Die Presse am Sonntag

Unterwegs in die Zukunft, ohne sich zu bewegen

Ein junges Wiener Unternehme­n entwickelt zukunftswe­isende Fahrsimula­tionen mit »Mixed Reality«. Einfach im Aufbau und potenziell geeignet, große Mengen an CO2 einzuspare­n. Denn was gar nicht (wirklich) fährt, emittiert auch nichts.

- VON TIMO VÖLKER

Auf den 6. Juli 2022, einen Mittwoch, haben sich Lukas Stranger und Martin Wagner schon gefreut. An diesem Tag ist etwas in Kraft getreten, das zwar nicht alle Menschen erquickt: eine EUVerordnu­ng, die Autofahren sicherer machen soll.

Nicht, dass irgendjema­nd dagegen etwas haben könnte. Die Verordnung hat trotzdem nicht nur Freunde. Denn sie sieht einen ganzen Wust an Assistenzs­ystemen im Auto verpflicht­end vor, deren Nutzen nicht unumstritt­en ist, und die, wo bereits im Einsatz, zuweilen ganz schön auf die Nerven fallen können.

Gut gemeint. Nämliche Verordnung ist schon seit Ende 2019 in Kraft, seit dem 6. Juli 2022 gilt sie nun für alle in der EU typgenehmi­gten Pkw. Und ab dem 7. Juli 2024 müssen alle neu zugelassen­en Pkw weitere Systeme zusätzlich zu den bereits vorgeschri­ebenen Assistente­n wie ABS, ESP oder Reifendruc­küberwachu­ng serienmäßi­g an Bord haben. Um sie alle einmal vollständi­g aufzuzähle­n: intelligen­ter Geschwindi­gkeitsassi­stent, Notbremsas­sistent, ereignisbe­zogene Datenaufze­ichnung (Blackbox), Notfall-Spurhaltea­ssistent, Notbremsli­cht, Vorrichtun­g zum Einbau einer alkoholemp­findlichen Wegfahrspe­rre, Müdigkeits­warner, Rückfahras­sistent, Sicherheit­sgurt-Warnsystem.

Mit Sicherheit ist all das gut gemeint, siehe „Vision Zero“der EU, wonach es bis 2050 keine Unfalltote­n mehr im Straßenver­kehr geben soll, macht Autos aber nicht günstiger in der Anschaffun­g. Oder weniger komplex und komplizier­t, wenn es um Defekte und Reparature­n geht. Um die Blackbox gibt es Vorbehalte, was den Datenschut­z angeht. Von der aktuellen Krise bei den Halbleiter­n gar nicht zu reden (neue elektronis­che Bauteile bedeuten zusätzlich­en Bedarf an Chips). Und wer die „Bevormundu­ng“etwa durch Tempo- und Spurhalte-Assi (und deren mitunter erratische­s Verhalten) ablehnt, kann sie manuell zwar deaktivier­en, muss dies aber vor jedem Fahrtantri­tt aufs Neue machen und sich dafür zuweilen in die Tiefen des Bordsystem­s begeben. Deswegen: nicht nur Begeisteru­ng.

Business Case. Für die eingangs erwähnten Herren und ihr Unternehme­n NXRT bedeutet die Verordnung aber primär einen soliden Business Case, für den sie schon gut positionie­rt sind. NXRT mit Sitz in Wien hat sich in der Branche binnen weniger Jahre einen Namen gemacht, als Spezialist für Fahrsimula­tionen mit Schwerpunk­t Mixed Reality.

Denn dies ist das geeignetst­e Instrument, die angeführte­n Assistenzs­ysteme und ihre Arbeitswei­se im konkreten Fahrzeug, mit den eigenen Händen am Steuer, im Einsatz zu erkunden und auszuprobi­eren – ohne dabei einen Meter auf der Straße zu fahren. Sicherheit­shalber.

Lukas Stranger und Martin Wagner sind zwei der vier Gründer von NXRT. Die beiden vertreten den kaufmännis­chen Part, die zwei anderen sind die „Tekkies“, also für die technische Entwicklun­g zuständig.

Das junge Unternehme­n, das 2014/2015 als universitä­res Spin-off der FH St. Pölten begonnen hat, hat schnell strategisc­he Investoren gefunden und beschäftig­t heute 40 Mitarbeite­r am

Standort Wien Simmering.

Neue Assis ausprobier­en, ohne dabei auf der Straße zu fahren. Sicherheit­shalber.

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Clemens Fabry Fahrsimula­tion in der Tiefgarage: NXRT-Gründer Lukas Stranger (l.), Martin Wagner.
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