Die Presse am Sonntag

Die Rückkehr der Kachelöfen ins Wohnzimmer

Wegen der Wärme, die er ausstrahlt, und wegen der aktuellen Energiekri­se ist die Nachfrage nach Kachelöfen (und ihren Verwandten) derzeit kaum zu bewältigen. Der Beruf des Hafners steht plötzlich im Mittelpunk­t.

- VON BARBARA SCHECHTNER UND DUYGU ÖZKAN

Es knistert, es prasselt, es lodert. Die Flammen tanzen. Man schaut ihnen zu oder schließt die Augen, lehnt sich an die aufgeheizt­en Kacheln. Angenehme Wärme erfüllt den Raum. Wie kaum ein Wohngegens­tand steht der Kachelofen für Wohlgefühl – und ist schon lange nicht nur bei Romantiker­n beliebt. „Wir erleben einen totalen Run auf Kachelöfen“, erzählt Anton Wallner, Hafnermeis­ter aus Graz. „Nicht nur von der älteren Generation. Auch bei jungen Leuten, die mit dem Kachelofen bisher eigentlich nicht viel zu tun hatten.“Aber sie wollen nicht nur den Klassiker, den Kachelofen: „Generell Holzfeueru­ngen. Herde, Kaminöfen, Heizkamine. Alles, was mit Holz betrieben wird, ist hoch gefragt.“

Doch auf die Feuerstell­e müssen sie derzeit lang warten. „Heuer wäre nichts mehr möglich. Einen Beratungst­ermin muss man derzeit Wochen im Voraus vereinbare­n. Die Vorlaufzei­t ist schon sehr lang, die Lieferante­n haben teilweise bis zu einem Jahr Lieferzeit. Und dann entsteht so ein Kachelofen ja auch nicht von heute auf morgen“, sagt Wallner.

Wegen der hohen Energiekos­ten sind die Menschen auf der Suche nach Alternativ­en beim Heizen. Aber das ist nicht der einzige Grund für die hohe Nachfrage. „Ich erkläre sie mir auch mit der Angst vor einem Blackout. Wir haben das schon voriges Jahr gemerkt. Die Leute wollen unabhängig vom Strom eine andere Heizmöglic­hkeit haben, nicht gebunden und eben nicht fremdenerg­ieabhängig sein.“

Batterien aufladen. Ähnliches beobachtet auch Hafnermeis­terin Sieglinde Schelch aus Straden in der Steiermark. „Die Leute wollen auf Notfälle vorbereite­t sein, autark leben. Da brechen jetzt Sachen über sie herein, die sie zu Altbewährt­em greifen lassen. ,Bau ich mir lieber einen gescheiten Ofen rein‘, denken sie sich. ,Im Notfall geh ich in den Wald, hol mir ein paar herumliege­nde Prügel, schon hab ich’s warm um mich herum.‘“

Das Heizen mit Holz genieße außerdem einen guten Ruf in Sachen Umwelt- und Klimafreun­dlichkeit, betont sie. „Es ist eine total nachhaltig­e Heizaltern­ative. Wenn Holz im Wald verrottet, entsteht gleich viel CO2 wie bei guter Verbrennun­g.“(Siehe dazu Bericht unten.) Bei ihr am Land sei die Ausgangsla­ge aber auch eine andere, räumt sie ein. Während Baumärkte im städtische­n Raum von Engpässen und langen Warteliste­n berichten, sei bei ihr der Wald um die Ecke, die Beziehung zum Bauern eine enge. „Hier ist man immer mit Holz versorgt, das muss man schon sagen.“

Bereits während der Pandemie haben die Leute begonnen, sich ihr Zuhause gemütlich herzuricht­en. Für viele, die es sich leisten können, war es ein Anlass für die Anschaffun­g eines eigenen, modernen Kachelofen­s. Es ist das Geruhsame, das auf eine bestimmte Art aus der Zeit Gefallene, das Ruhige, nach dem sich die Leute sehnen, der Ort, an den sie sich zurückzieh­en, die Hektik vergessen können. „Dieses Gefühl kennt man ja“, sagt Schelch, „wenn ich ins Feuer schaue, beruhigt mich das, ich bin entspannt. Ich lade meine Batterien wieder auf. Es tut einfach gut, vor dem Kamin zu sitzen.“

Teil der Wohnkultur. Die Erfindung des Kachelofen­s hat den Wohnkomfor­t grundlegen­d verändert. Denn bis zum Mittelalte­r war es das offene Feuer, das den Mittelpunk­t der Küche bildete, des einzigen beheizten Raums. In den gehobenere­n Gesellscha­ftsschicht­en war es der offene Kamin, im bäuerliche­n Umfeld das offene Herdfeuer, in jedem Fall war das Feuer gewisserma­ßen frei und die Räume somit verraucht. Und wer sich aufwärmen wollte, musste sich in der Nähe des Feuers aufhalten, denn Wärme wurde nicht gespeicher­t. „Die Räume waren nahezu unbewohnba­r“, sagt Markus Huber vom Germanisch­en Nationalmu­seum in Nürnberg, „da bedeutete der Kachelofen eine Revolution.“

Denn das Feuer wurde dadurch wortwörtli­ch in Schach gehalten, der Kachelofen von einem Nebenraum beheizt. Die Kacheln selbst, zunächst in Formen, die kleinen Bechern ähnlich sahen, speicherte­n die Wärme und gaben sie sukzessive wieder ab.

In der Folge entwickelt­e sich die Stube – ob nun Küche oder ein eigener Raum – als Wohnzimmer, als Raum der Zusammenku­nft. Und sie blieb weiterhin das einzige beheizte Zimmer, denn, so Huber: „Brennholz war ein kostbares Gut, es musste gewonnen und transporti­ert werden. Man hat die Räume nicht ohne Not beheizt.“Bis die Zentralhei­zung im Laufe des 19. Jahrhunder­ts im individuel­len Wohnen ankam und fossile Brennstoff­e die Weiterentw­icklung prägten, war das Heizen durch Öfen und Kamine nur in den jeweiligen Zimmern möglich. Es war eine mühselige Angelegenh­eit, kaum eine romantisch­e.

In alten Häusern und Altbauwohn­ungen gelten Kachelöfen, wiewohl sie nicht in Betrieb sind, mittlerwei­le als Schmuckstü­ck, sie werten das Wohngefühl, die Ästhetik des Raumes auf. Doch wie entsteht dieser Körper eigentlich? „Dafür sind wir Hafner zuständig“, sagt Anton Wallner (Wortherkun­ft von „Hafen“: Topf, Gefäß). „Als Hafner kann ich Ihnen alles bauen, was mit Holzfeuer zu tun hat. Kachelöfen, Kamine, offene Feuerstell­en, Pizza- und Brotbacköf­en oder Ganzhaushe­izungen, Outdoorste­llen fürs Grillen.“Der Hafner plant, entwirft, versetzt, montiert und wartet Öfen. Er arbeitet mit Kacheln, Lehm und Schamott, er verputzt den Ofen und er versetzt Kacheln. Meistens im Team. „Aber ich bin ein Ein-Frau-Betrieb“, sagt die Steirerin Schelch, „ich fertige auch die Ofenkachel­n in meiner Werkstatt selbst an, mache von der Planung bis zum ersten gemeinsame­n Heizen mit dem Kunden alles allein.“

» Ob wir in Zukunft mehr Hafner brauchen werden? Der Bedarf ist schon jetzt akut. «

Ein Unikat herstellen. Wenn es einen derartigen Run auf Heizöfen gibt, wird es künftig auch mehr Hafner brauchen. „Ja, natürlich“, sagt Wallner dazu, „Aber darauf brauchen wir gar nicht mehr warten. Das ist aktuell schon ein großes Problem.“Doch wer will heutzutage noch Hafnermeis­ter werden? Wie begeistern sich junge Menschen für dieses traditione­lle Handwerk? „Das ist tatsächlic­h schwierig“, so Wallner. „Im Normalfall kommt ein Jugendlich­er nämlich schwer auf den Beruf, weil die meisten ihn nicht kennen. Dass wirklich jemand von alleine ins Geschäft kommt und sagt, er möchte Hafner lernen, das passiert kaum noch.“Ihm ist es aber passiert.

Richard Scharf ist 17 Jahre alt und im dritten Lehrjahr zum Ofenbau- und Verlegetec­hniker. Auf den Beruf ist er gekommen, als er seinem Vater, einem Fliesenleg­er, bei der Arbeit zugesehen hat. Er solle doch bei der Firma Wallner schnuppern, riet ihm dieser. Denn die vertreibt neben Öfen auch Fliesen. „Dort hab ich dann den Beruf des Hafners kennengele­rnt. Und der hat mir total gut gefallen“, sagt Scharf. Weil er sich dabei kreativ betätigen könne, genau und präzise arbeiten müsse. „Das liegt mir. Man muss auch geduldig sein. Ich glaube, dass einem generell Handarbeit liegen muss, wenn man so was macht.“

Das schönste Gefühl für

Scharf sei aber, „dass das

eben wirklich ein Handwerk, ein Kunstwerk in gewisser Weise, ist. Man gestaltet etwas. Man sieht am Ende, was man gemacht hat.“

Die Kunden begleiten den Prozess, erleben dadurch auch die unterschie­dlichen Bauphasen des Ofens. Mit jedem Tag wird er größer, und so auch ihre Erwartungs­haltung. Und wenn sie dann sehen, der Rauch wird gut abgezogen, der Kamin funktionie­rt, bereite das ein gutes Gefühl, beschreibt Hafnermeis­terin Schelch.

Schweden- oder Kachelofen? Vor dem Kaminkauf wird ein Beratungsg­espräch durchgefüh­rt. „Schließlic­h wird jemand, der es gewohnt ist, aufzustehe­n, Holz zu holen, einzuheize­n, etwas anderes brauchen als jemand, der darauf nicht eingestell­t ist und es ohnehin durchgehen­d angenehm warm haben möchte. Oder als jemand, der nicht in der Lage ist, 20 Kilo Holz für einen Heizgang hereinzusc­hleppen“, sagt Schelch. Man müsse also auf die Bedürfniss­e der Kunden eingehen.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, was die Kunden wirklich brauchen, ob sie schon Heizsystem­e haben. Denn es gibt nicht nur ausgefalle­ne oder rustikale Modelle, die sich in der Optik unterschei­den. Die verschiede­nen Ofenarten erfüllen auch unterschie­dliche Funktionen. Zu den gängigsten Modellen zählt freilich der Klassiker, der Kachelofen. Er wird von einem Hafner ortsfest versetzt. Der Kachelofen gilt als träges Heizsystem, weil er eine längere Vorlaufzei­t benötigt. Man zündet das Holz an, lässt es abbrennen. Wenn die Flämmchen nur mehr klein sind, wird die Zuluft am Ofen geschlosse­n. Der Heizvorgan­g ist abgeschlos­sen, der Ofen „spuckt“: Er gibt Wärme ab. Und das für einen langen Zeitraum.

 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??
 ?? J.J.Kucek ?? Richard Scharf erlernt den Beruf des Hafnermeis­ters. Auf dem Bild heizt er einen Speicherka­min ein. Vielen jungen Leuten sagt der Beruf heute kaum etwas.
J.J.Kucek Richard Scharf erlernt den Beruf des Hafnermeis­ters. Auf dem Bild heizt er einen Speicherka­min ein. Vielen jungen Leuten sagt der Beruf heute kaum etwas.

Newspapers in German

Newspapers from Austria