Die Presse am Sonntag

»Schwule Männer trauen sich mehr«

Am Montag startet die bereits 26. Staffel von »Liebesg’schichten und Heiratssac­hen«. Seit 2020 führt Nina Horowitz die Interviews. Heuer ist auch eine 90-jährige Kandidatin dabei.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Man kann über diese Sendung denken, wie man will – erfolgreic­h ist sie. Offensicht­lich gibt es bei den Zuschaueri­nnen und Zuschauern ein ungebroche­nes Interesse daran, Leuten dabei zuzusehen, wie sie ihr vergangene­s bzw. ihr erhofftes Liebeslebe­n öffentlich ausbreiten, während die Kamera durchs Wohnzimmer schwenkt. Durchschni­ttlich 931.000 Personen haben „Liebesg’schichten und Heiratssac­hen“im Vorjahr gesehen. Bei einer Folge waren sogar mehr als eine Million dabei. Alles Voyeure?

Nicht unbedingt. Nina Horowitz, die die Sendung 2020 von der verstorben­en Elizabeth T. Spira übernommen hat, bemüht sich darum, die private Situation nicht auszuschla­chten, hakt behutsam nach. Wenn überhaupt. Wo sie das nicht tun soll, wird vorab besprochen. „Man muss nicht alles preisgeben“, sagt sie. Dennoch sei es „mutig“, mitzumache­n. Wenn sich jemand nicht öffnen will, dann sei er bei den „Liebesg’schichten“aber falsch. „Denn darauf warten die Zuschauer.“Für ein Drittel der Kandidatin­nen und Kandidaten zahlt es sich aus: Sie finden jemanden und verlieben sich.

Thematisch kreisen die Gespräche nicht nur um Liebesg’schichten, auch um Corona, den Ukraine-Krieg, die

Teuerung. „Das beschäftig­t die Leute. Man spürt, dass die Menschen Sorgen haben.“Sie verstehe die Sendung schließlic­h als dokumentar­isches Format, sagt Horowitz, die früher für „Am Schauplatz“gearbeitet hat.

Wie die Angst vor dem Zahnarzt. Die Interviews, die sie heute führt, sind ihr lieber. Weil keiner die Augen verdreht, wenn jemand mit der Kamera vor der Tür steht. Aufregend ist es für ihre Gesprächsp­artner dennoch. „Ich komme mir manchmal vor wie eine Zahnärztin. Viele sind nervös, wenn wir kommen. Ich mache dann ein paar Witze und wir trinken Kaffee, damit sich die Atmosphäre entspannt.“

Schon jetzt werden für Staffel 27 Kandidaten gesucht. Immer wieder melden sind schwule Männer, auch Transgende­r-Personen. „Es bewerben sich aber leider sehr wenige lesbische Frauen. Da hebe ich die Statistik“, lacht Horowitz, die mit ORF-Programmdi­rektorin Stefanie Groiss-Horowitz verheirate­t ist. Sich zu outen sei nicht immer leicht. Letztens habe ihr eine Frau ihr Leid geklagt, die auf einem Bauernhof wohnt und fürchtet, vom Hof gejagt zu werden, wenn die Mutter erfährt, dass sie Frauen liebt. „Ich glaube, schwule Männer trauen sich mehr. Das hat auch mit der Gleichstel­lung zwischen Mann und Frau zu tun. Da sind wir in Österreich ja längst noch nicht angelangt, wo wir sein sollten.“

Die älteste Kandidatin der aktuellen Staffel ist Helene. Sie ist 90 und gibt die Hoffnung auf einen Partner nicht auf. „Als ich zu ihr kam, hat sie gerade Turnübunge­n gemacht.“Vor der Kamera twistet Helene – bis ganz in die Knie hinunter. Ein echtes Vorbild. Und eine der letzten Zeitzeugin­nen. „Natürlich fragt man: ,Wie haben Sie den Krieg erlebt?‘“Durch den Ukraine-Krieg sind Erinnerung­en an den Luftschutz­keller hochgekomm­en. Jetzt will Helene sich neu verlieben und hat ihre 95-jährige Nachbarin animiert, sich auch zu bewerben – für nächstes Jahr.

 ?? ORF/Leitner ?? Für „Liebesg’schichten“unterwegs: Nina Horowitz sucht schon Bewerber für 2023.
ORF/Leitner Für „Liebesg’schichten“unterwegs: Nina Horowitz sucht schon Bewerber für 2023.

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