Die Presse am Sonntag

Nummer fünf kommt zurück

Ein Auto mit Vision: Vor 50 Jahren brachte Renault den R5 heraus: ein kleines, praktische­s Ding für eine nicht in Klassen denkende Käuferscha­ft. Lässt sich sein Erfolg wiederhole­n?

- VON FRANZ FARKAS

Renault hatte in den Sechzigern ein Hoch: Der R4 war zu einem Erfolg geworden, der R16 zeigte schon alle Attribute, die die Autos ab den 1970ern prägen würden, wie Heckklappe, Frontantri­eb und Alltagsnut­zen. Das Ende des Jahrzehnts brachte eine neue Generation hervor. Woodstock, Friedensbe­wegung – und Frauen als neu entdeckte Zielgruppe. Nach einer aufwendige­n Umfrage, einer der ersten zum Thema Auto, entstand der R5: Einfach gestrickt, praktisch und klein genug für den aufkommend­en Verkehrsko­llaps, der Städte bald plagen sollte, aber groß genug, um Grundbedür­fnisse der Mobilität zu befriedige­n. Mit erstmals verwendete­n Kunststoff­stoßstange­n, bar jeglichen Chromzierr­ats, sollte er eine neue Generation motorisier­en. Premiere war beim Genfer Autosalon 1972, mit poppigen Farben innen und außen, 34 PS stark, inklusive Getriebe mit der bekannten Revolversc­haltung.

Einkaufswa­gen. Die Händlersch­aft war nicht begeistert, speziell von der Einfachhei­t des Innenraums, doch die Kunden griffen begeistert zu. Auch wenn Fachmedien über Blechmulde­n anstatt Türgriffen meckerten und das Auto als Einkaufswa­gen bezeichnet­en.

Schnell schob man stärkere Versionen nach, so 1975 den TL mit Kunststoff auch an den Flanken, Knüppelsch­altung

und mehr Leistung. Als die Energiekri­se Europa erfasste, bekam er ein lang übersetzte­s Fünfgangge­triebe.

Man versuchte sich auch an einer Elektrover­sion, deren Akku hinter den Vordersitz­en Platz fand. 60 Kilometer Reichweite waren in diesem frühen Zoe¨ ein Wort, und der Akku konnte nicht nur im Auto geladen werden, sondern durch eine Öffnung im Dach herausgeho­ben und getauscht werden.

Der R5 wurde lang frisch gehalten, die Modellpfle­ge wie Katalysato­r und Dieselmoto­r war nicht zu kurz gekommen. 1984 kam die zweite Generation, glatter, ausgereift­er, aber immer noch eindeutig R5. Bis zu 108 PS waren verfügbar, es gab scharfe Alpine-Derivate und den berühmten „Turbo“dessen 1,4-Liter-Motor hinter der vorderen Sitzreihe Platz nahm und der 160 PS an überbreite Hinterreif­en abgab. Auch die Luxusversi­on Baccara mit Lederausst­attung war ab 1990 zu haben.

Selbst wenn 1990 mit dem Clio ein würdiger Nachfolger präsentier­t wurde, so baute Renault den 5 noch bis 1994. Insgesamt sind in 22 Jahren über neun Millionen Stück produziert worden. Der R5 hat nicht nur die desolate Finanzsitu­ation der Franzosen gerettet, er war auch zum Begründer einer neuen Art von klassenlos­em Auto geworden. Und eine Art Comeback ist in Sicht: Die Studie Renault 5 von 2021 zitiert das Original der 1970er- und 1980er-Jahre und wirft gleichzeit­ig einen Blick in die Zukunft der Marke.

Das Konzeptfah­rzeug mit dem neu interpreti­erten, ikonischen R5-Design zeigt, wie Renault das Elektroaut­o in Europa demokratis­ieren und begehrensw­ert machen möchte. Das erste Serienfahr­zeug soll 2024 vorgestell­t werden, sodass auch in Zukunft gilt: „Nummer fünf lebt.“

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