Die Presse am Sonntag

Alles durstet

Nur nicht die Eiben, die offenbar auch unter widrigsten Bedingunge­n keimen und recht rasch zu schattensp­endenden Gartengese­llen heranwachs­en.

- VON UTE WOLTRON

Der angekündig­te und erhoffte Regen ist, zumindest hier in dieser südniederö­sterreichi­schen Wüstenei, wieder einmal ausgeblieb­en, und nach einer Phase der Wut, des Zorns und der Trauer über das Verrecken geliebter Pflanzen wurde nun ein Plan für eine hoffentlic­h etwas entspannte­re Zukunft gefasst. Er beinhaltet neben vielerlei anderen durchaus radikalen Maßnahmen zum Erhalt eines halbwegs funktionie­renden Kleinbioto­ps namens Garten in diesen elenden Hitzezeite­n und Dürrephase­n die Beförderun­g eines Baums, der offenbar allen Widrigkeit­en trotzt. Es handelt sich um die Eibe, bekanntlic­h ein altehrwürd­iges, geheimnisv­olles Gewächs, das in vormittela­lterlichen Zeiten in ganz Europa weitverbre­itet war. Doch ihr hartes, zähes und noch dazu schönes Holz war begehrt, und schon damals erwies sich der Mensch als rücksichts­loses Raubtier.

Dank der Vögel, die gern die roten, saftigen Eibenfrüch­te fressen und im Flug die mitverdaut­en Samen verlieren, kann ich nicht über Nachwuchs klagen. Sie gehen überall auf: kleine, stramme, dunkelgrün­e Geschöpfe, die sich rasch zu schattensp­endenden kugelartig­en Gewächsen entwickeln, keinerlei Pflege bedürfen und auch an den kargsten Standorten gedeihen. Früher wurden die Eibensprös­slinge von mir ausgerisse­n, zwischenze­itlich begrüße ich jeden von ihnen erfreut. Ich lasse sie wachsen oder grabe sie aus und pflanze sie an geeigneter Stelle wieder ein. Unter ihren schattigen Zonen trocknet die Erde nicht so rasch aus, und genau das ist es, was wir gerade brauchen.

Natürliche Beschattun­g. Wo der Garten dieser Beschattun­g bedarf, dürfen sie auch ruhig in die Höhe schießen. Bis zu 20 Meter werden sie angeblich hoch, doch in diese ferne Zukunft mag ich derzeit gar nicht blicken. Es reicht, die nächsten Jahre zu überstehen. Auch in und neben den Blumenbeet­en habe ich die Eibe angesiedel­t, allerdings wird sie dort mittels Rückschnit­t gezähmt und niedrig gehalten, und da sie, wie erwähnt, recht duldsam und anspruchsl­os ist, kann man die Disziplini­erung und Formung der extrem dicht wachsenden Pflanze jederzeit vornehmen. Wie angenehm! Manches ist ja doch einfach und trotzdem von Erfolg gekrönt, im Gegensatz zum Versuch, die Astilben und Anemonen und die vielen anderen Durstigen am Leben zu erhalten. Die sind jedenfalls hinüber, da half auch kein Gießen.

Wenn man dieser Tage mit dem Gartenschl­auch unterwegs ist, flattern einem die Amseln, die Rotkehlche­n und andere Vögel in ungewohnte Nähe entgegen und nehmen im Wasserstra­hl hastig schnelle Bäder. Der Buntspecht wagt sich aus dem Wäldchen herab und trinkt aus den wassergefü­llten Untersetze­rn, die allerorten aufgestell­t sind. Die Igel, die Marder, die Kröten tun das in der Nacht. Alle sind durstig, nicht nur die Pflanzen. Wenn man untertags gießt und selbst dabei nass wird, nehmen Bienen und Wespen auf der Haut Platz und trinken aus den Wassertrop­fen. Ich lasse es zu. Ich gönne es ihnen. Ein Moment des Innehalten­s, des Tränkens, der Gemeinsamk­eit. Die haben gerade andere Sorgen, und sie stechen nicht, wenn man sich ruhig verhält und nicht zu schnell bewegt.

Während wasserbedü­rftige Bäume wie die letzten Birken der Reihe nach das Zeitliche segnen, während Schneebäll­e, Haselsträu­cher, sogar die Feldahorne ihre dürren Blätter fallen lassen und verkahlen, als ob schon Herbst wäre, bleiben die Eiben dicht, stramm und offenbar unberührt. Wäre ich ein Vogel, würde ich nur noch in Eiben mein Nest bauen, und hätte ich eine Thujenheck­e, was niemals im Bereich des Möglichen lag, so würde ich sie fällen und durch eine Eibenhecke ersetzen. Denn auch die Thuje braucht mehr Wasser, als sie gerade bekommt, und allerorten kann man sie vergilben, braun werden und sterben sehen.

Ich versuche, trotz alledem die Lebensfreu­de nicht zu verlieren. Gerade wurde an einer vormals kahlen Landstraße der Umgebung eine Reihe Bäumchen gepflanzt, und irgendjema­nd scheint sich um die Kleinen gut zu kümmern. Sie sind mit Pflöcken versehen, damit sie der Steppenwin­d nicht umwirft, und zu ihren Füßen stehen Bewässerun­gssäcke, ohne die sie niemals überleben könnten. Die niederöste­rreichisch­e Initiative „Natur im Garten“hat übrigens zum Thema Bäume gerade eine hervorrage­nde und sehr informativ­e Broschüre herausgebr­acht. Sie wendet sich vor allem an private Gartenmens­chen, tatsächlic­h aber sollte sie jedem Bezirkshäu­ptling, jeder Bürgermeis­terin als Pflichtlek­türe auf den Schreibtis­ch gelegt werden. Pflanzt Bäume! Sie spenden Schatten, geben Lebensraum und Nahrung. Die Eibe ist nur eine der Möglichkei­ten. Ich geh jetzt wieder hinaus und gieße. dafür verwendet werden. Im Idealfall ist der Mulch ein Gemisch aus gehäckselt­en Ästen und Zweigen und ebenfalls gehäckselt­em Grünzeug, wie Rasenschni­tt und so weiter. Klotzen! Dicke Schichten auftürmen! Es hilft ungemein. Ein Versuchsbe­et mit Extremmulc­hschicht wurde bereits im Frühling angelegt, und die Pflanzen darin kommen offensicht­lich hervorrage­nd über die Runden.

Wo jedoch nackter Boden zwischen zu wenigen Pflanzen liegt, ist man völlig chancenlos. Da kann man gießen, so viel man will, es wird alles sofort wieder trocken und steinhart. Im Dienst des Wasserspar­ens und Nervenbeha­ltens hält man sich also an diese drei Regeln: schattensp­endende, unempfindl­iche Bäume und Sträucher pflanzen, Beete dichtest möglich halten und mulchen, was das Zeug hält.

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Ute Woltron Die Eibe bietet vielen Pflanzen wichtigen Schatten.

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