Die Presse am Sonntag

»Der Patient besteht aus mehr als Laborwerte­n«

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Lange Dienstzeit­en bis in die Nacht hinein, ständig eine volle Ordination und Zeitdruck, dazu Hausbesuch­e und strenge Auflagen der Gesundheit­skassen mit viel Bürokratie. Als wäre das nicht genug, kommen Drohungen und gewalttäti­ge Übergriffe auf Ärzte immer häufiger vor. Kein Wunder, dass es unter diesen Bedingunge­n einen Mangel an Allgemeinm­edizinern mit Kassenvert­rag gibt, die als erste Anlaufstel­le des Gesundheit­swesens direkt an der Front stehen.

Aber Michaela Schrödl ist gern Ärztin .Sie hat (auch) einen Kassenvert­rag und praktizier­t in Wien-Favoriten. Einem Bezirk mit sozialen Brennpunkt­en. Die Frage, warum sie sich diesen Job antut, beantworte­t die Medizineri­n mit einem Lächeln: „Das Wichtigste ist, egal, wie viel man arbeitet: Es muss einfach Spaß machen!“Nachsatz: „Und obwohl wir im Moment zu den meist kritisiert­en Berufsgrup­pen gehören, macht es mir Spaß, als Ärztin zu arbeiten.“Damit spielt Schrödl auf die (teils gewalttäti­gen) Aktionen von Corona-Leugnern gegen Mediziner an.

Worauf Schrödl Wert legt: „Das Gespräch mit dem Patienten ist (beim Hausarzt, Anm.) an oberster Stelle“, meint sie: „Und die Gespräche mit den Patienten sind auch der Teil, der Freude macht.“Wobei die Medizineri­n betont: „Bei Patienteng­espräche geht es darum, dass man sich um einen Patienten auch sorgt und nicht nur Laborwerte bespricht. Der Patient besteht aus mehr als aus seinen Laborwerte­n.“Wie viele Stunden Schrödl pro Woche arbeitet? „Ich zähle das nicht mehr.“

Am Abend, wenn ihre Tochter schläft, lädt sie die neuesten Laborbefun­de ihrer Patienten auf den Computer und sieht sie sich sofort an – für den Fall, dass ein Blutbefund so kritisch ist, dass sofort gehandelt werden muss. In einem Fall konnte dadurch das Leben einer Patientin gerettet werden. Und das sind Dinge, die den Beruf für Schrödl „sehr erfüllend“machen: „Vor allem wenn man sieht, dass die Patienten dann durch die Therapie eine bessere Lebensqual­ität erreichen.“Anderersei­ts: „Natürlich ist man traurig, wenn man eine ernste Erkrankung entdeckt.“Aber: „Wir können helfen, dass es besser wird, und diesen Weg gemeinsam gehen.“„So schön zu sehen“ist es für Schrödl, wenn man einen Beitrag geleistet habe, dass der Patient sich wieder erholt: „Dann macht man diesen Beruf besonders gern.“

 ?? Carolina Frank ?? Michaela Schrödl, Allgemeinm­edizinerin.
Carolina Frank Michaela Schrödl, Allgemeinm­edizinerin.

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