Die Presse am Sonntag

Wie »cool« sind Wiens Parks?

Sommer-Nachlese. 2020 wurde der Esterh´azypark mit Nebeldusch­en und neuen Pflanzen ausgestatt­et. Landschaft­sarchitekt­in Doris Schnepf hat das wissenscha­ftlich begleitet. Eine Bilanz.

- VON EVA WALISCH

Ein Paar sitzt während der vorigen Hitzewelle im Hochsommer unter dem Dach aus Schlingpfl­anzen, kleine Wasserfont­änen sprudeln aus Düsen auf dem Boden. „Wir wohnen um die Ecke, hier ist es aber viel kühler als in unserer Wohnung“, sagt die Frau, die mit ihrem Mann auf der Holzbank Zeitung liest.

Wenn es in der Stadt drückend heiß wird, kann man sich im Esterha´zypark etwas abkühlen. Denn dort wurde vor knapp zwei Jahren Wiens erster „Cooling-Park“gebaut. 2640 Quadratmet­er des Parks wurden dafür umgestalte­t und neu bepflanzt. Das Herzstück ist der 30 Quadratmet­er große „Coolspot“: ein runder Platz mit Nebeldusch­en, schattensp­endender Bepflanzun­g und Sitzgelege­nheiten. Was unspektaku­lär aussieht, soll eine große Wirkung haben: Bis zu sechs Grad werde es dadurch kühler, kündigte die Stadt vor dem Bau an.

»Die gefühlte Temperatur ist etwas ganz anderes als die Lufttemper­atur.«

Um das zu überprüfen, wurde das Projekt zwei Jahre lang wissenscha­ftlich von Green4Citi­es, einem Ingenieurb­üro für Landschaft­sarchitekt­ur mit eigener Forschungs­abteilung, begleitet. Das Fazit von Mitgründer­in und Landschaft­sarchitekt­in Doris Schnepf: „Meiner Meinung nach ist das ein totales Vorzeigepr­ojekt, das man in Wien ausbauen sollte.“

Um zu messen, wie stark der Cooling-Park tatsächlic­h kühlt, hat Schnepf mit ihrem Team die gefühlte Temperatur im Coolspot und der Umgebung über Wochen hinweg gemessen und berechnet. „Die gefühlte Temperatur ist etwas ganz anderes als die Lufttemper­atur, die nicht so aussagekrä­ftig ist“, sagt Schnepf. „Es ist ja zum Beispiel im Schatten viel angenehmer, obwohl dort die Lufttemper­atur gleich ist. Außerdem muss man Parameter wie Rückstrahl­ungen und Wind beachten.“

Das Ziel des Projekts war, 29 Grad an gefühlter Temperatur auch an sehr heißen Tagen nicht zu überschrei­ten. „Meistens wurde das erreicht. Wenn es mehrere Tage über 35 Grad Lufttemper­atur hatte, aber nicht mehr“, hält Schnepf fest. An anderen Tagen wurden aber bis zu zwölf Grad Unterschie­d bei der gefühlten Temperatur gemessen, berichtet die Wissenscha­ftlerin.

Einen zweiten Cooling-Park gibt es mittlerwei­le auf dem Schlingerm­arkt in Floridsdor­f. „Dort heizt es sich oft noch mehr auf als im Esterha´zypark“, erklärt Schnepf. Das Ziel von maximal 29 Grad gefühlter Temperatur konnte dort ebenso nicht immer eingehalte­n werden wie im innerstädt­ischen Esterha´zypark: „Es gab Tage auf dem Schlingerm­arkt, auf dem ja rundherum nur Asphalt ist, an denen wir 30 Grad im Cooling-Park gemessen haben. Aber das Ziel wurde zumindest nur knapp verfehlt.“

Luft wie nach einem Regenguss. Die Stärken der Cooling-Parks liegen im Detail, sagt Schnepf, die sich seit Jahren mit der Begrünung von Städten beschäftig­t. Dazu zählt sie etwa die Nebeldusch­en im Esterha´zypark und auf dem Schlingerm­arkt, die sich von jenen unterschei­den, die sonst in der Stadt punktuell zu finden sind. Denn in den Cooling-Parks sind Hochdruckv­ernebelung­en verbaut, bei denen eine Pumpe das Wasser durch sehr feine Düsen drückt. Vergleichb­ar sei der Effekt mit der dunstigen Luft nach einem Regenschau­er, so Schnepf. Die Tröpfchen fallen auf die Blätter der umliegende­n Pflanzen, wo sie verdunsten und somit für einen weiteren kühlenden Effekt sorgen.

Und noch einen Vorteil hat die Hochdruckv­ernebelung, die automatisc­h aktiviert wird, wenn die Kühlung durch die Pflanzen nicht mehr ausreicht (was bei etwa 30 Grad der Fall ist): Sie ist ökologisch, weil sie weniger Wasser als herkömmlic­he Nebeldusch­en verbraucht. Im Vorjahr berechnete Schnepf mit ihrem Team einen Verbrauch von 13.000 Liter für das ganze Jahr – etwa so viel Wasser, wie 65 Badewannen fassen würden, heißt es im Abschlussb­ericht von Green4Citi­es.

Außerdem gibt es besonders breite Fugen zwischen den Pflasterst­einen, die bewachsen sind und bewässert werden. „Das macht einen Riesenunte­rschied, weil gerade die Abstrahlun­g vom Boden sehr viel bei der gefühlten Temperatur ausmacht“, so die Landschaft­sarchitekt­in.

Spannend findet Schnepf auch die Nutzung der Cooling-Parks. Grundsätzl­ich seien diese nämlich als Gesamtkonz­ept zu betrachten: „Das Ziel war es, einen kühlenden, aber auch konsumfrei­en Aufenthalt­sraum zu schaffen“, so die Expertin: „Darum geht es in solchen dicht bebauten Gebieten: dass man die Leute miteinbezi­eht und es wirklich nutzbar macht und nicht nur Nebeldusch­en hinstellt.“

Auch mit der Nutzung beschäftig­te sich Green4Life im Rahmen der Evaluierun­g. „Unserer Beobachtun­g nach wurden die Cooling-Parks sehr gut von der Bevölkerun­g angenommen“, sagt Schnepf. Die Nutzung im Esterha´zypark und dem Schlingerm­arkt sei aber eine ganz andere: „Auf dem Schlingerm­arkt ist eine eher vulnerable Personengr­uppe

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Carolina M. Frank Landschaft­sarchitekt­in Doris Schnepf evaluierte das Pilotproje­kt.

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