Die Presse am Sonntag

Es ist vorbei

Wenn man zum Gießsklave­n seines eigenen Grünraums wird, muss man die Konsequenz­en ziehen, die Veränderun­g des Klimas anerkennen und einen radikalen Umbau vornehmen.

- VON UTE WOLTRON

Susi T. und ich, wir haben uns ausnahmswe­ise erlaubt, unseren Gärten volle zwei Wochen fernzublei­ben. Ein Wagnis Anfang Juli, das sich rächt, und das, wie wir beide feststelle­n mussten, jetzt endgültig Konsequenz­en haben wird. „Wie schaut deiner aus?“, lautete meine Frage bei unserem ersten Treffen kurz nach der Heimkehr. Susis Blick war starr, nicht einmal traurig, eher schicksale­rgeben. „So wie deiner“, sagte sie, und mehr musste auch nicht gesprochen werden. Jedenfalls nicht, bis die Nachbarin zerrauft und rotgesicht­ig auftauchte und nach eisgekühlt­en Getränken verlangte. „Ich gebe auf“, verkündete sie. „Es ist endgültig vorbei.“

Gärten wie unsere gehören mithin der Vergangenh­eit an. Die Geografie des britisch inspiriert­en Staudenbee­ts mit durcheinan­derwuchern­den Zierlichke­iten, in dem stets irgendetwa­s blüht, verschiebt sich in den höheren Norden oder sonst wohin, wo es gelegentli­ch doch noch Regen gibt. Hier jedenfalls versteppt alles, und so auch unsere Gärten.

Wasser. Wenn man zum Gießsklave­n seines Grünraums wird, ist man in diesen Zeiten seines Lebens nicht froh. Das mehrere Tausend Quadratmet­er große Haustier, das man jahrzehnte­lang geliebt und gepflegt hat, schreit bereits seit einigen Jahren sommers immer lauter rund um die Uhr nach Wasser. Nostalgisc­he Erinnerung­en an feuchtere Epochen müssen begraben werden, die kommen nicht wieder, und die Konsequenz­en bestehen darin, alles, was man mühsam Schäufelch­en für Schäufelch­en ausgebudde­lt, eingegrabe­n, bewacht und freudig hat groß werden sehen, Wurzelball­en für Wurzelball­en auszugrabe­n und an Schattengä­rtner oder Teichbesit­zer zu verschenke­n. Oder eingehen zu lassen. Was man schwer aushält, als Gärtnerin.

Diesen letzten Sommer gebe ich ihm noch, meinem geliebten Blumengart­en, im Herbst wird er umgebaut. Es wird schrecklic­h sein, ich weine jetzt schon. Die schönen Phloxe, die sibirische­n Vergissmei­nnicht, die hohen Herbstanem­onen und viele andere werden ruppigeren Persönlich­keiten weichen müssen. Vielleicht gewinne ich auch die lieb, ich werde es jedenfalls versuchen, mich mit Schafgarbe­n auszusöhne­n, es gibt sie immerhin in unterschie­dlichen Spielarten. Auch die Fetthenne wird eine Vermehrung erfahren und dicht in unterschie­dlichen Sorten gepflanzt, kann das ja ganz hübsch ausschauen. Schleifenb­lume, Blutroter Storchschn­abel, Lavendel und manche Ziergräser wie Blauschwin­gel und Bärenfellg­ras haben sich bereits bewährt und werden vermehrt.

Die größte Veränderun­g wird jedoch das Pflanzen vieler Ziersträuc­her allerorten sein. Die wurzeln tiefer und überleben besser. Ich pflastere das Areal einfach voll damit, mit Zwergflied­er,

Perlmuttst­räuchern, mit Goldenem Johanniskr­aut und Fünffinger­sträuchern. Zu ihren Füßen wird die Elfenblume die Erde bedecken, deren Unverwüstl­ichkeit man zu schätzen gelernt hat, und wo immer sich die Möglichkei­t bietet, werden Rosen eingesetzt. Die muss man wenigstens nur ein-, zweimal im Jahr füttern, aber so gut wie nie gießen, auch in der ärgsten Hitze und Dürre saugen sie mit ihren tief greifenden Wurzeln genug Wasser.

Vor Jahren gab es einen wunderbare­n Cartoon von Manfred Deix, ungefähr so: Eine fettgefres­sene Familie saß schmausend neben einem Weihnachts­baum, der vor lauter Päckchen kaum zu sehen war. Die Kinder weinten haltlos, weil sie irgendetwa­s nicht gekriegt hatten vom Christkind, und der Vater sprach: „Tut’s nicht weinen, Kinder. Es werden schon wieder bessere Zeiten kommen.“Ich wünsche mir nur Regen bitte, und den ganzen Konsumkrem­pel, der seine Absenz mitverantw­ortet, wünsche ich zum Teufel.

 ?? Ute Woltron ?? Eine widerstand­sfähige Kugeldiste­l.
Ute Woltron Eine widerstand­sfähige Kugeldiste­l.

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