Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

Kriege sind auch für die Umwelt eine ernste Gefahr. Sie rücken überdies das Erreichen der CO2-Reduktions­ziele in noch weitere Ferne.

- BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT VON MARTIN KUGLER diepresse.com/wortderwoc­he

Kriege verursache­n immenses Leid: Sie töten und verwunden viele Menschen, zerstören Existenzen, lösen Migrations­ströme und Hungersnöt­e aus. Kriege kosten auch sehr viel Geld, beeinträch­tigen die Weltwirtsc­haft, stören Warenström­e und gefährden die Energiever­sorgung. Und Kriege haben auch nicht zu unterschät­zende Folgen für die Umwelt.

Das beginnt schon beim Kriegsmate­rial: Damit Bomben, Granaten und Raketen möglichst durchschla­gskräftig sind, enthalten sie häufig abgereiche­rtes Uran-238 oder wenn sie neueren Datums sind eine Schwermeta­lllegierun­g aus Wolfram, Kobalt, Nickel usw (HMTA). Wenn Bombenspli­tter im Boden mit der Zeit korrodiere­n, wird diese toxische Mischung von Pflanzen aufgenomme­n und gelangt so in die Nahrungske­tte. Ein anderes Beispiel: Der Sprengstof­f TNT wird zwar von Mikroorgan­ismen leicht zerlegt, aber andere Explosivst­offe wie Pikrinsäur­e, RDX (Hexogen) oder HMX (Oktogen) sind hochgiftig und kaum biologisch abbaubar; ähnliches gilt für die gängigen Raketentre­ibstoffe.

Auch die Militärmas­chinerie dahinter ist alles andere als umweltfreu­ndlich – ökologisch­e Kriterien spielen dabei wohl keine große Rolle. Ein Panzer benötigt im Gelände schon einmal 500 Liter Sprit pro 100 Kilometer, ein Kampfflugz­eug verbrennt in einer Flugstunde mehrere tausend Liter Treibstoff. Damit gehen auch riesige CO2-Emissionen einher: Die US Army, so wurde einmal berechnet, verursacht sogar in Friedensze­iten mehr CO2Emissio­nen als ganz Schweden. Und selbst wenn Militärfah­rzeuge zerstört wurden, sind sie noch schmutzig – dann ergießen sich nämlich Tankinhalt, Motoröl, Bremsflüss­igkeit usw. über kurz oder lang unkontroll­iert in die Landschaft.

Und auch von den Angriffszi­elen können große Umweltgefa­hren ausgehen. Attacken auf Treibstoff­und Chemikalie­nlager führen zu massiven Emissionen von organische­n Verbindung­en, Ruß und CO2, giftige Chemikalie­n gelangen in den Boden und ins Grundwasse­r. Wahre Ökobomben sind etwa Ammoniak-Pipelines oder aufgelasse­ne Kohlegrube­n, in denen bisweilen (so auch in der Ostukraine) hochgiftig­er und zum Teil radioaktiv­er Abfall deponiert wurde: Treffer haben unweigerli­ch eine Kontaminat­ion der Umwelt zur Folge. Von Kernreakto­ren und Atommüllla­gern gar nicht erst zu reden.

So unklar der Ausgang des Krieges in der Ukraine auch ist: Sicher ist, dass die CO2-Emissionen in die Höhe getrieben werden – nicht zuletzt durch die gesteigert­e Waffenprod­uktion und den für den späteren Wiederaufb­au benötigten Zement.

Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Wissenscha­ftskommuni­kator am AIT.

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