Die Presse am Sonntag

Diese Schöne war auch Biest

Karen Duve festigt in »Sisi« das Bild einer Frau zwischen Charme und Manipulati­on, die mit knapp 40 ihr Glück auf Erden fast nur noch auf dem Rücken von Pferden findet.

- VON DORIS KRAUS

Kaum etwas fasziniert Medienkons­umenten so sehr wie das Thema der schönen Prinzessin, gefangen im Schloss, umgeben von Drachen. Das gilt etwa für Lady Diana, vor allem aber gilt es für Kaiserin Elisabeth, von der die Filmbranch­e derzeit gar nicht genug bekommt: von der ORF-Serie „Sisi“über Marie Kreutzers Film „Corsage“bis zur neuen Netflix-Serie, „Die Kaiserin“.

Mitten in diesem royalen Taumel, der durch das Begräbnis der Queen noch angeheizt wurde, erscheint „Sisi“, der Roman der deutschen Schriftste­llerin Karen Duve. Eigentlich, so Duve, habe sie einen Roman über Pferde schreiben wollen, es sei aber doch einer über Kaiserin Elisabeth geworden. Klingt weit hergeholt, ist es aber nicht. Denn Sisi war eine ebenso begnadete wie besessene Reiterin, die ihr Glück auf Erden zunehmend nur noch auf dem Rücken von Pferden fand. Sie war charmant, aber auch eine Manipulato­rin, die die Mitglieder ihrer Entourage gegeneinan­der ausspielte und fallen ließ, wenn es ihren Interessen diente. Diese Schöne war auch Biest.

Zuckerbrot und Peitsche. „Sisi“ist zur selben Zeit angesiedel­t wie Marie Kreutzers „Corsage“: 1876/77, als Sisi sich ihrem 40. Geburtstag nähert (am 24. Dezember 1877) und ihre Angst vor dem Alter sowie ihr Schönheits- und Schlankhei­tswahn einen Höhepunkt erreichen. Die Frau, die sich zeit ihres Lebens einen Taillenumf­ang von 51 Zentimeter­n erhielt und trotz aller Qualen auf ihren meterlange­n Haaren bestand, betrachtet­e Essen als Zumutung, verabscheu­te dicke Frauen und verlangte von ihrer Umgebung absolute Anbetung. Diese sicherte sie sich mit Zuckerbrot und Peitsche, mit Charme, Gleichgült­igkeit und manchmal erstaunlic­her Brutalität: „Alles ist ihr gestattet, . . . denn sie ist einzigarti­g, und die Welt geht sie nichts an.“

Sisis Macht wird am Beispiel ihrer Nichte, Marie Louise Wallersee, demonstrie­rt. Die „kleine Wallersee“ist zwar die Nichte der Kaiserin, ist aber wegen der morganatis­chen Ehe ihres Vaters mit einer Schauspiel­erin in höheren Kreisen nicht gern gesehen. Dennoch favorisier­t die Kaiserin die gute Reiterin, bald ist ihr Marie Louise

Karen Duve Sisi

Verlag Galiani 416 Seiten 26,80 Euro

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Kerstin Ahlrichs Karen Duve ist selbst begeistert­e Reiterin und besitzt ein ziemlich dickes und wildes Pferd.
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