Elon Musk will nicht mehr
Der Tesla-Chef bläst die 44-Mrd.-Dollar schwere Twitter-Übernahme ab. Doch die Geschichte ist nicht vorbei. Für den reichsten Mann der Welt könnte es ein teurer Fehltritt werden.
Es gibt viele gute Gründe, warum die Übernahme von Twitter durch den Tech-Milliardär Elon Musk eine gute Nachricht war. Nein, nicht weil der selbst ernannte „Absolutist der Redefreiheit“angekündigt hatte, den gesperrten ExPräsidenten Donald Trump wieder auf die Plattform zu lassen. Aber Twitter selbst hatte in den letzten Jahren wirtschaftlich enttäuscht, wenig aus seiner starken Marktposition gemacht und bis zuletzt kein überzeugendes Geschäftsmodell vorlegen können. Da hätte es nicht geschadet, zumindest den reichsten Mann der Welt hinter sich zu wissen.
Doch geht es nach Elon Musk, ist die sechsmonatige Kurzzeit-Beziehung mit der Social-Media-Plattform schon wieder beendet. Der Kalifornier hatte Freitagabend die amerikanische Börsenaufsicht SEC davon informiert, dass er den 44 Milliarden Dollar schweren Deal auflösen wolle.
Ist Twitter zu teuer? Anzeichen, dass Musk schon nach wenigen Wochen das Interesse an dem Geschäft verloren hatte, gab es bereits vorher. Schon kurz nach seiner pompösen Ansage im April, Twitter zu kaufen und von der Börse nehmen zu wollen, legte der Tesla-Gründer den Retourgang ein. Der Unternehmer schürte öffentlich Zweifel daran, dass der Deal wirklich umgesetzt werden könne, kritisierte das Twitter-Management harsch und warf dem Kurznachrichtendienst vor, keine korrekten Zahlen über den Anteil der automatisierten Fake-Accounts zu liefern. Twitter-Verantwortliche beteuern seit Wochen, dass der Anteil dieser Roboter-Accounts bei unter fünf Prozent liegt. Elon Musk will das nicht glauben, kann seine Skepsis aber auch nicht untermauern, weshalb Beobachter schon seit Wochen mutmaßen, dass der Tesla-Chef nur einen Vorwand suche, um aus der Nummer wieder rauszukommen. Immerhin war er es, der zunächst still und leise fast ein Zehntel von Twitter aufgekauft hatte, um dann in Rekordzeit ein bindendes Übernahmeangebot auf den Tisch zu legen. Noch vor zwei, drei Monaten konnte es gar nicht schnell genug gehen. Musk verzichtete dafür sogar auf die sonst übliche „due diligence“, also auf die vertiefte Prüfung der Finanzen von Twitter.
Doch der Tesla-Chef hat sich offenkundig verspekuliert. 54,20 Dollar wollte der Milliardär pro Twitter-Aktie auf den Tisch legen. Das war schon bei Bekanntgabe des Deals ein guter Preis. Inzwischen hat die Twitter-Aktie aufgrund des allgemeinen Bärenmarkts bei Technologiewerten allerdings deutlich nachgegeben. Am Freitag fielen die Aktien, noch bevor Musk die Vereinbarung platzen ließ, erneut um sieben Prozent auf 36,81 Dollar. An der Börse ist der Kurznachrichtendienst damit etwa 28 Milliarden Dollar wert, Elon Musk müsste 44 Milliarden dafür ausgeben. Dem Tesla-Chef sei der Deal inzwischen einfach zu teuer geworden, also suche er ein Schlupfloch, mutmaßen Beobachter.
Ganz ähnlich dürfte das Twitter selbst sehen. Nur wenige Minuten nachdem Elon Musk die Vereinbarung am Freitag für aufgelöst erklärte, kündigte
CHRONOLOGIE
Tesla-Gründer und Multimilliardär Twitter an, den Deal vor einem Gericht in Delaware durchboxen zu wollen.
Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, sagen US-Juristen. Einerseits war in der Vereinbarung zwischen Twitter und Musk eine Pönale von einer Milliarde Dollar vereinbart, sollte eine Seite den Vertrag auflösen. Dabei ging es aber eher um Probleme wie eine gescheiterte Finanzierung als um eine grundsätzliche Kehrtwende. Zudem sei das Übernahmeangebot aber grundsätzlich bindend gewesen. Musks Anwälte erklären nun, Twitter habe es seit fast zwei Monaten versäumt, Musk und seinem Beraterstab
Elon Musk hat nach seinem Kaufanbot rasch das Interesse an der Plattform verloren. » Es geht bei Twitter nicht ums Geld, sondern vor allem darum, die Redefreiheit auf der Plattform zu stärken. « ELON MUSK
Twitter will die Übernahme vor Gericht durchboxen und Musk zum Kauf zwingen.
die nötigen Datenzugänge zur Verifizierung der Angaben zu Fake-Accounts bereitzustellen. Sie bezeichneten das als einen derart schweren Bruch der Vertragsbedingungen, dass die Kaufvereinbarung aufgelöst werden könne. Ob die Richter am Delaware Chancery Court das auch so sehen, ist allerdings alles andere als klar.
Der Deal ist nicht tot. Musk müsste nachweisen, dass Twitter so gravierende Informationen unterschlagen habe, dass der Deal zu den vereinbarten Konditionen nicht mehr tragbar ist. Bisher entschied das Gericht meist gegen die Auflösung derartiger Deals und ordnete die Übernahme – teils zu anderen Konditionen – an. Der TwitterDeal ist also noch lang nicht tot. Wirklich gut sind die Aussichten für den Kurznachrichtendienst trotzdem nicht: Die ursprünglichen Probleme sind ungelöst, die Aktie dürfte weiter fallen, viele Mitarbeiter sehen in Musk heute nur noch den Feind. Wird er tatsächlich gezwungen, das Unternehmen zu kaufen, könnte es auch bei Twitter selbst rasch ungemütlich werden.