Live-Kabarett: »Corona hat viel angerichtet«
„Manches ist profaner, als wir glauben“, sagt Film- und Theaterschauspieler Gerald Pichowetz, Direktor des Gloria-Theaters in Wien, Sprecher der Wiener Theater und stellvertretender Fachgruppenobmann der Kultur- und Vergnügungsbetriebe in der Wirtschaftskammer, zu denen auch Kabarett gehört. „Was wir machen, ist ein Bereich in der Unterhaltung, der mit jenem Geld bezahlt wird, das übrig bleibt.“
Nachdem die Pandemie schon „viel angerichtet hat“, weil Veranstaltungen zur Enttäuschung der Besucher immer wieder kurzfristig abgesagt wurden und sie wegen Abstandsregeln lange Zeit nicht nebeneinander sitzen durften, tue nun die Teuerung als Folge des Kriegs in der Ukraine ihr Übriges. „Die Menschen sparen lieber und warten ab, was noch kommt“, sagt Pichowetz. Denn neben den unsicheren Aussichten bei der Teuerung sei auch die Pandemie noch lang nicht vorbei. Selbst der Pensionist, der schon immer einen Teil seines monatlichen Einkommens für Kabarett oder Theater ausgegeben habe, sei vorsichtiger geworden und bleibe öfter zu Hause.
Minus 40 Prozent. Tatsächlich sind die Einbußen in diesem Bereich enorm, wie die Zahlen des ersten Halbjahres belegen. Der Wirtschaftskammer zufolge erreichen Kabarettprogramme lediglich 60 Prozent der Besucher, die sie noch vor der Pandemie erreichten. Selbst Stars der Szene, die seit Jahren im Geschäft sind und so etwas wie ein Stammpublikum haben, bekommen ihre Shows an vielen Tagen nicht voll. Selbiges gilt für Theateraufführungen. Die vergangenen zweieinhalb Jahre haben also offensichtlich ihre Spuren hinterlassen. Die Hoffnung, wonach kulturelle Angebote wieder in dem Ausmaß in Anspruch genommen werden, wie das vor der Pandemie der Fall war, erfüllte sich – zumindest vorerst – nicht. Was für manche Betriebe auch ein existenzielles Problem darstellt. Durch Subventionen wurde zwar Pichowetz zufolge vieles abgefedert, ein Teil der Ausfälle sei aber nicht mehr aufzuholen. „Zur Verdeutlichung des Schadens nenne ich Ihnen zwei Beispiele“, sagt er. „Allein bei uns mussten wir drei Premieren am Tag der Premiere absagen. Und: Silvester ist in unserer Branche immer ein markanter Punkt, üblicherweise haben wir drei ausverkaufte Vorstellungen, um 17, 20 und 23 Uhr. Beim letzten Mal war es nur eine Vorstellung, die wir gerade noch füllen konnten.“
Zu dieser Entwicklung beigetragen habe wohl auch, dass das Fernsehen Kabarett für sich entdeckt habe. Der Vorteil davon sei, dass damit die breite Masse erreicht werde, auf der Strecke bleibe aber der Live-Charakter der Auftritte, der nicht ersetzt werden könne. Darin liege auch die Zuversicht der Branche. Früher oder später werde das Publikum wieder Geschmack finden an Live-Programmen – und in die Kultursäle zurückkehren.