Eine Insel versinkt in Wut und Chaos
In Sri Lanka sorgt eine historische Wirtschaftskrise für Unruhen. Demonstranten stürmten Präsidentenpalast. Premier bot Rücktritt an.
Colombo. In Colombo, der Hauptstadt des Inselstaats Sri Lanka, haben sich am Samstag die Ereignisse überschlagen. Zuerst stürmten Demonstranten das Anwesen des Präsidenten. Auf Facebook waren Livebilder der Eindringlinge zu sehen. Manche hatten sich in die indische Nationalflagge gehüllt. Der Hausherr, Präsident Gotabaya Rajapaksa, hatte das Anwesen schon am Vortag wohlweislich verlassen. Später wurde auch der Sitz des Regierungschefs Ranil Wickremesinghe gestürmt. Anders als der Präsident beugte er sich dem Druck der Massen. Er bot seinen Rücktritt an. Wickremesinghe kam erst vor knapp zwei Monaten ins Amt.
Der 22 Millionen Einwohner zählende Inselstaat muss zurzeit die schwerste Krise seit der Unabhängigkeit, seit 1948, ertragen. Es mangelt an Treibstoff, Medikamenten und auch an Essen. Die Regierung ist nicht mehr in der Lage, die wichtigsten Importe zu finanzieren. Wegen des Treibstoffmangels mussten zuletzt auch wieder Schulen schließen. Zugleich treibt die Teuerung immer mehr in die Armut. Im Juni erreichte die Inflation 54,6 Prozent und es wird erwartet, dass sie in den nächsten Monaten auf 70 Prozent klettert.
Die Gründe: Zuerst traf sie die Corona-Pandemie härter als andere: weil die wichtigen Einnahmen des internationalen Tourismus einbrachen genauso wie die Heimatüberweisungen von Arbeitsemigranten im Ausland. Dann schockte auch noch der Ukraine-Krieg die Weltmärkte. Die Preise spielen verrückt. Und natürlich hat auch die Misswirtschaft der Regierenden ihren Anteil, wie Demonstranten monieren.
Proteste eskaliert. Seit Monaten schon brodelt es im Volk. Im Mai eskalierten Massenproteste. Es gab Tote und Verletzte. Die Regierung des damaligen Premier Mahinda Rajapaksa beugte sich dem Druck der Massen. Sie trat zurück. Aber Rajapaksas Bruder, Präsident Gotabaya Rajapaksa, blieb im Amt. Für viele Bürger ist er ein rotes Tuch. Die Demonstranten am Samstag verlangten auch seinen Rücktritt. Der Präsident werde an einem geheimen Ort beschützt und sei im Amt, hieß es indes aus Verteidigungskreisen. Der neue Premierminister, Ranil Wickremesinghe, war ebenfalls in Sicherheit gebracht worden, zog aber Konsequenzen. Er wollte den Weg für eine Allparteienregierung freimachen, wie sein Büro am Samstag mitteilte.
Die Eskalation kommt zur Unzeit: Colombo bemüht sich um eine Übergangsfinanzierung des IWF. Und es wendet sich auch an den Kriegstreiber in der Ukraine, an Wladimir Putin. Erst
TOP 3 ONLINE diese Woche hatte Präsident Rajapaksa den Kremlchef erstens um einen Kredit zum Kauf von Benzin gebeten und zweitens darum, dass die russische Fluglinie Aeroflot wieder Colombo anfliegt. Hintergrund: Russische Urlauber sind für das auf Tourismus angewiesene Sri Lanka eine wichtige Einnahmequelle. Kritik an Putins Krieg hörte man aus Sri Lanka bisher auch deshalb nicht.