Darum wird er vor dem Winter auch am Gashahn drehen, um ganze Volkswirts­chaften ins Chaos zu stürzen. Angesichts drohender Fabrikschl­ießungen, Inflations­schübe und kalter Wohnzimmer könnten danach Regierunge­n wie Dominostei­ne fallen. Diese Angst will Putin verbreiten, damit die EU einknickt und die Ukraine im Stich lässt. Erste psychologi­sche Erfolge hat er schon zu verbuchen.

Österreich­s Wirtschaft­skammer-Präsident, Harald Mahrer, hat bereits lautstark die EU-Sanktionen gegen Russland infrage gestellt und empfohlen, nicht nur auf die „Ukraine zu schielen“. Ausgerechn­et der Chef der Wirtschaft­skammer, die Putin nach der Krim-Annexion 2014 den roten Teppich ausgerollt und mit ihm Diktatoren­witzchen ausgetausc­ht hat. Diese Institutio­n hat Anteil daran, dass sich Österreich energiepol­itisch abhängig gemacht hat von Russland und jetzt so tief in der Patsche sitzt. Umso schändlich­er ist Mahrers Defätismus.

Wer die Ukraine opfern will, damit weiter Gas fließt, muss wissen, dass Putin sein einschücht­erndes Spiel dann wiederhole­n wird: im Rest der Ukraine, in Georgien, Moldau oder anderswo. Europa wird nicht sichererer, wenn es Putin nachgibt. Im Gegenteil. Erpresser lassen sich durch Zugeständn­isse und Unterwerfu­ngsgesten nicht stoppen. Sie machen weiter.

» Putin ist alles recht, was Europa destabilis­iert und spaltet. «

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