Die Presse am Sonntag

Lieber fliehen als knien

Vom Suchen und Finden: Im Roman »Dann rennen wir« beweisen drei Frauen, dass sie sich nicht einfach ihrem Schicksal ergeben.

- AB

Drei Frauen, zwei Zeitebenen: Was die drei Geschichte­n eint, ist die (un)mittelbare Bedrohung durch Männer. Dublin 2012: eine namenlose Gynäkologi­n, sechs Jahre vor der Legalisier­ung von Abtreibung­en – man fühlt sich an das jüngste Urteil des US Supreme Court erinnert. Die Ärztin hat ständig mit dem Entstehen von neuem Leben zu tun; in Form ihrer Mutter, die jahrelang tablettenu­nd alkoholabh­ängig war, steht ihr das andere Ende der Lebensskal­a vor Augen: der Tod. Die Ärztin überlegt nun, ob sie in London eine Stelle annehmen soll. Was hält sie zurück?

Im US-Bundesstaa­t Maryland desselben Jahres hat Ali, die einzige Ich-Erzählerin, gerade ihre Mutter verloren. Da tauchen ihre Großeltern auf und wollen sich um sie kümmern. Kurze Zeit lässt sie sich ein auf dieses neue Leben, dann nimmt sie Reißaus und begibt sich auf eine Odyssee. Die jungen Männer, die ihr anfangs helfen, wenden sich letztlich gegen sie – doch sie weiß einen Ausweg.

Und dann ist da noch Jasmine, im Jahr 1982. Auch sie flieht aus ihrem Zuhause, aus dem irischen Kaff, vor ihrer kranken Mutter. Sie will in London Tänzerin werden. Nach der Überfahrt landet sie in einem üblen Teil Londons und wird ebenso rasch mit menschlich­en, meist männlichen Abgründen konfrontie­rt. Sie kehrt zurück nach Dublin und findet etwas, das ihr Halt gibt : das Boxen.

In Paula McGraths Roman taucht man tief ein in eine oft grausame Welt, doch offenbaren ihre Protagonis­tinnen große Stärke – sie kämpfen.

Ein kraftvolle­s Buch.

Paula McGrath: „Dann rennen wir“, übersetzt von Karen Gerwig, Verlag Goya, 304 Seiten, 22,60 Euro

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