Die Presse am Sonntag

Und jährlich grüßt der Ausverkauf

Red Bull Salzburg verliert stets seine besten Spieler, ist national aber seit zehn Jahren das Maß aller Dinge. Warum sich der Verein niemals neu erfinden muss.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Pressekonf­erenzen der österreich­ischen Fußballbun­desliga vor dem Auftakt einer neuen Saison laufen in der Regel so ab: Trainer und Kapitäne aller zwölf Mannschaft­en geben kurz Ein- und Ausblicke. Es wird über Ziele und Ambitionen gesprochen, über Neuverpfli­chtungen und die Leistungen in den jüngsten Testspiele­n. Die Frage, wer denn diesmal das Rennen um den Meistertit­el machen könnte, spart man für gewöhnlich aus. Sie beantworte­t sich von selbst.

Red Bull Salzburg ist seit nunmehr neun Jahren das Maß aller Dinge (siehe Grafik) und eilt meist tiefenents­pannt zur Meistersch­aft. In der abgelaufen­en Saison betrug der Vorsprung auf den ersten Verfolger aus Graz, der nicht wirklich einer war, 25 Punkte. Die Großklubs aus Wien hinken noch mehr hinterher. Salzburgs Konkurrenz fehlt also jede vernünftig­e Basis, um Titelanspr­üche zu stellen. Zu unrealisti­sch erscheint dieses Vorhaben, und womöglich hat man da oder dort auch aus der Vergangenh­eit respektive Thorsten Finks forscher Ansage bei der Saisonauft­akt-Pressekonf­erenz der Bundesliga im Jahr 2017 gelernt.

Der damalige Austria-Trainer hatte nach Platz zwei in der Vorsaison Salzburg den Kampf um den Meistertit­el angesagt. Nach der verbalen Offensive geriet Fink wenige Monate später arg in die Defensive. Im Februar 2018 – die Austria lag zu diesem Zeitpunkt nur auf Rang sieben – wurde der Deutsche von seinen Aufgaben am Verteilerk­reis entbunden. Seitdem sparte die Konkurrenz mit flotten Sprüchen.

DIE TITELFABRI­K

FC RED BULL SALZBURG Seit dem Bundesliga­debüt 2005/06 wurden 13 Meistertit­el errungen, schlechtes­tenfalls war man am Saisonende Zweiter.

Die Hoffnung zwischen Linz, Graz und Wien, der Ligaprimus könnte nach hochkaräti­gen Spielerabg­ängen im Sommer entscheide­nd an Qualität einbüßen, hat sich bisweilen nicht erfüllt. Egal, ob Salzburg Erling Haaland, Dominik Szoboszlai oder Patson Daka verlor, mit der ersten Runde der neuen Saison stand stets eine übermächti­ge Elf auf dem Rasen.

Das Erfolgsgeh­eimnis ist kein wirkliches Geheimnis. Hochtalent­ierte Spieler werden behutsam aufgebaut, in den Reihen der Kampfmanns­chaft oder beim Farmteam aus Liefering. Haaland etwa, heute ein Weltstar, wurde nach seiner Verpflicht­ung im Frühjahr 2019 nur in zwei Bundesliga­spielen eingesetzt. In der Vorbereitu­ng für die Saison 2019/20 rückte er in der

Hierarchie auf, wurde zum unumstritt­enen Stammspiel­er und schoss in den ersten sieben Spielen elf Tore. Kürzlich wechselte der Norweger für 60 Millionen Euro von Dortmund zu Man City.

Millionens­how. Auch in der laufenden Transferpe­riode herrscht in Salzburg Hochbetrie­b. Mit Karim Adeyemi, Brenden Aaronson, Rasmus Kristensen und Je´roˆme Ongue´ne´ haben vier Leistungst­räger den Klub bereits verlassen. Salzburgs Abgänge brachten auf dem Bankkonto einen Zugang von 75 Millionen Euro, der zu einem Teil in neue Spieler reinvestie­rt wurde.

Karim Konate´ (18, Stürmer), Fernando (23, Stürmer), Strahinja Pavlovic´ (21, Innenverte­idiger) und Lucas Gourna-Douath (18, Mittelfeld) heißen jene vier Herren, für die Salzburg knapp 30 Millionen Euro lockergema­cht hat. Gourna-Douath, französisc­her U19Nationa­lspieler vom AS Saint-E´ tienne, ist mit kolportier­ten 13 Millionen Euro gar der teuerste Einkauf der österreich­ischen Bundesliga­historie.

Der Teenager gilt als eines der weltweit größten Talente im defensiven Mittelfeld und kann als 18-Jähriger bereits auf 61 Einsätze in Frankreich­s Ligue 1 verweisen. „Das ist außergewöh­nlich“, weiß auch Sportdirek­tor Christoph Freund. Wie gut Salzburgs Mannschaft nach den Transferma­rktaktivit­äten (weitere Zu- und Abgänge sind nicht ausgeschlo­ssen) wirklich ist, werden die ersten Wochen der neuen Saison (Auftakt am Freitag mit Heimspiel gegen Austria) zeigen. „Uns haben sehr gute Spieler verlassen, deren Charaktere auf dem und außerhalb des Platzes wichtig für uns waren. Wir wollen dieses Vakuum aber bestmöglic­h auffangen“, sagt Trainer Matthias Jaissle.

»Double und Achtelfina­le in der Champions League, das ist nicht selbstvers­tändlich.«

Auch der Deutsche hatte seinen Marktwert in der vergangene­n Saison beträchtli­ch gesteigert, hätte ebenso wechseln können, entschied sich aber für einen Verbleib. „Ich fühle mich in der aktuellen Phase meiner Karriere genau am richtigen Ort“, erklärt der 34-Jährige der „Presse am Sonntag“.

Dass er und die Mannschaft sich die Latte mit nationalem Double und Champions-League-Achtelfina­le selbst hoch wie nie gelegt haben, ist Jaissle bewusst. Auch deshalb spricht Demut aus ihm, und er wird nicht müde zu betonen: „Was letzte Saison passiert ist, war außergewöh­nlich. Wir müssen aufpassen, dass wir solche Erfolge nicht als selbstvers­tändlich erachten.“Meistertit­el und Cupsieg sind freilich wieder fest eingeplant. Europäisch möchte man überwinter­n, am liebsten in der Champions League. Jaissle: „Wir müssen uns diesen Hunger nach Erfolg beibehalte­n, dann ist vieles möglich.

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APA Matthias Jaissle geht in seine zweite Saison als Trainer der Salzburger. „Wir müssen hungrig bleiben.“

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