Wie sich der Klimawandel
Die Klimakrise gilt vielen als »medizinischer Notfall«. Sie bringt neue Viren nach Europa, verstärkt soziale Gräben – und birgt trotz allem auch Chancen.
Das T-Shirt klebt an der Haut, die Hose an den Oberschenkeln. Schweißperlen stehen auf der Stirn und unter dem Haaransatz im Nacken. Immer wieder lösen sich einzelne davon und rinnen in den schon schweißnassen Kragenrand. „Tätigkeiten wie Forstarbeit und Wildbachverbauung waren schon immer körperlich anstrengend, so belastend wie in diesen Tagen waren sie aber wohl nie“, sagt Umweltmediziner Heinz
Fuchsig. Dabei findet das Befestigen von Erdreich, das Reparieren von Bachbetten, das Stutzen und Schlägern von Bäumen so gut wie immer in schattigen Wäldern, kühlen Gräben und feuchtem Gehölz statt. „Man meint, man ist von der Sonne abgeschirmt, aber selbst im abgeschiedensten Tal nimmt die Leistungsfähigkeit der Menschen stark ab, die Schlafprobleme nehmen zu.“
Temperierter Leistungsknick. In beton-, glas- und metallreichen Städten werden die Strapazen noch deutlicher. „Seit Jahren wächst die Zahl der Hitzetage, in denen das Thermometer mehr als 30 Grad Celsius anzeigt, und die der Tropennächte mit mehr als 20 Grad, überproportional an“, sagt Fuchsig. Ein Trend, der sich auch in der Statistik der Todes- und Krankheitsfälle abbildet. „Die Entwärmung des Körpers ist zentral für unsere Gesundheit“, so der Arbeitsmediziner. „Steigt unsere Temperatur um ein Grad, erhöht sich der Ruhepuls um gut 15 Schläge. Ist es im Schlafzimmer heiß, muss das Herz bis zum 2,5-Fachen leisten, da bis zu 80 Prozent des Blutes knapp unter der Haut fließen.“Die Folge: Die Erholung bleibt aus, das Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle und Gefäßerkrankungen steigt – und zieht zudem einen ökonomischen Rattenschwanz nach.
Die Ökonomen Marshall Burke, Solomon Hsiang und Edward Miguel von den Universitäten Stanford und California
wiesen bereits vor rund zehn Jahren darauf hin, dass die humane Produktivität bei Hitze abnimmt. Dazu verglichen sie 166 Staaten in der Zeit von 1960 bis 2010. Ihr Fazit: Die beste Wirtschaftsleistung wird bei 13 Grad Außenund etwa 23 Grad Innentemperatur erbracht. Erreicht wird das in nicht
»Steigt unsere Temperatur um ein Grad, erhöht sich der Ruhepuls um gut 15 Schläge.«
klimatisierten Büros im Sommer jedoch selten: „Aktuell wird in den USA mit Einbußen in Höhe von zwei Prozent des BIPs aufgrund des Hitzeeffekts gerechnet“, sagt Fuchsig. Ähnlich lauten die Schätzungen für Österreich.
„Vielfach fehlt am Arbeitsplatz eine Klimaanlage, Pflanzen sind manchmal zusätzlich belastend“, sagt Fuchsig, der auch Autor des Buchs „Medizin im Klimawandel“ist. „Eine höhere Luftfeuchtigkeit verringert die Kühlung durch Schwitzen.“Nachgerechnet bedeutet das: „Hat es in einem Büro 29 Grad und eine Luftfeuchtigkeit von 40 Prozent und steigern Pflanzen diese auf 60 Prozent, ergibt das physiologisch 32 Grad mit 40 Prozent gefühlter Feuchte.“Allerdings: „Bei 29 Grad knickt die geistige Leistungsfähigkeit von Männern vollends ein, bei Frauen sind 31 Grad das Limit.“Dazu kommt: Um mental wie physisch aktiv zu sein, benötigt der Körper Energie, wofür er wiederum Wärme produziert. „Trinke ich dann noch wenig, sind Hitzekollaps oder -schlag nur eine Frage der Zeit.“
Das gilt auch für Kleinkinder und Senioren: „Beide können ihre Körpertemperatur nicht gut regulieren, weshalb sie besonders gefährdet sind“, sagt Katharina Brugger vom Kom