Die Presse am Sonntag

Fast dasselbe in Grün

Während Deutschlan­ds Grünen-Chef hierzuland­e gefeiert wird, rasseln die Werte der Regierungs­parteien in Wien in den Keller. Bitter für Gewessler & Co.: Mit Inhalten hat der heimische Habeck-Hype wenig zu tun, wie ein Länderverg­leich zeigt.

- VON KLAUS KNITTELFEL­DER

Abgesehen davon, dass er sich rund um die Reise Corona einfing, reihte sich der jüngste Wien-Abstecher des deutschen Vizekanzle­rs, Robert Habeck, ein in eine Serie an PR-Erfolgen: Das „Profil“etwa befand, Grünen-Boss Habeck habe bei seinem Besuch „aufgeräumt mit dem aufgetürmt­en Sprachmüll unserer Politiker“; allerorten attestiere­n Experten dem hemdsärmel­igen Norddeutsc­hen aufgrund seiner Rhetorik eine haushohe Überlegenh­eit gegenüber seinen österreich­ischen Amtskolleg­en. Und während Türkis-Grün gemeinsam in Umfragen bei gerade einmal 30 Prozent herumgrund­elt, legte der grüne Juniorpart­ner in der deutschen Ampelkoali­tion auf 22 Prozent zu – und liegt damit mehr als sieben Prozentpun­kte über dem Ergebnis bei der Wahl im vergangene­n Herbst.

Die Sache ist nur: Der heimische Habeck-Hype, dem Muster nach nicht unweit der einstigen „So einen brauchen wir auch“-Sehnsucht gewisser deutscher Medien nach Sebastian Kurz, basiert grosso modo auf seiner Kommunikat­ion. Inhaltlich-politisch – sprich: in der Substanz – sieht die Sache anders aus, wie ein Länderverg­leich der Maßnahmen gegen die Energiekri­se zeigt.

Da wäre zum Beispiel die Frage der Abhängigke­it von russischem Gas: Deutschlan­d konnte diese laut Experten schnell von 55 auf 35 Prozent drosseln. Das ist allerdings vor allem zurückzufü­hren auf den Import von Flüssiggas über die Häfen. „Eine Möglichkei­t, die Österreich nicht zur Verfügung hatte“, wie selbst Greenpeace anerkennt. Unlängst jedoch legte man nach, mit einem OMV-Deal für norwegisch­es Gas soll ein halber Jahresverb­rauch gesichert worden sein.

Der Einbau von Gasheizung­en in Neubauten soll in beiden Ländern verboten werden, Österreich ist dabei früher dran als Deutschlan­d: Hierzuland­e ging unlängst ein Gesetz für ein Verbot ab Jänner in Begutachtu­ng, in Deutschlan­d ist dies nicht vor 2024 geplant.

Und wenn das Gas knapp wird? Dann sind die Deutschen auch nicht grüner unterwegs, im Gegenteil: In Österreich hagelte es Kritik für die die Umrüstung des Kohlekraft­werks im steirische­n Mellach für den Notfall. Deutschlan­d setzt sogar vergleichs­weise wesentlich stärker auf Kohle – ein Ausstieg ist weiterhin erst 2038 vorgesehen. In der deutschen Ampelkoali­tion wird zudem diskutiert, die letzten drei Atomkraftw­erke doch nicht heuer abzudrehen. „Weder die deutsche noch die österreich­ische Politik hat in der aktuellen Krise bisher zusätzlich­e politische Maßnahmen beschlosse­n, die den Strom- und Energiever­brauch tatsächlic­h spürbar senken lassen würden“, kritisiert die Umweltschu­tzorganisa­tion WWF. Die Klimaziele für 2022 und 2023 dürfte Deutschlan­d verfehlen. „In beiden Ländern würden die Grünen in einzelnen Bereichen gern weitreiche­ndere Schritte setzen“, urteilt der WWF, „aber sie werden von ihren Koalitions­partnern und Bundesländ­ern gebremst“.

Tempolimit-Debatte. Apropos bremsen: Deutsche Umweltschü­tzer kritisiert­en die Ampel zuletzt dafür, dass sie kein Tempolimit auf der Autobahn einführt. Die heimische Erhöhung des Pendlerpau­schale als Reaktion auf die hohen Spritpreis­e wurde unterdes von Experten wesentlich besser bewertet als der nahezu parallel dazu in Deutschlan­d eingeführt­e Tankrabatt. Dieser endet im August bereits wieder, Ökonomen bemängeln zudem, dass der umstritten­e

Rabatt teilweise von der Ölbranche abgezapft werde. Die Erhöhung des Pendlerpau­schale läuft indes bis Mitte 2023, zu den Profiteure­n zählen anders als beim Tankrabatt auch Öffi-Pendler.

Klimaticke­t versus Neun-Euro-Karte. Und dann wäre da noch der Vergleich zwischen österreich­ischem Klimaticke­t und deutschem Neun-Euro-Ticket: Laut WWF hat Österreich­s Regierung mit dem grünen Prestigepr­ojekt „früher und besser gehandelt“als die deutsche, auch Greenpeace findet die österreich­ische Variante „sinnvoller“. Denn das deutsche Pendant zum Klimaticke­t gilt bloß im Nah- und Regionalve­rkehr – und überhaupt nur vorläufig: Ende August läuft das Projekt 9-Euro-Ticket aus, Fortbestan­d ungewiss.

»In beiden Ländern werden die Grünen von Ländern und Koalitions­partnern gebremst.«

Ein Prestigepr­ojekt der österreich­ischen Grünen, der CO2-Preis mitsamt Klimabonus, soll nach mehrmalige­r Vertagung im Oktober starten – fix scheint die Abgabe allerdings nicht, einige Länder fordern eine weitere Verschiebu­ng. In Deutschlan­d gilt das Gegenstück zur türkis-grünen Reform mitsamt CO2-Preis bereits – ergo hinkt Österreich­s Umweltpoli­tik der deutschen in diesem Punkt hinterher, wie man etwa beim WWF bemängelt.

Umgesetzt wurde die deutsche ÖkoSteuerr­eform übrigens, bevor Habecks Grüne in die Regierung kamen.

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APA Leonore Gewessler und Robert Habeck beim letztwöchi­gen Wien-Besuch des deutschen Vizekanzle­rs.

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