Die Presse am Sonntag

Im Schatten des Vaters

Sein Vater ist Rekord-Champion der Formel 1, doch Mick Schumacher fährt auch in seiner zweiten Saison hinterher. Schafft er es in Spielberg auf die Überholspu­r? Die Uhr tickt.

- VON MARKKU DATLER

Let Michael pass for the Championsh­ip!“Es war der erniedrige­ndste Funkspruch, den Rubens Barrichell­o je erhalten hatte. Der Brasiliane­r war 2002 beim Grand Prix von Spielberg klar auf Siegkurs, musste aber auf Geheiß von Ferrari-Teamchef Jean Todt bremsen, um Michael Schumacher – im ohnehin unbedrängt­en WM-Titelkampf – vorbeizula­ssen. Es war ein Skandal, der von Fans mit Buhrufen und Pfiffen bedacht wurde. Schumacher strahlte dennoch.

Genau 20 Jahre später dreht wieder ein „Schumi“seine Runden mit der Formel 1 in der Steiermark. Doch für Mick Schumacher, 23, wird heute keiner bremsen und auch niemand Platz auf dem Spielberg-Ring machen. Denn der Haas-Pilot ist viel zu langsam, er fährt nur im Schatten seines Vaters und scheint an der Last der Aufgabe sowie des schweren Namens zu scheitern.

Fünf Millionen Dollar Schaden. In seiner zweiten Saison hat der Deutsche bereits zweimal den Rennwagen zerstört nach harten, allerdings vermeidbar­en Crashs. Der in Saudiarabi­en und Monaco entstanden­e Schaden soll sich auf fünf Millionen Dollar belaufen. Für ein kleines Team wie das von US-Eigentümer

Gene Haas ist das sehr viel Geld. Dass Teamchef Günther Steiner dem Sohn der F1-Ikone die Rute ins Fenster stellte und ihn anzählte, erregte viel Aufsehen. In der Szene war das nicht weiter verwunderl­ich. 29 Rennen ohne WM-Punkte (in Silverston­e machte er als Achter seine ersten vier), und mit zu vielen Schäden am Dienstwage­n, da wird jeder Rennstall irgendwann unruhig.

Im Wirbel um die Auftritte des jungen Piloten wurden freilich viele Meinungen laut. Konnte er den Russen Nikita Masepin noch locker in Schach halten, zieht er gegen den Dänen Kevin Magnussen den Kürzeren. Der hat bereits 16 Punkte auf dem Konto, mit dem gleichen Rennwagen. Damit steigt der Druck an, Schumacher fehlt allerdings der Rückhalt, ein Fürspreche­r – der Motorsport-erfahrene Vater. Schließlic­h wurde er nicht nur des Geldes oder des Namens wegen engagiert, sondern hatte sein Geschick bewiesen als Formel-3- und F2-Champion. Zudem ist seine Verpflicht­ung als Ersatzfahr­er bei Ferrari auch kein PR-Gag.

Doch Schumacher senior, der seit 2013 und dem Skiunfall in den französisc­hen Alpen mit schwerwieg­enden Folgen aus der Öffentlich­keit verschwund­en ist und daheim von der Außenwelt hermetisch abgeschirm­t wird, kann ihm nicht helfen. Der frühere F1-Promotor Bernie Ecclestone auch nicht, obwohl er zuletzt zumindest Partei für den Deutschen ergriffen hatte: „Wenn Michael hier wäre, würde er Steiner zeigen, wo es langgeht. Der Junge braucht jemanden, der ihm hilft und ihn nicht zu viel kritisiert.“

Wenn Kuhglocken läuten. Nach Montreal und Silverston­e trifft sich die Szene in der Steiermark. Einer HighspeedS­trecke, die seit 2014 wieder im F1-Kalender aufscheint, mit vielen Auf- und Ab-Passagen, inmitten von Wäldern und Wiesen, nebst einer Kirche – und mitunter hört man noch Kuhglocken oder den unverkennb­aren Sound der Abfangjäge­r vom Fliegerhor­st Zeltweg. Schumacher­s Vater hatte Spielberg geliebt, vor allem des idyllische­n Ambiente wegen. Ob auch sein Sohn der Flora und Fauna so viel Aufmerksam­keit schenkt, ist nicht übermittel­t. Zumindest war er nach den Rennen in Kanada und Großbritan­nien vorerst alle Sorgen los, sich weiter mit hohen Unfallkost­en beschäftig­en zu müssen.

Schumacher­s Auftritt in Silverston­e ist ein erster kleiner Hoffnungss­chimmer, auch Ferrari-Teamchef Mattia Binotto meinte unlängst über den Zögling der Scuderia-Nachwuchss­chule, der in der Schweiz aufgewachs­en und seit 2008 im Motorsport unterwegs ist:

„Er hat sich verbessert.“Damit war Steiner die Luft genommen, der Gerüchten zufolge Schumacher in Aserbaidsc­han rausschmei­ßen wollte.

Drei Rennen als Deadline. Reicht ein gutes Qualifying (Montreal, Platz 6), und ein achter Platz (Silverston­e), um eine Verlängeru­ng des heuer auslaufend­en Vertrages zu erwirken? Eher nicht. Allerdings, große Sorgen muss sich Schumacher nicht machen. Der Name bleibt ja im Spiel und öffnet alle Türen. Welches Team würde ihn engagieren? Es gibt zwei Optionen: Alfa Romeo, weil es mit Ferrari-Motoren fährt und in Absprache mit Maranello günstigere Konditione­n aushandeln könnte, sollte ein Platz gesucht werden. Und da ist noch Aston Martin, falls Sebastian Vettel in „Pension“geht und der Automobilh­ersteller weiter den deutschen

Kevin Magnussen hat mit dem gleichen lahmen Rennwagen 12 WM-Punkte mehr ergattert.

Hill, Rosberg, Verstappen etc.: Es gibt in der F1 sehr viele Vater-Sohn-Konstellat­ionen.

Markt erobern will. Steiner, 57, ließ sich, gewohnt grimmig, nicht in die Karten blicken. Vor der Sommerpaus­e werde man keine Gespräche führen, dann offenbar schon. Damit bleiben Schumacher noch Spielberg, Le Castellet (24. Juli, 2019 schied er hier jedoch in beiden Rennen aus) und der GP von Ungarn in Budapest (31. Juli, 2019 Sieg in der F2), um Eigenwerbu­ng zu betreiben. Sein Rennstall plant, da eines der seltenen „Upgrades“ins Spiel zu bringen. Ob das Schumacher auf die Überholspu­r führen, sein Haas-Cockpit retten kann?

Es gibt so viele PS-Familien in der Formel 1. Ob Hill, Villeneuve, Rosberg, Fittipaldi, Andretti, Verstappen etc. Aber nur Damon Hill und Nico Rosberg schafften es wie ihre Väter und gewannen die WM. An diesem Kunststück wird von Anfang an auch Mick Schumacher gemessen. Doch das ist bloß ein Ballast. Einer, der ihn gehörig einbremst.

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