Die Rückkehr der Kachelöfen ins Wohnzimmer
Wegen der Wärme, die er ausstrahlt, und wegen der aktuellen Energiekrise ist die Nachfrage nach Kachelöfen (und ihren Verwandten) derzeit kaum zu bewältigen. Der Beruf des Hafners steht plötzlich im Mittelpunkt.
Es knistert, es prasselt, es lodert. Die Flammen tanzen. Man schaut ihnen zu oder schließt die Augen, lehnt sich an die aufgeheizten Kacheln. Angenehme Wärme erfüllt den Raum. Wie kaum ein Wohngegenstand steht der Kachelofen für Wohlgefühl – und ist schon lange nicht nur bei Romantikern beliebt. „Wir erleben einen totalen Run auf Kachelöfen“, erzählt Anton Wallner, Hafnermeister aus Graz. „Nicht nur von der älteren Generation. Auch bei jungen Leuten, die mit dem Kachelofen bisher eigentlich nicht viel zu tun hatten.“Aber sie wollen nicht nur den Klassiker, den Kachelofen: „Generell Holzfeuerungen. Herde, Kaminöfen, Heizkamine. Alles, was mit Holz betrieben wird, ist hoch gefragt.“
Doch auf die Feuerstelle müssen sie derzeit lang warten. „Heuer wäre nichts mehr möglich. Einen Beratungstermin muss man derzeit Wochen im Voraus vereinbaren. Die Vorlaufzeit ist schon sehr lang, die Lieferanten haben teilweise bis zu einem Jahr Lieferzeit. Und dann entsteht so ein Kachelofen ja auch nicht von heute auf morgen“, sagt Wallner.
Wegen der hohen Energiekosten sind die Menschen auf der Suche nach Alternativen beim Heizen. Aber das ist nicht der einzige Grund für die hohe Nachfrage. „Ich erkläre sie mir auch mit der Angst vor einem Blackout. Wir haben das schon voriges Jahr gemerkt. Die Leute wollen unabhängig vom Strom eine andere Heizmöglichkeit haben, nicht gebunden und eben nicht fremdenergieabhängig sein.“
Batterien aufladen. Ähnliches beobachtet auch Hafnermeisterin Sieglinde Schelch aus Straden in der Steiermark. „Die Leute wollen auf Notfälle vorbereitet sein, autark leben. Da brechen jetzt Sachen über sie herein, die sie zu Altbewährtem greifen lassen. ,Bau ich mir lieber einen gescheiten Ofen rein‘, denken sie sich. ,Im Notfall geh ich in den Wald, hol mir ein paar herumliegende Prügel, schon hab ich’s warm um mich herum.‘“
Das Heizen mit Holz genieße außerdem einen guten Ruf in Sachen Umwelt- und Klimafreundlichkeit, betont sie. „Es ist eine total nachhaltige Heizalternative. Wenn Holz im Wald verrottet, entsteht gleich viel CO2 wie bei guter Verbrennung.“(Siehe dazu Bericht unten.) Bei ihr am Land sei die Ausgangslage aber auch eine andere, räumt sie ein. Während Baumärkte im städtischen Raum von Engpässen und langen Wartelisten berichten, sei bei ihr der Wald um die Ecke, die Beziehung zum Bauern eine enge. „Hier ist man immer mit Holz versorgt, das muss man schon sagen.“
Bereits während der Pandemie haben die Leute begonnen, sich ihr Zuhause gemütlich herzurichten. Für viele, die es sich leisten können, war es ein Anlass für die Anschaffung eines eigenen, modernen Kachelofens. Es ist das Geruhsame, das auf eine bestimmte Art aus der Zeit Gefallene, das Ruhige, nach dem sich die Leute sehnen, der Ort, an den sie sich zurückziehen, die Hektik vergessen können. „Dieses Gefühl kennt man ja“, sagt Schelch, „wenn ich ins Feuer schaue, beruhigt mich das, ich bin entspannt. Ich lade meine Batterien wieder auf. Es tut einfach gut, vor dem Kamin zu sitzen.“
Teil der Wohnkultur. Die Erfindung des Kachelofens hat den Wohnkomfort grundlegend verändert. Denn bis zum Mittelalter war es das offene Feuer, das den Mittelpunkt der Küche bildete, des einzigen beheizten Raums. In den gehobeneren Gesellschaftsschichten war es der offene Kamin, im bäuerlichen Umfeld das offene Herdfeuer, in jedem Fall war das Feuer gewissermaßen frei und die Räume somit verraucht. Und wer sich aufwärmen wollte, musste sich in der Nähe des Feuers aufhalten, denn Wärme wurde nicht gespeichert. „Die Räume waren nahezu unbewohnbar“, sagt Markus Huber vom Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, „da bedeutete der Kachelofen eine Revolution.“
Denn das Feuer wurde dadurch wortwörtlich in Schach gehalten, der Kachelofen von einem Nebenraum beheizt. Die Kacheln selbst, zunächst in Formen, die kleinen Bechern ähnlich sahen, speicherten die Wärme und gaben sie sukzessive wieder ab.
In der Folge entwickelte sich die Stube – ob nun Küche oder ein eigener Raum – als Wohnzimmer, als Raum der Zusammenkunft. Und sie blieb weiterhin das einzige beheizte Zimmer, denn, so Huber: „Brennholz war ein kostbares Gut, es musste gewonnen und transportiert werden. Man hat die Räume nicht ohne Not beheizt.“Bis die Zentralheizung im Laufe des 19. Jahrhunderts im individuellen Wohnen ankam und fossile Brennstoffe die Weiterentwicklung prägten, war das Heizen durch Öfen und Kamine nur in den jeweiligen Zimmern möglich. Es war eine mühselige Angelegenheit, kaum eine romantische.
In alten Häusern und Altbauwohnungen gelten Kachelöfen, wiewohl sie nicht in Betrieb sind, mittlerweile als Schmuckstück, sie werten das Wohngefühl, die Ästhetik des Raumes auf. Doch wie entsteht dieser Körper eigentlich? „Dafür sind wir Hafner zuständig“, sagt Anton Wallner (Wortherkunft von „Hafen“: Topf, Gefäß). „Als Hafner kann ich Ihnen alles bauen, was mit Holzfeuer zu tun hat. Kachelöfen, Kamine, offene Feuerstellen, Pizza- und Brotbacköfen oder Ganzhausheizungen, Outdoorstellen fürs Grillen.“Der Hafner plant, entwirft, versetzt, montiert und wartet Öfen. Er arbeitet mit Kacheln, Lehm und Schamott, er verputzt den Ofen und er versetzt Kacheln. Meistens im Team. „Aber ich bin ein Ein-Frau-Betrieb“, sagt die Steirerin Schelch, „ich fertige auch die Ofenkacheln in meiner Werkstatt selbst an, mache von der Planung bis zum ersten gemeinsamen Heizen mit dem Kunden alles allein.“
» Ob wir in Zukunft mehr Hafner brauchen werden? Der Bedarf ist schon jetzt akut. «
Ein Unikat herstellen. Wenn es einen derartigen Run auf Heizöfen gibt, wird es künftig auch mehr Hafner brauchen. „Ja, natürlich“, sagt Wallner dazu, „Aber darauf brauchen wir gar nicht mehr warten. Das ist aktuell schon ein großes Problem.“Doch wer will heutzutage noch Hafnermeister werden? Wie begeistern sich junge Menschen für dieses traditionelle Handwerk? „Das ist tatsächlich schwierig“, so Wallner. „Im Normalfall kommt ein Jugendlicher nämlich schwer auf den Beruf, weil die meisten ihn nicht kennen. Dass wirklich jemand von alleine ins Geschäft kommt und sagt, er möchte Hafner lernen, das passiert kaum noch.“Ihm ist es aber passiert.
Richard Scharf ist 17 Jahre alt und im dritten Lehrjahr zum Ofenbau- und Verlegetechniker. Auf den Beruf ist er gekommen, als er seinem Vater, einem Fliesenleger, bei der Arbeit zugesehen hat. Er solle doch bei der Firma Wallner schnuppern, riet ihm dieser. Denn die vertreibt neben Öfen auch Fliesen. „Dort hab ich dann den Beruf des Hafners kennengelernt. Und der hat mir total gut gefallen“, sagt Scharf. Weil er sich dabei kreativ betätigen könne, genau und präzise arbeiten müsse. „Das liegt mir. Man muss auch geduldig sein. Ich glaube, dass einem generell Handarbeit liegen muss, wenn man so was macht.“
Das schönste Gefühl für
Scharf sei aber, „dass das
eben wirklich ein Handwerk, ein Kunstwerk in gewisser Weise, ist. Man gestaltet etwas. Man sieht am Ende, was man gemacht hat.“
Die Kunden begleiten den Prozess, erleben dadurch auch die unterschiedlichen Bauphasen des Ofens. Mit jedem Tag wird er größer, und so auch ihre Erwartungshaltung. Und wenn sie dann sehen, der Rauch wird gut abgezogen, der Kamin funktioniert, bereite das ein gutes Gefühl, beschreibt Hafnermeisterin Schelch.
Schweden- oder Kachelofen? Vor dem Kaminkauf wird ein Beratungsgespräch durchgeführt. „Schließlich wird jemand, der es gewohnt ist, aufzustehen, Holz zu holen, einzuheizen, etwas anderes brauchen als jemand, der darauf nicht eingestellt ist und es ohnehin durchgehend angenehm warm haben möchte. Oder als jemand, der nicht in der Lage ist, 20 Kilo Holz für einen Heizgang hereinzuschleppen“, sagt Schelch. Man müsse also auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, was die Kunden wirklich brauchen, ob sie schon Heizsysteme haben. Denn es gibt nicht nur ausgefallene oder rustikale Modelle, die sich in der Optik unterscheiden. Die verschiedenen Ofenarten erfüllen auch unterschiedliche Funktionen. Zu den gängigsten Modellen zählt freilich der Klassiker, der Kachelofen. Er wird von einem Hafner ortsfest versetzt. Der Kachelofen gilt als träges Heizsystem, weil er eine längere Vorlaufzeit benötigt. Man zündet das Holz an, lässt es abbrennen. Wenn die Flämmchen nur mehr klein sind, wird die Zuluft am Ofen geschlossen. Der Heizvorgang ist abgeschlossen, der Ofen „spuckt“: Er gibt Wärme ab. Und das für einen langen Zeitraum.