Die Presse am Sonntag

STECKBRIEF

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Josef, Sepp, Schellhorn

wurde 1967 in Schwarzach im Pongau als erstes Kind der Familie geboren.

1996

übernahm er das Hotel Seehof in Goldegg von seinen Eltern. Der Betrieb ist seit fünf Generation­en in Familienha­nd.

2004

übernahm er das Restaurant M32 am Salzburger Mönchsberg. Daneben führt er noch weitere Lokale in Hofgastein und Sportgaste­in. Nachdem der Hotelier zuerst für die ÖVP politisch aktiv gewesen war, wechselte er zu den Neos.

Von 2014 bis 2021

saß er für diese Partei im Nationalra­t. Gleichzeit­ig war er als Landesvors­itzender von Neos Salzburg sowie von Juni 2018 bis Juni 2021 als stellvertr­etender Bundesvors­itzender von Neos tätig.

Im Juni 2021

gab Schellhorn bekannt, seine Funktionen zurückzule­gen und sich aus der Politik gänzlich zurückzuzi­ehen. übernehmen, werde ich das mit großer Demut und Dankbarkei­t annehmen. Die große Herausford­erung für mich ist nicht die Übergabe, sondern alle drei Kinder gleich zu behandeln. Das ist irre schwierig, ich kann nicht einfach alles durch drei teilen. Dem Kind, das den Seehof übernimmt, bürde ich viel auf, ich schränke seine Freiheit ein. Das muss man auch bedenken.

Haben Sie sich selbst bei Ihren berufliche­n und privaten Entscheidu­ngen immer gefragt, wie Sie Ihre Lebensqual­ität beeinfluss­en werden?

Nein, meine Lebensqual­ität hat mich früher nie interessie­rt. Das war ein Fehler. Mit meinen Kindern habe ich viel zu wenig Zeit verbracht, aber das habe ich erst realisiert, als es schon zu spät war.

Waren Sie als Unternehme­r und Politiker zu beschäftig­t, um über Ihr eigenes Leben nachzudenk­en?

In den vergangene­n Jahren – da war ich noch in der Politik – bin ich sehr nachdenkli­ch geworden, vor allem in der Coronazeit, in der ich dauernd mit dem Auto zwischen Salzburg und Wien hinund hergeratte­rt bin. Da hat’s in mir zu arbeiten begonnen. Seit 2014, seitdem ich das Nationalra­tsmandat übernommen habe, habe ich sieben Tage pro Woche durchgearb­eitet. Darunter hat mein Leben sehr gelitten. Aber mein Anspruch war eben, das Unternehme­rische ins Parlament zu bringen. Und das geht nur als Touristike­r, denn da arbeitest du dann, wenn die Politik Pause macht. Nur ich hatte nie eine Pause.

Halten Sie Pausen überhaupt aus? Sie liebäugeln doch schon wieder damit, in die Politik zurückzuke­hren.

Ich würde liebend gern einmal nur in den Tag hineinlebe­n und darüber nachdenken, welche Bücher ich als Nächstes lese – und das dann auch tun können. Das habe ich mir verdient. Es ist auch nicht so, dass ich sage: „Ich will wieder in die Politik.“Mich stören nur einfach gewisse Dinge. Ich bin ein Gerechtigk­eitsfanati­ker, ich bin ein Nerd, und ich denke mir, die Politiker spüren sich alle nicht mehr. Es braucht jemanden, der den Selbststän­digen, den Klein- und Mittelbetr­ieblern eine Stimme gibt. Ich habe mich von der Politik nicht abgewandt.

Als Sie Ende Juni 2021 bekannt gaben, sich aus der Politik zurückzuzi­ehen, hat das schon so geklungen.

Ja, für drei Monate, weil ich es nicht mehr ausgehalte­n habe. Ich war völlig ausgepower­t, ich war fertig.

Und warum wollen Sie sich dann diesen ganzen Stress wieder antun?

Wie gesagt, es geht mir um diese Stimme. Und ich frage mich, wer soll es denn machen? Es geht mir dabei nicht um Macht. Und es geht nie um mich.

Das glauben Sie sich?

Das weiß ich.

Dann sind Sie die große Ausnahme. Sind Sie ein Altruist?

Meine politische Tätigkeit hat mir keinerlei Vorteile gebracht, nie, nur Nachteile. Denken Sie nur an all meine Betriebspr­üfungen, die ich deshalb hatte (Pause). Aber die Diskussion darüber, ob ich in die Politik zurückgehe, stellt sich ohnehin nicht. Ich kann ja nicht einfach zu einem Neos-Abgeordnet­en sagen: „Du, ich bin jetzt wieder da, ich rücke für dich nach.“Aber ich bin und bleibe ein politische­r Mensch.

Das sagt Christian Kern von sich sinngemäß auch. Aber hier geht es ja um Sie.

Warum schauen Sie jetzt so skeptisch?

Weil ich Sie nicht ganz begreife: Sie haben unter diesem Hamsterrad so gelitten, und dennoch würden Sie sich bei nächster Gelegenhei­t wieder hineinbege­ben. Das hat etwas . . .

. . . das stimmt. Ich mache jetzt auch eine Psychother­apie, weil ich das Gefühl habe, nie etwas für mich getan zu haben. Darüber kann ich ganz offen sprechen, das ist ja nichts Schlechtes.

Im Gegenteil! Es ist positiv.

Sie sehen, ich arbeite ständig an mir.

Hatten Sie in Ihrer Therapie schon Aha-Erlebnisse?

Noch nicht.

Das dauert. Geben Sie sich Zeit.

Keine Sorge, die gebe ich mir. Ich will einmal, dass es mir gut geht. Mit Abstand zu allem wird das auch so sein.

„Mit Abstand zu allem“heißt was?

Ich meine, wenn ich den Seehof übergeben habe. Dann habe ich es geschafft, als Unternehme­r zu überleben. Es steht ein Betrieb da, der funktionie­rt und in den ich wahnsinnig viel investiert habe.

Ich rieche Freiheit. Glauben Sie, dass Sie auf dem Weg zu mehr Zufriedenh­eit sind?

Ich bin noch überhaupt nicht zufrieden mit mir. Ich muss vieles noch besser hinkriegen. Derzeit komme ich mir manchmal noch vor wie Don Giovanni, der immer viele Bälle in der Luft hat. Mit dem Unterschie­d, dass die Bälle in der Luft die vielen Arbeiten sind.

Wie Don Giovanni endet, wissen wir.

Ja, natürlich. Dieses Jonglieren ist anstrengen­d. Rückblicke­nd denke ich mir immer wieder: „Du hast ein ganz schönes Schwein gehabt, dass sich das alles ausgegange­n ist. Es hätte auch anders kommen können.“

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