Weil sie gern im Haushalt helfen
Wachsen an den Aufgaben, die man ihnen gibt, heißt es so schön. Gilt das auch für den Haushalt? Tatsächlich haben nicht nur Eltern etwas davon, wenn Kinder hier mit anpacken.
Das bisschen Haushalt macht sich eben doch nicht von allein. Leider. So stapelt sich das dreckige Geschirr in der Abwasch, die Staubschicht unter dem Bett wird immer dicker, und Bügeln wird ohnehin überbewertet. Aber dann stolpert man auch noch über Legosteine oder Barbiepuppen, um das Kinderzimmer macht man schon lang einen großen Bogen. Zeit, die Kleinen in den Haushalt einzubinden. Das kann eine weitere Herausforderung sein. Aber davon profitieren am Ende beide Seiten.
Die Mithilfe von Kindern im Haushalt ist in Deutschland per Gesetz geregelt.
„Kinder übernehmen dadurch Verantwortung“, sagt Familienberaterin Martina LeiboviciMühlberger, „sie fühlen sich gebraucht.“Wer früh im Haushalt helfe, lerne fürs Leben: Er erkenne ungetane Aufgaben auch als solche, lerne vorausschauend zu planen, Dinge einzuschätzen und zu managen, werde selbstständig: „Kinder werden darauf vorbereitet, später selbst einen Haushalt zu führen.“Sie machten dabei auch eine positive Selbstwirksamkeitserfahrung, betont sie. „Sie erfahren: Wir leben in einer Gemeinschaft, wir tragen unseren Teil bei, jeder in seiner Form und wie er kann. Ich bewirke etwas in meinem sozialen Umfeld, werde gesehen, belobigt, wertgeschätzt.“Diese Anerkennung sei viel wert, so LeiboviciMühlberger, „so viel, dass sie oft freiwillig anpacken oder es anbieten“.
Aber wenn wir sie dazu zwingen, würden wir genau das Gegenteil davon bewirken. Es gehe vielmehr darum, positive Erlebnisse zu schaffen. Beispiele: „Komm, wir decken jetzt gemeinsam den Tisch auf“, und dann beim Essen: „Schau wie schön du das gemacht hast.“Oder: „Die SchleichTiere gehören in die Schachtel, komm, natürlich helfe ich dir.“Wichtig sei, den Kleinen zu verstehen zu geben, dass Hausarbeit keine Strafe ist, sondern sie spielerisch, lustig aufzubereiten, sie miteinander zu erledigen – und ein gutes Vorbild zu sein.
Davon ist auch Elfriede Hilpert überzeugt. Die Lebens und Sozialberaterin weiß, wie wichtig die Mentorrolle ist. „Kinder lernen am meisten aus Erfahrung und am besten von einem Vorbild. Sie wollen sich mit den gleichen Sachen beschäftigen wie Mama und Papa.“So auch, wenn Gemüse geschnitten oder der Müll rausgetragen wird.
Als sechsfache Mutter spricht sie nicht nur aus beruflicher, sondern auch privater Erfahrung. Sie bezeichnet ihre Familie als Firma, in der „jeder mithelfen muss, um erfolgreich zu sein.“Dies zu verinnerlichen, verlangt Disziplin. So rät sie, bereits ab zwei Jahren mit leichten Aufgaben anzufangen. Die Kinder sollen lernen, Schuhe zusammenzustellen, Spiele wegzuräumen oder den HaustierKäfig zu reinigen. Dabei gilt es, den Nutzen zu erklären. Sätze, wie: „Wenn der Boden voller Spielsachen ist, haben wir keinen Platz, um weiterzuspielen“oder „Wir können erst gehen, wenn alles aufgeräumt ist“, habe sie oft verwendet.
Halbe Stunde pro Tag. Das Thema schlägt auch auf Social Media hohe Wellen. Influencer sind bekanntlich nicht scheu, Empfehlungen zu verbreiten. Eine von ihnen ist Charlotte Weise. Die Hamburgerin erreicht mit ihrem Profil rund 180.000 Personen. Sie teilt viel über ihr privates Familienleben. So auch, wie der einjährige Sohn Haushaltsgeräte in Miniaturform bekommt, zuletzt einen Staubsauger. Seither sind Vater Felix und der kleine Mads oft dabei zu beobachten, wie sie jeweils mit einem kleinen und einem großen Gerät saugen.
„Keine schlechte Idee“, findet die Expertin. Und spricht dabei auch das Thema Belohnung an. In ihrer Familie gebe es diese in Form von guter Laune. Obwohl sie viele Personen kennt, die fürs Rasenmähen bezahlen, ist davon im Hause Hilpert keine Rede. „Ich finde, Harmonie ist wichtiger.“Ihre Söhne gehen einkaufen, bügeln und bringen sich aktiv ein. Als zeitlichen Richtwert rät sie: „Eine halbe Stunde pro Tag.“So viel Zeit müsse auch nach langen Arbeitstagen bleiben, um mitzuhelfen.
Für Kinderzimmer gelte das auch. Sei der Widerstand zu groß, versuche sie es mit der Vernunft. Spätestens ab der Pubertät ginge es bei der Debatte – wie sauber muss das Zimmer sein und wer kümmert sich darum – eher um Grenzen. „Die Tür trennt den gemeinsamen vom eigenen Raum. Hier gelten zwar auch Regeln, aber vor allem die eigenen“, so Hilpert.
Vor der eigenen (Haus)Tür zu kehren, falle ihren Kindern indes leichter. Es sei ein Vergnügen, ihnen bei der Gartenarbeit zuzuschauen. Diese Freude vergeht just, wenn Routinearbeiten anstehen. Den Geschirrspüler ein und auszuräumen ist besonders unbeliebt.
»Wir können erst gehen, wenn alles aufgeräumt ist.« ELFRIEDE HILPERT Lebensberaterin
Kinder sind motiviert, zu helfen, wenn die Aufgaben an sie und ihr Alter angepasst sind.
In Deutschland ist das Mitwirken von Kindern im Haushalt übrigens sogar per Gesetz geregelt. So ist im Bürgerlichen Gesetzbuch §1619 verankert: „Das Kind ist, solang es dem elterlichen Hausstand angehört und von den Eltern erzogen oder unterhalten wird, verpflichtet, in einer seinen Kräften und seiner Lebensstellung entsprechenden Weise den Eltern in ihrem Hauswesen und Geschäft Dienste zu leisten.“
Wobei hier niemand angezeigt werden kann, wir befinden uns schließlich im Privatrecht. In Österreich gibt es diese Rechtspflicht nicht. Kinder müssen ihren Eltern „Achtung“entgegenbringen oder gegebenenfalls ihren Eltern und Großeltern Unterhalt zahlen. „Dieser Verpflichtung stehe ich skeptisch gegenüber“, räumt Hilpert ein. Es werde schließlich nie zu einer Anzeige kommen. Viel eher diene sie dazu, zu drohen. Stattdessen sei es ratsam, daran zu erinnern, „dass alle davon profitieren, wenn es zu Hause sauber ist.“