Und jährlich grüßt der Ausverkauf
Red Bull Salzburg verliert stets seine besten Spieler, ist national aber seit zehn Jahren das Maß aller Dinge. Warum sich der Verein niemals neu erfinden muss.
Pressekonferenzen der österreichischen Fußballbundesliga vor dem Auftakt einer neuen Saison laufen in der Regel so ab: Trainer und Kapitäne aller zwölf Mannschaften geben kurz Ein- und Ausblicke. Es wird über Ziele und Ambitionen gesprochen, über Neuverpflichtungen und die Leistungen in den jüngsten Testspielen. Die Frage, wer denn diesmal das Rennen um den Meistertitel machen könnte, spart man für gewöhnlich aus. Sie beantwortet sich von selbst.
Red Bull Salzburg ist seit nunmehr neun Jahren das Maß aller Dinge (siehe Grafik) und eilt meist tiefenentspannt zur Meisterschaft. In der abgelaufenen Saison betrug der Vorsprung auf den ersten Verfolger aus Graz, der nicht wirklich einer war, 25 Punkte. Die Großklubs aus Wien hinken noch mehr hinterher. Salzburgs Konkurrenz fehlt also jede vernünftige Basis, um Titelansprüche zu stellen. Zu unrealistisch erscheint dieses Vorhaben, und womöglich hat man da oder dort auch aus der Vergangenheit respektive Thorsten Finks forscher Ansage bei der Saisonauftakt-Pressekonferenz der Bundesliga im Jahr 2017 gelernt.
Der damalige Austria-Trainer hatte nach Platz zwei in der Vorsaison Salzburg den Kampf um den Meistertitel angesagt. Nach der verbalen Offensive geriet Fink wenige Monate später arg in die Defensive. Im Februar 2018 – die Austria lag zu diesem Zeitpunkt nur auf Rang sieben – wurde der Deutsche von seinen Aufgaben am Verteilerkreis entbunden. Seitdem sparte die Konkurrenz mit flotten Sprüchen.
DIE TITELFABRIK
FC RED BULL SALZBURG Seit dem Bundesligadebüt 2005/06 wurden 13 Meistertitel errungen, schlechtestenfalls war man am Saisonende Zweiter.
Die Hoffnung zwischen Linz, Graz und Wien, der Ligaprimus könnte nach hochkarätigen Spielerabgängen im Sommer entscheidend an Qualität einbüßen, hat sich bisweilen nicht erfüllt. Egal, ob Salzburg Erling Haaland, Dominik Szoboszlai oder Patson Daka verlor, mit der ersten Runde der neuen Saison stand stets eine übermächtige Elf auf dem Rasen.
Das Erfolgsgeheimnis ist kein wirkliches Geheimnis. Hochtalentierte Spieler werden behutsam aufgebaut, in den Reihen der Kampfmannschaft oder beim Farmteam aus Liefering. Haaland etwa, heute ein Weltstar, wurde nach seiner Verpflichtung im Frühjahr 2019 nur in zwei Bundesligaspielen eingesetzt. In der Vorbereitung für die Saison 2019/20 rückte er in der
Hierarchie auf, wurde zum unumstrittenen Stammspieler und schoss in den ersten sieben Spielen elf Tore. Kürzlich wechselte der Norweger für 60 Millionen Euro von Dortmund zu Man City.
Millionenshow. Auch in der laufenden Transferperiode herrscht in Salzburg Hochbetrieb. Mit Karim Adeyemi, Brenden Aaronson, Rasmus Kristensen und Je´roˆme Ongue´ne´ haben vier Leistungsträger den Klub bereits verlassen. Salzburgs Abgänge brachten auf dem Bankkonto einen Zugang von 75 Millionen Euro, der zu einem Teil in neue Spieler reinvestiert wurde.
Karim Konate´ (18, Stürmer), Fernando (23, Stürmer), Strahinja Pavlovic´ (21, Innenverteidiger) und Lucas Gourna-Douath (18, Mittelfeld) heißen jene vier Herren, für die Salzburg knapp 30 Millionen Euro lockergemacht hat. Gourna-Douath, französischer U19Nationalspieler vom AS Saint-E´ tienne, ist mit kolportierten 13 Millionen Euro gar der teuerste Einkauf der österreichischen Bundesligahistorie.
Der Teenager gilt als eines der weltweit größten Talente im defensiven Mittelfeld und kann als 18-Jähriger bereits auf 61 Einsätze in Frankreichs Ligue 1 verweisen. „Das ist außergewöhnlich“, weiß auch Sportdirektor Christoph Freund. Wie gut Salzburgs Mannschaft nach den Transfermarktaktivitäten (weitere Zu- und Abgänge sind nicht ausgeschlossen) wirklich ist, werden die ersten Wochen der neuen Saison (Auftakt am Freitag mit Heimspiel gegen Austria) zeigen. „Uns haben sehr gute Spieler verlassen, deren Charaktere auf dem und außerhalb des Platzes wichtig für uns waren. Wir wollen dieses Vakuum aber bestmöglich auffangen“, sagt Trainer Matthias Jaissle.
»Double und Achtelfinale in der Champions League, das ist nicht selbstverständlich.«
Auch der Deutsche hatte seinen Marktwert in der vergangenen Saison beträchtlich gesteigert, hätte ebenso wechseln können, entschied sich aber für einen Verbleib. „Ich fühle mich in der aktuellen Phase meiner Karriere genau am richtigen Ort“, erklärt der 34-Jährige der „Presse am Sonntag“.
Dass er und die Mannschaft sich die Latte mit nationalem Double und Champions-League-Achtelfinale selbst hoch wie nie gelegt haben, ist Jaissle bewusst. Auch deshalb spricht Demut aus ihm, und er wird nicht müde zu betonen: „Was letzte Saison passiert ist, war außergewöhnlich. Wir müssen aufpassen, dass wir solche Erfolge nicht als selbstverständlich erachten.“Meistertitel und Cupsieg sind freilich wieder fest eingeplant. Europäisch möchte man überwintern, am liebsten in der Champions League. Jaissle: „Wir müssen uns diesen Hunger nach Erfolg beibehalten, dann ist vieles möglich.