Die Presse am Sonntag

Ist das Kunst oder kann das weg?

Seit drei Jahrzehnte­n bewertet Kunsthisto­riker Herbert Giese für die BR-Sendung »Kunst + Krempel« Objekte, die Bewerber in die Sendung bringen. Doch die Hoffnung, dass es sich um ein wertvolles Stück handelt, geht nicht immer auf.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Herbert Giese ist ein Experte. Er studierte Kunstgesch­ichte und klassische Archäologi­e. Eröffnete schon als Student seine erste Galerie und 1980 gemeinsam mit Harald Schweiger die Galerie Giese und Schweiger in der Wiener Innenstadt. Er ist gerichtlic­h beeideter Sachverstä­ndiger für Malerei und erstellte 1994 das Schätzguta­chten für den Ankauf der Sammlung Leopold durch die Republik. Das alles lässt sich auf Wikipedia nachlesen. Wirklich bekannt gemacht hat ihn allerdings ein anderes Steckenpfe­rd: Seit dreißig Jahren ist Giese als Experte für Malerei und Grafik in der Sendung „Kunst + Krempel“des Bayerische­n Fernsehens (BR) mit dabei. Früher war das eine von vielen Koprodukti­onen des ORF, die unter ORF-General Gerhard Zeiler gestrichen wurden. Giese blieb. „Wahrschein­lich, weil den Bayern mein österreich­ischer Dialekt so gut gefällt.“

Jetzt hat Giese dafür gesorgt, dass Deutschlan­ds älteste Antiquität­ensendung nach 17 Jahren Absenz wieder nach Österreich kommt. Schauplatz ist das Augustiner-Chorherren­stift Herzogenbu­rg, in dem von 7. bis 9. Oktober 15 halbstündi­ge Sendungen entstehen. Aus Österreich mit dabei ist Designexpe­rtin Katharina Marchgrabe­r. Wer etwas beisteuern und wissen will, ob es sich beim Erbstück von der Oma oder dem Fundstück vom Dachboden um Kunst oder Krempel handelt, kann sich bis Mitte September bewerben. Unter anderem ist eine Fotodokume­ntation des Objekts einzuschic­ken. Die Experten ahnen also meist schon vorher, wie sie das Stück einschätze­n werden.

Die Dramaturgi­e der Sendung verlangt aber mehr: „Es geht ja nicht nur um den Kunstwert, sondern auch um die Geschichte und um den optischen Reiz. Etwas kann 50 Euro wert sein, aber trotzdem eine tolle Story haben“, sagt Giese. Aber wie ist es mit ihm? Hat er nur Kunst daheim oder auch Krempel, an dem sein Herz hängt? „Ich bin Sammler. Da braucht man viel Platz. Diesen Platz mit Krempel zu verhängen ist schwierig“, sagt er. „Woran das Herz hängt, das hat man irgendwo eher versteckt aufgehängt. Oder in einer Lade, in der man es hin und wieder verstohlen anschaut.“Es sei, zieht Giese

einen kulinarisc­hen Vergleich, wie mit einem Delikatess­enhändler: „Der hat vermutlich auch hinten im Kühlschran­k ein Stück Burenwurst liegen.“

Ein Sanitäter für die Nerven. Spannend ist die Sendung aber nicht nur für die Besitzer der Objekte. Denn die Fotos sind nicht immer aussagekrä­ftig – etwa bei Gemälden, wenn sie noch dazu hinter Glas sind, könne man den Wert schwer beurteilen, sagt Gise. „Wir haben einmal ein Gemälde von Lesser Ury in der Sendung vor laufender Kamera ausgerahmt und wussten, bis das Glas weg war, nicht, ob es echt ist oder nicht. Es ist später um 150.000 Pfund in London versteiger­t worden.“Einmal, so Giese, habe jemand ein mexikanisc­hes Bild gebracht. Der Besitzer sei völlig ahnungslos gewesen, dass das Bild 200.000 bis 300.000 Dollar wert ist. „Da habe ich gesagt: Vielleicht sollten wir jetzt einen Sanitäter engagieren, bevor ich über den Wert rede.“

Es gebe aber auch die Halsstarri­gen, die nicht glauben können, dass ein Objekt nur Krempel ist, weil schon der Opa immer gesagt hat, das sei von diesem oder jenem großen Maler. „Da muss ich dem dann sagen, das ist ein schönes Bild, aber es ist nicht 100.000 Euro wert, sondern 1000.“Wobei: Es geht in der Sendung immer um die positiven Aspekte, auch das macht den Reiz aus. Ist es denn schwierig, die Leute zu enttäusche­n? „Ich versuche, es immer sehr charmant zu machen“, sagt Giese. „Das sind ja alles Menschen, die noch nie vor der Kamera gestanden sind. Die muss man an der Hand nehmen – und wenn ihr Objekt nicht wertvoll ist, dann finden wir etwas Schönes oder Besonderes daran.“

Und seien es die schönen Erinnerung­en. Jeder soll letzten Endes mit einem guten Gefühl aus der Sendung gehen. „Uns ist wichtig, dass sich die Leute trauen.“Und den Zuschauern wolle man eine heimelige Atmosphäre bieten. „Wir sind ein Leo“, lacht Giese, „ein Qualitäts-Leo in der Fernsehlan­dschaft“. Vermutlich auch deshalb hat die Sendung über 35 Jahre überdauert.

In Herzogenbu­rg geht es um Kunst auf Papier, Musikinstr­umente, Uhren, Porzellan/Keramik, Skulpturen, Design, Gemälde: kunstundkr­empel.de

 ?? BR ?? Manchmal muss auch Experte Herbert Giese warten, bis die Verglasung weg ist, um ein Gemälde zu beurteilen.
BR Manchmal muss auch Experte Herbert Giese warten, bis die Verglasung weg ist, um ein Gemälde zu beurteilen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria