Bier im Champagnerglas und a
Das Stiegl-Gut Wildshut tüftelt neuerdings an Reifebieren: in Amphoren, nach belgischer Art oder mit besonderem Prickeln. Vorreiter ist die Brauerei auch in anderen Dingen: von Biodiversität bis zum Bemühen, nichts zu verschwenden.
Der abschüssige Schotterweg neben der Straße führt irgendwo ins Grüne. „Als ich das erste Mal da war, war alles komplett zugewachsen und verwildert“, sagt Markus Trinker. Heute gelangt man hier wieder zu einem fast vergessenen Ort: dem alten Naturkeller des Stiegl-Guts Wildshut – in dem nun neue Ideen umgesetzt werden. Etwa das Sauerbier nach belgischem Vorbild, das in 1000-Liter-Holzfässern vor sich hinreift: eines von mehreren Reifebieren, die das Stiegl-Gut nun nach und nach lancieren wird.
Während das Sauerbier noch drei, vier Monate braucht, bis es verkostet werden kann, ist ein anderes, ebenfalls bemerkenswertes Bier gerade fertig geworden: die Perlage. Sie wird in Anlehnung an die Champagnermethode hergestellt und wie das französische Original ein zweites Mal in der Flasche vergoren – was ihr ein besonders intensives, feines Prickeln verleiht. „Die, die die Perlage bis jetzt verkosten durften, haben gesagt: Sie erinnert mehr an Champagner als an Bier“, sagt Trinker.
Zutaten aus eigener Hand. Als Kreativbraumeister der Salzburger StieglBrauerei steckt Trinker zusammen mit Sebastian Essl auch hinter den Bieren aus Wildshut, einer kleinen Ortschaft rund 30 Kilometer nördlich von Salzburg. Das dortige Gut, das seit etwas mehr als 100 Jahren im Besitz von Stiegl ist, ist zweifellos außergewöhnlich: Hier wird nämlich nicht nur BioBier gebraut – auch die Zutaten werden selbst produziert. Auf den Feldern rings um das Stiegl-Gut wird Getreide angebaut, vor der Brauerei wird Hopfen gezogen und sogar das Wasser für die Biere stammt seit anderthalb Jahren aus der eigenen Quelle.
„Um besondere Biere brauen zu können, braucht man besondere Rohstoffe“, sagt Trinker. „Deswegen steht die Landwirtschaft hier genauso im
Mittelpunkt wie das Brauen.“Man arbeitet möglichst im Einklang mit der Natur, achtet auf einen gesunden Boden und den Erhalt der Biodiversität (siehe Artikel unten) und versucht, im Kreislauf zu wirtschaften: Der Biertreber geht etwa an die Tiere des Guts – alte Rassen wie Mangalitzaschweine, Tiroler Bergschafe oder Pinzgauer Rinder. Andere Reste werden an die Weinbergschnecken verfüttert, die im zugehörigen Restaurant auch auf den Tisch kommen. „Nix wird verschwendet, nix wird verworfen – das ist schon cool.“
Basis für alle Biere sind die Urgetreide – von Vögeles Gold bis Alpine Pfauengerste.
Die enge Verschränkung mit der Landwirtschaft bringt auch Herausforderungen mit sich („Nach einem Unwetter rufst sofort den Bauern an“). Bis dato sieht es in diesem Jahr aber ganz gut aus. „Heuer ist es super, sowohl beim Getreide als auch beim Hopfen“, sagt Trinker. Gerade letzterer ist in BioQualität nicht ganz einfach zu kultivieren. „Es braucht Zeit und Fingerspitzengefühl. Man sagt auch: Der Hopfen will jeden Tag seinen Herrn sehen.“Während beim Hopfen teilweise auch zugekauft wird – gerade für die Perlage etwa wollte der Braumeister eine besondere Sorte („Hallertau Blanc, die hat eine weinige Note“), kommt das Getreide gänzlich aus eigener Hand. Und: Es ist ausschließlich Urgetreide.
Seit mehr als 15 Jahren werden auf Initiative von Stiegl-Eigentümer Heinrich Dieter Kiener alte Sorten kultiviert, von denen viele wohl noch nie gehört haben: Alpine Pfauengerste, Vögeles Gold oder Laufener Landweizen etwa. Diese bewahrt man hier vor dem Verschwinden – und gleichzeitig bekommen die Biere des Guts eine besondere Note. „Das Getreide ist einfach charakterstärker“, sagt Trinker. „Unsere Biere kriegen so noch mehr Ausdruck.“
Wobei noch eine weitere Sache dazukommt: die eigene Mälzerei, in der das Getreide ins Malz verwandelt wird, das fürs Bierbrauen notwendig ist: heller oder dunkler, bis hin zu karamelligschokoladig – ein wesentliches Element für den Geschmack des Biers. Während Mälzen und Rösten einst integrale Bestandteile von Brauereien waren, sind sie heute oft ausgegliedert. „Wir haben das Mälzungshandwerk wieder zu uns geholt“, sagt Trinker. „Dadurch können wir schon sehr früh gestalten.“
Im Spirituosenfass ausgebaut. Diesen Gestaltungsspielraum schätzt der Braumeister sehr. „Klass ist, dass man hier einfach wahnsinnig eigenständige Biere erzeugen kann.“Neben den Klassikern,
etwa der Urgetreidecuve´e Sortenspiel, werden immer wieder saisonale Biere gebraut. Und zum Sauerbier und der Perlage – die übrigens im Champagnerglas serviert wird – kommen zwei weitere Reifebiere: eines, das in Spirituosenfässern ausgebaut wird, und eines, das aus den georgischen Tonamphoren kommt, die gegenüber dem Sudhaus in der Erde stecken. In denen wurde nach einer Idee von Stiegl-Chefbraumeister
Christian Pöpperl schon bisher alle zwei Jahre ein Urbier gemacht.
Zeit für Erklärungen. „Das ist sehr exotisch, ein amphorengereiftes Bier kann man den Leuten nicht einfach hinstellen“, sagt Trinker. „Während Frischebiere leicht verstanden werden, ,Das ist Bier‘, brauchen Reifebiere Zeit – auch, um erklärt zu werden.“Immerhin sind die entsprechenden Bierstile – vom
Bie`re de brut nach der Champagnermethode bis zum Sauerbier – hierzulande noch eher unbekannt. „Das ist extrem nischig, aber ich glaube schon, dass wir da vielleicht eine Kategorie aufmachen können.“Man kann jedenfalls mit weiteren Ideen rechnen. Auf die Frage, was der große hölzerne Gärbottich im Naturkeller zu suchen hat, schmunzelt der Braumeister nur: „Der ist für ein Experiment.“