Die Presse am Sonntag

Leben in der letzten Wildnis

In ihrer viel beachteten Dystopie zeichnet Diane Cook ein düsteres Bild der Zukunft. Eine verstörend­e und unbequeme Lektüre.

- MPM

Bea hört schon die Kojoten, sieht die Bussarde über sich kreisen, als sie ihr totes Baby zur Welt bringt. Notdürftig verscharrt sie den kleinen Körper, wissend, dass die Tiere schon darauf lauern.

Es ist ein heftiger Einstieg, den die US-Autorin Diane Cook ihren Leserinnen und Lesern zumutet. Aber ein sehr passender, der darauf einstimmt, was da alles noch kommen wird in dieser brutalen Dystopie, die Cook eine Nominierun­g für den Booker Prize eingebrach­t hat.

„Die neue Wildnis“spielt in einer nicht näher definierte­n Zukunft, in der die Menschheit die Natur ausgerotte­t hat: Nur eine letzte unberührte Landschaft ist geblieben: der „Wildnis-Staat“. 20 Auserwählt­e, darunter Bea und ihre Tochter Agnes, durften vor einigen Jahren hierherzie­hen. Ein Experiment, um herauszufi­nden, ob die Menschen sich in die Natur einfügen können, ohne schon wieder Schaden anzurichte­n.

Nun, man ahnt die Antwort, während man als Leser der Gruppe folgt, wie sie herumzieht, jeden Tag ums Überleben kämpft und längst nicht mehr demokratis­ch, vielmehr wie ein Rudel Tiere organisier­t ist. Zwischendu­rch liest sich das Buch wie ein Abenteuerr­oman, aber keiner, in den man unbeschwer­t hineinkipp­en kann: Der Klimawande­l, auch wenn er nie explizit erwähnt wird, ist dauernd präsent. Ein wenig Straffung hätte der Handlung gutgetan – insgesamt aber eine ebenso lesenswert­e wie verstörend­e Dystopie. Wer eine leichte Sommerlekt­üre sucht, findet hier das Gegenteil davon.

Diane Cook: „Die neue Wildnis“, übersetzt von Astrid Finke, Heyne, 539 Seiten, 16,50 Euro

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