Südburgenland: »Wir haben stark davon profitiert«
Das burgenländische Güssing war einst Vorreiter in puncto Energieautarkie, die umliegenden Gemeinden haben aufgeholt.
Bernhard Deutsch kann sich noch erinnern, als er und seine Kollegen von Haus zu Haus gehen und Überzeugungsarbeit leisten mussten. „Damals war es nicht so leicht, die Leute von der bequemen und billigen Ölheizung wegzubekommen.“Heute sei das nicht mehr notwendig. „Die Leute kontaktieren uns, weil sie sich an die Fernheizung anschließen wollen.“
Deutsch ist seit 15 Jahren Bürgermeister der kleinen Gemeinde Strem im Südburgenland, die zum Bezirk Güssing gehört. Seit 30 Jahren ist er im Gemeinderat aktiv, rund 13 Jahre war er im Europäischen Zentrum für Erneuerbare Energie (EEE) in Güssing tätig. Güssing ist bekanntlich Vorreiter, was Energieeffizienz (um nicht Autarkie zu sagen) betrifft, und hat vor gut drei Jahrzehnten damit begonnen. Wenn man so will, hat Strem den großen Nachbarn beobachtet und dann nachgezogen. Mit dem praktischen Nebeneffekt,
dass man von den Fehlern oder Problemen in Güssing lernen konnte. 2016 wurde bekanntlich das Biomassekraftwerk in Güssing stillgelegt, nachdem eine Förderung ausgelaufen war. „Das hat funktioniert, solang es die Ökostromförderung gab“, sagt der Güssinger Bürgermeister Vinzenz Knor. Wobei in Güssing die Energieprojekte schon Ende der 1990er-Jahre starteten. Ausschlaggebend waren der EU-Beitritt und die Ernennung des Burgenlands zum besonders förderungswürdigen Ziel-1-Gebiet. Die Vorreiter des Biomassekraftwerks waren einige Fotovoltaik-Projekte in der Region, die mittlerweile mehr geworden sind. Als Folge davon haben sich unter anderem zwei große Parkettwerke angesiedelt, die für neue Arbeitsplätze sorgten. Immerhin stand beim Fokus auf erneuerbare Energie stets die Förderung der regionalen Wirtschaft im Vordergrund.
2001 folgte das Biomassekraftwerk, das international für Interesse gesorgt hat, war doch die Idee, aus Holz, das in der Region reichlich vorhanden ist, Energie zu gewinnen und so auf Öl und Erdgas zu verzichten, recht spektakulär. Der stark steigende Holzpreis und fehlende Förderungen setzten dem Projekt 15 Jahre später ein Ende. „Heute wären wir froh, wenn die Anlagen noch laufen würden“, sagt Deutsch.
19 Gemeinden als Ökoenergieland. In Strem wurde – in Relation zu Güssing – zeitversetzt damit begonnen, eigene energieeffiziente Projekte zu starten. „Heute produzieren wir die siebenfache Menge Strom, die wir als Gemeinde brauchen würden“, so Deutsch. 2003 wurde das Fernheizwerk in Betrieb genommen, zwei Jahre später folgte eine Bio-Gasanlage. 2014 wurden in vielen Bereichen Fotovoltaikanlagen installiert. „Wir haben heute
Güssing überholt. Während dort einiges zum Stehen gekommen ist, haben wir vieles gemacht“, sagt Deutsch.
Strem war nicht die einzige Gemeinde, die auf den Zug aufgesprungen ist. Deutsch ist auch Obmann des Vereins Ökoenergieland, zu dem 19 Gemeinden gehören. „Ländliche Gemeinden bieten für solche Projekte gute Voraussetzungen“, sagt Deutsch. In der Region gibt es heute elf Fernheizungen, einige Kraftwerke, Biogasanlagen und viele Fotovoltaikanlagen.
Bei den vielen Projekten ging es stets vor allem um die regionale Wertschöpfung. „Wir sind eine der ärmsten Regionen des Landes gewesen, ohne Autobahn- und Eisenbahnanschluss“, so Deutsch. Die Energieprojekte haben nicht nur die Region belebt, sondern auch den Abzug gestoppt. „Früher gab es eine Landflucht, heute eine Stadtflucht. Wir haben stark von den Geschehnissen profitiert.“