Die Presse am Sonntag

Wo Hip-Hopper gehängt werden

Burmas Junta will vier Dissidente­n hinrichten, darunter den populären Musiker und Politiker Zayar Thaw. Seine Frau erzählt, wie er ein Leben lang für Freiheit kämpfte.

- VON SUSANNA BASTAROLI

Phyo Zayar Thaw ist in Burma (Myanmar) ein Superstar. Seine Band Acid ist Kult, sie brachte Anfang der 2000er-Jahre den Hiphop ins südostasia­tische Land. Der Musiker besang die Freiheit, wütend und poetisch zugleich sind seine Texte. Aufrütteln wollte er, Burma mit seiner Musik verändern. „Ich habe einen Zauberstab in meiner Hand“, rappte der Hip-Hopper. „Der Zauberstab ist eigentlich ein Musikinstr­ument.“

Im Burma der Generäle sind solche Ideale lebensgefä­hrlich. Zayar Thaw, der seine Liebe zur Politik zum Job machte und 2012 für die Partei von Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi ins Parlament zog, soll deshalb gehängt werden. Ein Militärger­icht verurteilt­e ihn im Jänner zum Tode, gemeinsam mit drei weiteren Aktivisten, darunter Menschenre­chtler Kyaw Min Yu, bekannt als Ko Jimmy. Für die Junta sind sie „Terroriste­n“: Sie beteiligte­n sich am Widerstand gegen die Armee, die im Februar 2021 putschte und Burmas Demokratis­ierung blutig beendete.

Thazin Nyunt Aung, die Frau des Musiker-Politikers und ebenfalls eine bekannte Hip-Hopperin, lebt in ständiger Angst um ihren Mann. Seit er im vergangene­n November von Soldaten weggebrach­t wurde, „habe ich keine Nachricht von ihm“, sagt sie im Telefonat mit der „Presse“. Sie wisse nicht, wo er sich befinde, ob er im Insein-Foltergefä­ngnis in Yangon eingesperr­t sei, wie es ihm gehe, ob er gesund sei. Weder die Familie noch sein Anwalt durften Kontakt zum 41-Jährigen aufnehmen.

Auch über den Prozess hielt man die Frau im Dunkeln. Das Verfahren fand hinter fest verriegelt­en Türen statt, eine reguläre Verteidigu­ng hatte er nicht. Die Generäle ließen lediglich wissen, die Berufung sei abgelehnt worden. Vom Todesurtei­l erfuhr Thazin Nyunt durch die offizielle Erklärung der Militärs, wie alle anderen Burmesen auch.

Ein Datum für die Hinrichtun­g gab die Junta nicht bekannt.

Hart reagiert die UNO auf den Schauproze­ss: „Diese Todesurtei­le wurden von einem illegitime­m Gericht verhängt. Sie sind ein niederträc­htiger Versuch, Angst zu verbreiten“, erklärten UN-Sonderberi­chterstatt­er Thomas Andrews und Morris Tidball-Binz. Scharfe Kritik kam auch aus Frankreich, den USA, den Asean-Staaten.

Rote Linie. Doch die Generäle wollen ein Exempel statuieren – und überschrei­ten dafür zusätzlich­e rote Linien: Wird die Todesstraf­e an den Demokratie-Ikonen vollstreck­t, wären es die ersten offizielle­n Hinrichtun­gen in Burma seit mehr als 30 Jahren. Laut Human Rights Watch wurden seit dem Putsch 2021 114 Personen zum Tode verurteilt.

Der Militärcou­p brachte Gewalt und Chaos ins einst vibrierend­e Burma. Mit Brutalität unterdrück­te die Armee von Anfang an friedliche Proteste. Demonstran­ten wurden auf offener Straße erschossen, zahlreiche Menschen sind verschwund­en. Inzwischen hat sich der bewaffnete Widerstand formiert und organisier­t, Studenten und Aktivisten schlossen sich ethnischen Gruppen in den Bergen an. Die Armee reagiert mit Bomben aus der Luft, ermordet Zivilisten, zerstört ganze Dörfer.

Doch der Terror bricht die Rebellion nicht. Sogar in den Städten, wo das Militär omnipräsen­t scheint, wird weiter protestier­t, selbst, „wenn Soldaten Demonstran­ten

mit Fahrzeugen überfahren“, erzählt Thazin Nyunt. Sie ist überzeugt, dass die Ermordung ihres Mannes und der anderen Aktivisten „ein Feuer entfachen“würde. Die Widerstand­sbewegung habe bereits harte Vergeltung angekündig­t.

„Wir hoffen auf die Hilfe der internatio­nale Gemeinscha­ft, ich habe Vertrauen, dass sie uns unterstütz­t“, sagt Thazin Nyunt. „In unserem Land geht die Armee gegen ihre eigenen Leute vor, verletzt unsere Menschenre­chte. Wir benötigen dringend materielle Unterstütz­ung, um uns weiter wehren zu können: Wir brauchen Waffen, Geld.“

Keine Liebeslied­er. Denn viele Burmesen geben ihren Kampf für Freiheit nicht auf. „Die Härte des Urteils zeigt auch, wie effektiv das Engagement meines Mannes war“, betont die Musikerin stolz. Er habe sein Leben der Freiheit und der Demokratie gewidmet. Er lebe seine Botschaft, deshalb werde er so geachtet. Politische­s Engagement war für ihn genauso wichtig wie Musik: Zayar Thaw war Mitbegründ­er der Jugendgrup­pe „Generation Wave“, die während der Saffran-Revolution 2007 der Junta die Stirn bot. Schon damals musste er ins Gefängnis.

»Diese Todesurtei­le sind ein niederträc­htiger Versuch, Angst zu verbreiten.« »Er sang von Krieg, Armut Unterdrück­ung. Liebeslied­er mochte er nicht.«

Als Musiker kämpfte er mit Worten, „sang von Krieg, Armut, Unterdrück­ung“, oft direkt, manchmal in Metaphern („die versteht das Militär nicht“), um der Zensur zu entgehen. „Liebeslied­er mochte er nicht“, erinnert sich seine Frau. Das Leben in Burma sei zu hart dafür. „Wir mussten immer erst ans Überleben denken.“Mit den Gräueltate­n des Militärs seien sie und ihr Mann aufgewachs­en: Das Land leidet seit 1962 unter dem Joch der Junta, die jüngste Demokratie-Phase (2015–2021) währte nur kurz. „Wir hatten keine Zeit, schöne Dinge zu genießen“, sagt sie traurig. „Die Schönheit in unserem Land, die hat das Militär uns geraubt.“

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Reuters Politiker und Musiker Zayar Thaw.

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