»Die Wertschätzung muss erhöht werden«
Im Kampf um die besten Talente geht es nicht nur ums Geld, sondern um Zugehörigkeitsgefühl und Werte, sagt Rudolf Krickl, Chef von PwC-Österreich.
Wie soll das gelingen? Ums Geld allein geht es ja nicht.
Es geht darum, dass Mitarbeiter eine inhaltlich anregende Arbeit machen, die einen Wert hat. Die Tätigkeit muss als wichtig wahrgenommen werden. Die Wertschätzung muss deutlich erhöht werden. Mitarbeiter müssen sich nicht nur beruflich, sondern auch als Menschen entwickeln können. Früher ging es in erster Linie um fachliche Weiterbildung. Das ist natürlich wichtig, aber es geht auch um Persönlichkeitsentwicklung. Da geht es darum, wie sie sich in der Firma verankern können.
Das können aber nicht nur Yoga-Kurse sein?
Das können Management-Trainings sein, da geht es derzeit vor allem auch um Krisenbewältigung. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass wir aus einer Pandemie kommen. Home-Office war für viele auch eine sehr schwierige Situation. Weil Kinder, weil Doppelbelastung, weil Home-Schooling. Es geht auch darum, mit einer persönlichen Überforderung richtig umzugehen. Hier die Mitarbeiter zu begleiten und ihnen die nötigen Fertigkeiten beizubringen, ist ein wesentlicher Punkt.
Die Unternehmen müssen Mitarbeiter aus dieser Pandemie wieder herausholen?
Absolut. Es geht darum, diese krisenhafte Situation zu überwinden. Und natürlich stehen wir jetzt, da wir hoffentlich nicht mehr von einer Pandemie sprechen, sondern von Coronawellen, vor ganz anderen Verhältnissen. Stichwort Remote-Jobs oder Home-Office. Dieses flexible Arbeiten von zu Hause aus, aus dem Ausland, vom Ferienwohnsitz muss integriert werden. Hier entsteht eine völlig neue Arbeitswelt. So etwas gab es noch nicht, und dafür sind jetzt Lösungen gefragt. Da sind auch wir als PwC gefordert.
Inwiefern?
Es geht vielen nicht mehr darum, viel Geld zu verdienen und schnell Karriere zu machen. Es geht ums Wohlfühlen, wichtige Aufgaben zu lösen, aber auch um ein Zugehörigkeitsgefühl.
Mit anderen Worten: viel Geld verdienen, aber keine Karriere machen.
Nein, da haben Sie mich missverstanden. Aber natürlich hat Geld nicht mehr den Stellenwert, den es früher hatte. Viele junge Menschen können – oder wollen – es sich monetär leisten, weniger zu verdienen. Sie wollen sich möglicherweise nichts aufbauen, keine Wohnung finanzieren oder ein Auto kaufen. Wobei ohnehin viele heute kein Auto mehr wollen.
Diese Veränderungen hätte es auch ohne Pandemie gegeben.
Die Veränderung hätte ohne Pandemie vermutlich ein Jahrzehnt gedauert und nicht zwei Jahre. So sind wir aber mit voller Dynamik in dieser neuen Arbeitswelt angekommen. Anfangs ist die Coronapandemie ja als vollumfängliche Krise empfunden worden. Viele dachten: „Die Welt geht unter, ich verliere meinen Job und meine Existenz.“Tatsächlich war es eine Verlangsamung der Wirtschaft, und es gab viele staatliche Hilfen. Da das Reisen nicht möglich war und man sich zurückzog, entstand eine Form das neuen Biedermeiers. Und Werte haben sich verschoben.
Und nach dem Biedermeier kommen ja bekanntlich Revolution und Krieg.
Das ist leider wahr, und es ist natürlich eine Tragödie, dass es wieder Krieg in Europa gibt.
Und dieser militärisch begrenzte Krieg hat globale wirtschaftliche Konsequenzen.
Lieferketten und Versorgungslinien werden absichtlich durchbrochen, Infrastruktur wird absichtlich zerstört. Und natürlich bedeutet der Krieg in erster Linie unermessliches humanitäres Leid. Dieser Krieg schürt auch irrationale Ängste. Plötzlich werden Fluchtwährungen wie der Schweizer Franken oder der Dollar ein Thema, viele kaufen Gold. Investments funktionieren plötzlich anders. Und der Krieg heizt die Inflation an. Die „Zero Covid“-Politik Chinas trägt das Ihre dazu bei. Viele Containerschiffe werden nicht gelöscht. Diese Kombination führt dann in eine echte Krise.
In eine Weltwirtschaftskrise?
Nach der Pandemie dachte man ja, dass jetzt der große Aufschwung folgt. Die Wirtschaft erholte sich, Geld war im Markt, die Sicherheit nahm zu. Es gab einen Nachholbedarf an Investitionen. Doch der Krieg verschiebt alles. Wenn dann auch noch die Inflation so hoch ist, erhöhen die Notenbanken die Zinsen, und Unternehmen und Investoren werden noch zurückhaltender.
Wo merkt man das in Österreich?
Man braucht nur auf die Immobilienwirtschaft zu schauen. Wien wurde ja bekanntlich wieder einmal als lebenswerteste Stadt der Welt ausgezeichnet. Viele Investoren drängen nach Österreich, aber nun sehen wir hier eine deutliche Verlangsamung.
Wie reagieren heimische Unternehmen auf diese Unsicherheit?
Im Moment warten Unternehmer und Investoren zu und beobachten, wie sich Inflation und Konjunktur entwickeln. Wie die jüngste Prognose der Notenbank zeigt, dürfte die Inflation, die aktuell bei über acht Prozent liegt, heuer nicht so rasch sinken. Dennoch sollte man gerade jetzt investieren, vor allem in junge Talente.