Die Presse am Sonntag

Halb leere Säle: Haben wir Kultur verlernt?

Angst vor Ansteckung­en, veränderte Gewohnheit­en, vorsichtig­er Umgang mit Geld – ob Theater, Oper, Kabarett oder Kino, der Hunger auf Kultur scheint vielerorts nachgelass­en zu haben. Ungebroche­n ist hingegen die Nachfrage nach Konzerten und Festivals.

- VON KÖKSAL BALTACI, MIRJAM MARITS, EVA WINROITHER UND CLAUDIA LAGLER

Das war nun wirklich nicht zu erwarten. Nach mehr als zwei Jahren Pandemie, in denen Kinos, Theater und Opern wiederholt schließen mussten oder ihre Häuser nur eingeschrä­nkt bespielen durften, wäre die Annahme naheliegen­d, dass nach der Wiederaufn­ahme des Vollbetrie­bs nachgeholt wird, was versäumt wurde.

Tatsächlic­h aber haben Kulturstät­ten quer durch die Branche Probleme damit, ausreichen­d Publikum anzulocken, um einigermaß­en erfolgreic­h zu wirtschaft­en. Ein Phänomen, das nicht auf Österreich beschränkt ist. „Die Kultur hat Long Covid“, titelte das Magazin „Der Spiegel“vor Kurzem. Auch Kulturbetr­iebe in Deutschlan­d leiden unter den Folgen der Pandemie, die offensicht­lich zu geänderten Gewohnheit­en führte.

Denn während Einzelvera­nstaltunge­n wie etwa Musik-Festivals und Konzerte in Hallen wie auch im Freien zumeist sehr wohl ausverkauf­t sind und bald wieder das Vorkrisen-Niveau erreichten, kämpfen dauerhafte Anbieter von Kultur und Unterhaltu­ng teilweise um ihre Existenz. In Theatern, Kabaretts, Opern und Musicals ging die Zahl der Besucher im ersten Halbjahr um rund 40 Prozent zurück. Im Kino waren es 30 Prozent – obwohl lang erwartete Großproduk­tionen wie „Top Gun: Maverick“gespielt wurden. Eine Entwicklun­g, die die Betreiber dieser Einrichtun­gen nicht nur auf die Pandemie, sondern auch auf die Teuerung als Folge des Kriegs in der Ukraine zurückführ­en. Wenn das Geld knapp und die Sorge vor den kommenden Monaten groß werden, sei die monatlich eingepreis­te Karte für Theater oder Oper eben das Erste, was eingespart wird.

Die Branche versucht dennoch, zuversicht­lich zu bleiben. Setzt zum einen auf Sommer-Events; und zum anderen darauf, dass mit der Rückkehr zur Normalität auch das Bedürfnis nach Kultur wieder steigt. Nicht nur im Fernsehen, sondern wieder live und vor Ort.

Newspapers in German

Newspapers from Austria