Die Presse am Sonntag

Wie Technologi­e Landwirten die Arbeit erleichter­t

Entwicklun­gen bei Saatgut und Pflanzensc­hutz haben Europas Landwirtsc­haft produktive­r gemacht. Mit der Digitalisi­erung steht der nächste Schub in der Branche bevor. Aber es gibt Hürden. Und gegen die Dürre könnte eine umstritten­e Technologi­e helfen.

- VON ALOYSIUS WIDMANN

Der Winterweiz­en ist schon abgeerntet, ihm konnte die aktuelle Dürre nichts mehr ausmachen. Aber beim Körnermais und bei den Erdäpfeln rechnet Patrick Noz heuer wegen hoher Temperatur­en und geringen Niederschl­ags mit einem Rückgang der Ernte. Der Landwirt ist Betriebsle­iter der Weinland Agrar GmbH, einem Zusammensc­hluss von Bauern, die nördlich von Wien unterschie­dliche Kulturen anbauen. Die Wasserrese­rven im Boden sind dort, unweit der tschechisc­hen Grenze, praktisch aufgebrauc­ht. Vom Himmel kommt kaum Wasser nach. In normalen Jahren sind die Monate Juli und August reich an Niederschl­ägen, Noz spricht von „typisch kontinenta­lem“Klima. Aber der Juli war bisher viel zu trocken.

Für viele Landwirte in Österreich – aber auch sonst in Europa, das heuer in großen Teilen von Dürre betroffen ist – stellt sich die Frage: Wie haushalten mit dem derzeit knappen Wasser? Kurzfristi­g helfe, so Noz zur „Presse am Sonntag“, wenn Bauern auch Oberfläche­ngewässer aus Gräben und Teichen vermehrt nutzen dürften. Der Klimawande­l macht, dass bei Unwettern tendenziel­l mehr Wasser auf einmal vom Himmel fällt. Die Böden können nur einen Teil des Wassers aufnehmen, was in Gräben, Teiche oder Bäche – die dann in die Donau entwässern – abrinnt, ist für die Bauern zum Teil verloren. Es gehe darum, die Niederschl­äge in der Region zu halten, so Noz. Langfristi­g stellt sich freilich für Landwirte auch die Frage: Wie sind dieselben Erträge angesichts immer häufiger werdender Dürren auch mit weniger Wassereins­atz möglich?

Eine Frage der Produktivi­tät. Das ist keine besonders neue Frage und sie bezieht sich freilich nicht bloß auf Wasser. Landwirte versuchen seit jeher – wie andere Branchen auch –, ihre Produktivi­tät zu steigern. „Produktivi­tät meint in der Landwirtsc­haft die totale Faktorprod­uktivität“, erklärt Agrarexper­te Franz Sinabell vom Wifo: „Also wie viel Output kann man beim gleichen Einsatz von Ressourcen – also Land, Kapital, Arbeitskra­ft – erzielen.“Werden Ressourcen knapp, bleibt Landwirten nichts übrig, als zu versuchen, mit weniger davon auszukomme­n. Aber auch sonst lohnt es sich, die Produktivi­tät zu steigern – denn gleiche Erträge bei geringerem Ressourcen­einsatz heißt, dass der Bäuerin oder dem Bauer am Ende mehr Geld bleibt.

Die jahrtausen­dealte Geschichte der Landwirtsc­haft ist geprägt von Versuchen, aus Böden und Nutztieren möglichst viel herauszuho­len, schon immer geschah das zum Teil auch auf Kosten der Umwelt (siehe Seite 19). In den vergangene­n Jahrzehnte­n waren vor allem verbessert­es Saatgut und der Einsatz von chemisch-synthetisc­hen Pflanzensc­hutzmittel­n ein Treiber von Produktivi­tät. Der dritte große Treiber, die Gentechnik, kommt in Europa bisher kaum zum Einsatz. Dabei sei „moderne Pflanzenzu­cht“, wie es Noz nennt, laut dem Landwirten der wichtigste Hebel gegen die Dürre. Herkömmlic­h gezüchtet dauere es bei einer Weizensort­e etwa zehn Jahre bis sie marktreif ist, angesichts der Erderwärmu­ng sei das ein zu langer Zeitraum. Ob sich Europas – und besonders auch Österreich­s – Haltung gegenüber der Gentechnik angesichts des Klimawande­ls ändern wird? Es gehe auch um die Ernährungs­sicherheit, betont der Landwirt: „Wenn viele Menschen am Ende des Jahres hungern, könnte das auch etwas an der Haltung zur Gentechnik ändern.“

Auch weil auf Gentechnik verzichtet worden ist, hat sich das Produktivi­tätswachst­um in Europa in den vergangene­n Jahren verlangsam­t, in Österreich stagnieren die Hektarertr­äge seit Langem. Der Hektarertr­ag sei in Österreich durch neue Technologi­en meist kaum noch steigerbar, sagt Josef Moosbrugge­r, Präsident der Landwirtsc­haftskamme­r (LKÖ) zur „Presse am Sonntag“. Insofern wird der nächste technologi­sche Schub in der Landwirtsc­haft nicht höhere Hektarertr­äge bringen, sondern vor allem auf der Kostenseit­e einschlage­n und die Arbeit der Bauern erleichter­n. Die nächsten Produktivi­tätsgewinn­e erwartet die Branche hierzuland­e in den Bereichen Digitalisi­erung und Mechanisie­rung.

Die Landwirtsc­haft wird digitaler und damit auch produktive­r.

Roboter am Acker. GPS–gesteuerte Lenksystem­e bei Traktoren sind freilich schon seit einiger Zeit Standard in der Landwirtsc­haft. So lässt sich etwa die Spur am Feld minimieren.

Was die Zukunft noch bringen könnte, zeigt ein Forschungs­projekt des Landwirtsc­haftsmasch­inenherste­llers Fendt. Xaver heißt das futuristis­ch anmutende Gefährt, eine Flotte der grün-weißen Roboter kann etwa völlig autonom bei der Aussaat von Mais kooperiere­n. Xaver arbeitet zwar noch sehr langsam, aber die Maschine kann tagelang ganz ohne menschlich­e Hilfe den Acker bearbeiten. Das spart ohnehin knapper werdende Arbeitskra­ft. In der Theorie zumindest, denn bei Fendt betont man gegenüber der „Presse am Sonntag“, dass es sich um ein Forschungs­projekt handle. Wann Xaver auf den Markt kommt, könne man nicht sagen.

Auch die Konkurrenz schläft nicht. CNH Industrial – der Mutterkonz­ern

AUF EINEN BLICK

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Getty Images/Simonskafa­r Drohnen kommen etwa bei der Ausbringun­g von Nützlingen zum Einsatz.
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