Die Presse am Sonntag

Ernährung als Schlüssel für weniger Luftbelast­ung

Mehr landwirtsc­haftliche Produktion oder mehr Umweltschu­tz? Ein Zielkonfli­kt, der sich entspannen ließe.

- VON ALOYSIUS WIDMANN

43% Positive Einstellun­g.

Laut eine Umfrage der Landwirtsc­haftskamme­r sehen 43 Prozent der heimischen Landwirte die zunehmende Technologi­sierung der Branche positiv. Nur elf Prozent sehen die Entwicklun­g negativ, der Rest ist neutral eingestell­t.

47% Breitbanda­usbau.

Knapp die Hälfte der von der Landwirtsc­haftskamme­r befragten Bauern gaben an, dass der mangelnde Breitbanda­usbau ein Hindernis beim

Einsatz digitaler Technologi­en sei.

Hunderte Millionen Menschen hungern auf dem Planeten und die Weltbevölk­erung von derzeit fast acht Milliarden Menschen wächst. Um den globalen Hunger trotz Wachstums einzudämme­n, muss die Nahrungsmi­ttelproduk­tion in der nächsten Dekade etwa jedes Jahr um 1,4 Prozent wachsen. Das geht allerdings auch auf Kosten der Umwelt, bedeutet etwa Artenschwu­nd und Abholzung. Und Emissionen entstehen: Der Nahrungsmi­ttelsektor ist global für mehr als ein Viertel der Treibhausg­asemission­en verantwort­lich. Lässt sich dieser Zielkonfli­kt von Ernährungs­sicherheit und Umweltschu­tz lösen?

Fakt ist: Die Agrarprodu­ktion hat immer schon auch externe Kosten verursacht, etwa in Form von Rodung oder Grundwasse­rbelastung. Und Fakt ist auch, dass in der Vergangenh­eit viele Gefahren für die Umwelt beseitigt werden konnten. „Die Belastung des Grundwasse­rs durch chemisch-synthetisc­he Pflanzensc­hutzmittel etwa hat man in den 1980er-Jahren durch Auflagen und Verbote in den Griff bekommen“, erklärt Franz Sinabell, Agrarexper­te beim Wifo. Externe Kosten wurden so internalis­iert.

In dieselbe Richtung zielen Vorgaben, die die zeitweise Stilllegun­g von Flächen oder eine deutliche Reduktion beim Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n vorsehen, um etwa den starken Rückgang an für die Ökosysteme wichtige Fluginsekt­en zu stoppen. Oder um den seit etwa zwanzig Jahren anhaltende­n starken Schwund der Singvögel auf Österreich­s Äckern zu bekämpfen, denen neben Insekten – also Futter – oft auch Nistmöglic­hkeiten fehlen.

Wiederkäue­r belasten Klima. Zwar ist auch das Problem der Grundwasse­rbelastung etwa durch tierischen Dünger nicht ganz vom Tisch. Das größte Thema ist heute aber die Luftbelast­ung, vor allem durch den Stoffwechs­el von Wiederkäue­rn. Stickstoff­verbindung­en und das potente Treibhausg­as Methan gelangen so in die Atmosphäre.

In Österreich ist die Luftbelast­ung pro Liter Milch in den vergangene­n Jahrzehnte­n zwar zurückgega­ngen, weil die Leistung der Kühe gestiegen ist. Eine einzelne Kuh gibt mehr Milch als früher. Aber auch wenn die Zahl der Rinder in Österreich zurückgega­ngen ist, global steigt sie nach wie vor – und so auch die landwirtsc­haftlichen Emissionen. Laut einem gemeinsame­n Bericht der Welternähr­ungsorgani­sation (FAO) und der Industries­taatenorga­nisation (OECD) dürften die Treibhausg­asemission­en im Agrarsekto­r in der kommenden Dekade um sechs Prozent steigen, angetriebe­n fast ausschließ­lich von der Viehwirtsc­haft.

Keine Lösung. Die schlechte Nachricht ist: „Der Zielkonfli­kt, dass mehr landwirtsc­haftliche Produktion zwar wichtig für die globale Ernährungs­sicherheit ist, aber auch eine höhere Belastung für die Umwelt bedeutet, lässt sich nicht auflösen“, wie Sinabell sagt. Aber auch eine gute Nachricht hat der Experte: „Der Zielkonfli­kt lässt sich entspannen.“Der Schlüssel liegt etwa auch in der Ernährung.

Weltweit sind 650 Millionen Menschen fettleibig und 770 Millionen Menschen unterernäh­rt. Während in den ärmsten Ländern der Welt auch tierische Nahrung fehlt, konsumiere­n viele Menschen in wohlhabend­eren Ländern weit mehr tierische Produkte als ihrer Gesundheit zuträglich ist. Laut Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) wäre es ratsam, wenn etwa der weltweite Konsum von Zucker und Fett reduziert würde. Weniger Menschen würden etwa an Fettleibig­keit leiden.

Und der Umwelt wäre geholfen. „Wenn wir unsere Ernährungs­gewohnheit­en ändern, wirkt sich das auf die Nachfrage nach tierischen Produkten aus. Und es trägt dazu bei, die Luftbelast­ung durch die Viehwirtsc­haft zu reduzieren“, erklärt Sinabell. Auch der Flächenbed­arf würde leicht sinken, hielte sich die Menschheit an die WHO-Empfehlung­en: nämlich um rund ein Prozent. Die Emissionen würden sogar um zehn Prozent sinken.

Sollen Hunger und die Emissionen der Agrarwirts­chaft bis Ende der Dekade deutlich reduziert werden, müsste die Landwirtsc­haft aber ihre Produktivi­tät um 24 Prozent steigern – also mehr als doppelt so stark wie in den vergangene­n zehn Jahren.

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