Die Presse am Sonntag

STECKBRIEF

-

1960

wurde Bettina Hering in Zürich geboren. Sie studierte Germanisti­k, Philosophi­e und anthropolo­gische Psychologi­e.

Als Regieassis­tentin am Deutschen Schauspiel­haus in Hamburg und an den Städtische­n Bühnen in Frankfurt am Main arbeitete sie mit Regisseure­n wie Peter Palitzsch, Einar Schleef und HansJürgen Syberberg.

Seit 1991

ist sie in Wien ansässig. Sie war als Regisseuri­n und Dramaturgi­n tätig, u.a. für das Festival Literatur im Nebel.

Von 2012 bis 2016

war Bettina Hering die Künstleris­che Leiterin des Landesthea­ters Niederöste­rreich.

Seit der Saison 2017

leitet sie das Schauspiel bei den Salzburger Festspiele­n. Ihr Vertrag endet 2023.

Bettina Hering hat drei Töchter. Element ist etwas, was mich zu einem ordentlich­en Teil ausmacht.

Seit September 2016 können Sie dieses schöpferis­che Element als Schauspiel­direktorin der Salzburger Festspiele ausleben. Wussten Sie, was mit der neuen Aufgabe auf Sie zukommt?

Ich wusste nicht alles, aber schon einiges. So ein Wechsel passiert ja nicht von einer Stunde auf die andere. Bevor ich nach Salzburg ging, hatte ich viele Eindrücke als Zuschaueri­n gesammelt, mich eingehend mit den Festspiele­n und ihrer bedeutsame­n Geschichte befasst. Natürlich, als erste Frau in dieser Position stand ich zusätzlich in einem anderen Scheinwerf­erlicht als meine Vorgänger, es gab Wind und Gegenwind. Aber das hat mich nicht überrascht, das gehört dazu, wenn man so eine Position übernimmt. Die gilt es erst einmal auszufülle­n, und zwar mit Respekt und klaren Vorstellun­gen, was man wie gestalten kann und will.

Mit welchem Selbstvers­tändnis haben Sie Ihre Aufgabe 2016 übernommen? Und hat es sich in der Zwischenze­it gewandelt?

Es hat sich gewandelt, weil ich die Institutio­n heute noch viel besser kenne. Gerade die vergangene­n beiden Jahre waren aufgrund der Pandemie sehr bewegt und sehr speziell für uns alle. Aber inhaltlich bin ich meinen Vorstellun­gen treu geblieben. Das heißt: inhaltlich sehr unterschie­dliche, starke Regiehands­chriften und Theaterfor­men nach Salzburg zu bringen und – ganz im Sinne von Max Reinhardt – großartige Schauspiel­er und Schauspiel­erinnen zusammenzu­führen. Und natürlich ist der „Jedermann“im Schauspiel das Herzstück der Festspiele. Es ist das Gründungss­tück und mit seiner nunmehr einhundert­einjährige­n Geschichte sein ganz großer Pfeiler. Mir war von Anfang an klar: „Das muss ich anpacken.“Der „Jedermann“muss zeitgemäß inszeniert werden, und dazu braucht es eine großartige Besetzung. Ich glaube, das ist mir gelungen.

Sie sind wissbegier­ig. Haben Sie das Gefühl, noch viel zu lernen?

Ja, auf jeden Fall. Ich lerne von allem, was mich umgibt. Es gibt jeden Tag komplexe Situatione­n, heitere Begebenhei­ten, tragische Momente. In meinem Bereich befinde ich mich laufend in einem kreativen Krisenmodu­s, mich treibt alles Mögliche um.

Kann man Sie aufgebrach­t erleben?

Im Arbeitszus­ammenhang würde ich sagen: Nein. Mir hilft die Erfahrung, dass man den Ball in entscheide­nden Situatione­n flach halten muss. Das heißt aber nicht, dass mich Dinge nicht auch aufregen und verzweifel­n lassen können. Ich weiß nur, im Inneren des Tornados muss es ruhig sein, sonst übersteht man ihn nicht.

Erfahrung hilft. Routine auch?

Routine habe ich bis heute nicht entwickelt. Bei allem, was ich tue, bin immer sehr involviert, bei Besetzunge­n, bei Gesprächen mit Schauspiel­ern und Schauspiel­erinnen. Ich glaube, sie spüren das auch ganz genau.

Besetzen Sie oder die Regisseure der jeweiligen Stücke?

Das kommt sehr darauf an. Bei Eigenprodu­ktionen sind wir ganz frei, und die Besetzung geschieht in reger Absprache zwischen Regie, Dramaturgi­e und mir. Bei Koprodukti­onen mit Theatern wirkt im Unterschie­d dazu ein Großteil der Ensemblemi­tglieder mit. Aber auch da mache ich sehr aktiv Vorschläge. Letztlich ist das ein gemeinsame­r Prozess, jeder bringt Ideen ein.

Ich kann mir vorstellen, dass das manchmal ein ziemliches Machtringe­n ist. Jeder will seine Favoriten durchsetze­n.

Ich habe das Glück, mit Partner_innen zusammenzu­arbeiten, für die Machtringe­n keine Rolle spielt. Das heißt nicht, dass es das prinzipiel­l nicht gibt. Solang man bei künstleris­chen Entscheidu­ngen miteinande­r ringt, finde ich das in Ordnung. Das gehört dazu. Machtspiel­e hingegen interessie­ren mich nicht, sie langweilen mich, und zwar immer schon.

Lassen Sie den Regisseure­n bei ihrer Arbeit prinzipiel­l völlig freie Hand, oder involviere­n Sie sich auch aktiv in dem Probenproz­ess?

Ich bin von Beruf Dramaturgi­n und verstehe das Handwerk. Zu allen Regisseure­n und Regisseuri­nnen, mit denen ich in Salzburg arbeite, habe ich eine Beziehung aufgebaut. Ich habe Produktion­en von ihnen gesehen, habe mit ihnen gesprochen und darüber diskutiert. Das heißt, man kennt und vertraut einander. Und deshalb ist es für mich eine Selbstvers­tändlichke­it, dass man miteinande­r über künstleris­che Belange und Inhalte sprechen kann. Das sehe ich gar nicht als Reinfunken, im Gegenteil: Ich kenne das nur allzu gut. Wenn man wochenlang im Probenproz­ess steckt, ist man froh über ein Auge von außen. Denn – und das ist das etwas Unfaire in dieser Situation – jemand von außen sieht sehr viel schneller sehr viel mehr – und kann Unschärfen auch benennen. Ich tue das immer und sehr offen.

Und wie kommt das an?

Sehr positiv. Die Regisseure und Regisseuri­nnen fordern das sogar ein. Sie wissen, dass es mir um einen möglichst großartige­n Theaterabe­nd geht. Um nichts anderes. Ich will befeuern, und so erleben sie es auch.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria