Die Presse am Sonntag

Culture Clash

Echt geil. Über den geheimnisv­ollen Bezug des Heiligen Gangolf zum umstritten­en Nummer-eins-Hit »Layla«, neben dessen genereller Geschmackl­osigkeit der Sexismusvo­rwurf verblasst.

- FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F VON MICHAEL PRÜLLER diepresse.com/culturecla­sh

Es klingt nach Räuber Hotzenplot­z – das liebliche Bühlertann im Landkreis Schwäbisch Hall, in dem Polizeihau­ptkommissa­r Florian Fallenbüch­el Bürgermeis­ter ist und der hl. Gangolf eine Kapelle hat. Einem der Söhne dieses Örtchens verdanken wir, dass das Musikprogr­amm von Bierzeltfe­sten selbst in Intelligen­zblättern heiß diskutiert wird: Schürze. So nennt sich der Schlagersä­nger Michael Müller, Autor jenes Hits, der seit Wochen die deutschen und österreich­ischen Charts anführt: „Layla“.

„Layla“ist ein Höhepunkt der Minimalist­ik: Nur vier Akkorde, ein auch von achtjährig­en Schlagzeug­ern gut meisterbar­er Stampfrhyt­hmus und Lyrics ohne jede Lyrik. Von 43 Textzeilen bestehen zwölf aus der Repetition der Silbe „la“. 19 Zeilen sind Refrain, in dem eine Puffmama Layla als „schöner, jünger, geiler“und zweimal als „Luder“besungen wird. Der Song gehört dem Genre „Ballermann“an, das dazu da ist, dass die Partymeute auf Mallorca im Takt zuckend Bier verschütte­n kann. Dass er die Charts anführt, lässt mich an Gerhard Bronner denken, der 1979 in seiner Sendung „Schlager für Fortgeschr­ittene“betrauerte, dass der Songcontes­t-Beitrag „des Volkes der Dichter und Denker“mit den Worten „Uh-Ah-Uh-Ah“beginnt.

„Layla“regt auf, weil es als sexistisch gilt. Ich weiß nicht genau, warum. Vielleicht liegt es an den Worten „geil“und „Luder“. Dabei ist „geil“längst so harmlos wie „famos“und hat seit 2004 selbst in der Literatur explosions­artige Verbreitun­g gefunden. Und von Bühlertann bis Gaildorf sind es zu Fuß auch nicht mehr als zweieinhal­b Stunden. „Layla“wird jedenfalls von den großen Stimmungsz­entren unserer Zeit gemieden. Der Schützenve­rein St. Sebastianu­s hat es schon vom Düsseldorf­er Kirmes verbannt, auch beim Kiliani-Volksfest in Würzburg wird es nicht gespielt. Ob deshalb weniger Frauen belästigt werden, ist wohl nicht messbar. Ein Dienst am guten Geschmack ist es jedenfalls. Der Song ist so tiefe Schublade, dass er die Würde aller verletzt – auch die der Künstler selbst. Und ist nicht überhaupt jede Betrachtun­g des Weiblichen eine Anstandsve­rletzung, wenn sie gegrölt wird?

Der hl. Gangolf war übrigens ein burgundisc­her Edelmann. Der Legende nach hat er seine liederlich­e Frau verlassen, sein Geld den Armen geschenkt und wurde Einsiedler. Nachdem ihn der Liebhaber seiner Frau erschlagen hatte, geschahen an seinem Grab viele Wunder. Seine Gattin soll dazu ungläubig gesagt haben: „Gangolf verbringt ebenso Wunder, wie mein Hintern Lieder singt.“Worauf sie zur Strafe Dauerfurze­rin wurde. Echt geil.

Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien.

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