Unisex, Lippen, Superpop: Was Jagger
Mit seinen bald 79 Jahren muss Mick Jagger nicht mehr cool sein. Dass er es noch immer ist, verdankt sich seiner Fähigkeit zur Selbstreflexion.
Did you walk cool in the sixties, daddy?“Das ließ Mick Jagger 1987 im Song „Primitive Cool“seine Tochter fragen. Und gleich weiterbohren: War das damals alles nur verrückte Mode? Oder echte Leidenschaft? „Oh yeah“, antwortet Jagger auf alle drei Fragen, so klar und knapp wie einst sein StonesKompagnon Keith Richards auf die Interviewfrage, was er denn von Sex, Drogen und Rock ’n’ Roll halte: „Wir haben alle drei erfunden.“Mit einem breiten Grinsen natürlich.
Gewiss, so eine Gründergeneration hat’s leicht. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum sich Jagger, Richards und Co. ihre Coolness so makellos erhalten haben. Warum ihnen nicht passiert ist, was gealterten Rock’n’Rollern so leicht passiert: der Luftgitarren-Lächerlichkeit zu verfallen. Warum sich jeder Rising Star, siehe Harry Styles, mit ihnen vergleichen muss. Mehr noch: Warum sie noch nicht einmal historisch geworden sind. Das Haus in der Londoner Edith Grove, in dem sie einst in den frühen Sixties hausten (cool natürlich!) und sich den schwarzen Blues aneigneten, trägt noch immer keine Plakette, es wird renoviert, aber für Anleger, nicht als Museum.
Für die Londoner sind ihre Stones nicht museal. So hatten auch die Konzerte, die nun im Hyde Park stattfanden, keine Aura des Abschieds. Menschen aus den Generationen Jaggers, seiner Kinder und Enkelkinder starrten gleichermaßen neidisch und/oder erotisiert auf diesen dünnen, schnellen, nervösen Mann, der ihnen mit unverschämt jungmännlicher Stimme vorsang, wie das coole Leben sein kann, soll, muss. Der seine braven Kollegen rempelte und neckte. Und sogar leutselig plauderte. Er habe sich im Hyde Park jüngst Adele angeschaut, erzählte er: „Sie ist eine fantastische Sängerin, aber ich habe mehr funkelnde Gewänder als sie.“
Wie selbstironisch ist das denn? Und wie selbstironisch ist es, wenn die Stones wieder – in einer, äh, funkelnden Version – „Out of Time“im Programm haben, diesen bösen, dabei in Spuren zärtlichen Abgesang auf alle, die der Zeitgeist überholt hat? Nein, „Mother’s Little Helper“– mit der Zeile
„What a drag it is getting old“– spielen sie nicht. Das würde das Spiel sprengen, das Jagger versteht wie kein anderer Sänger des klassischen Pop: das ernste Kokettieren mit möglichen Rollen. Wie wäre es, ein „Street Fighting Man“zu sein? Ein Glücksspieler, wie in „Tumbling Dice“? Ein Held der Tränen, wie in „Angie“? Ein rassistischer Lüstling, wie in „Brown Sugar“(das, weil zu anstößig, aus dem Programm gestrichen wurde)? Ein Triebtäter, wie in „Midnight Rambler“? Gar der Gottseibeiuns
Nein, Jagger hat keine Lust, in Würde zu altern. Das überlässt er Keith Richards.
selbst? Wenn Mick Jagger „Sympathy for the Devil“zelebriert, hat man jedes Mal das Gefühl, dass er gern die Worte des Mephisto nachlegen würde: „Bedenkt: der Teufel, der ist alt, so werdet alt, ihn zu verstehen!“
Altern? Nein, Jagger wird nicht gern alt, und er hat schon gar keine Lust, in Würde zu altern. Das überlässt er Keith Richards, der kann das. Der ruht in sich. Das will Jagger nicht. Wenn ihm je eine abgeklärte Haltung eingefallen ist (in „Time Waits for No-One“z. B.), dann hat er sie sofort selbstironisch hinterfragt. Darum glückt ihm kein Alterswerk. Er weiß zu gut: Der Teufel, der ist alt; doch der Künstler, der ist jung. Aus dem Wissen um diesen unauflösbaren Widerspruch nährt sich seine Coolness. Darum ist sie wach und unsaturiert. Und darum muss Mick Jagger „(I Can’t Get No) Satisfaction“singen, bis die Zeit einmal wirklich um ist für ihn. Überholen lässt er sich nicht von ihr.
Familienführung (noch bis 04.09.) Mo. bis Do., 11.30 bis 12.30 Uhr Kosten: 16 Euro pro erwachsene Person (inkl. Eintritt)
Anschließend Kinderprogramm, 13.30 bis 15 Uhr, ab 4 Jahren, Kosten: 4 Euro pro Kind
•Mo.: Malen im Schlossgarten
•Di.: Bogenschießen und Basteln
eines Bogens
•Mi.: Gartenspaß
•Do.: Badminton
Der Kauf ist sowohl online als auch an der Kassa vor Ort möglich!