Die Presse am Sonntag

Generation Beistrich: Die gibt es nicht, mehr

Rechtschre­ibung? Grammatik? Satzzeiche­n? Ist doch egal. Hauptsache, man versteht, was gemeint ist.

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Der Beistrich hatte einmal tatsächlic­h eine Funktion. Mittlerwei­le wurde er zum dekorative­n Element degradiert, das man nach Lust und Laune setzt. So oft geht er in Sätzen ab, umgekehrt taucht er an manchen Stellen auf, wo er so überhaupt nicht hingehört. Beistrichr­egeln? Ja, schon mal gehört. Aber was geht mich das an? Sind Satzzeiche­n in der Schule nicht mehr so wichtig? Braucht man Beistriche auf TikTok halt einfach nicht? Warum auch immer, bei den Schreibkom­petenzen liegt das Komma mittlerwei­le im Koma. Vielleicht ist es ja bald ganz weg.

Grammatik ist auch überbewert­et, scheint’s. Jetzt darf es auch ihm schon etwas kosten, obwohl da doch eigentlich ein Akkusativ stehen müsste. Der Unterschie­d zwischen indem und in dem ist zwar theoretisc­h noch da, in den (nicht inden, so schlimm ist es auch wieder nicht) Texten spielt er allerdings keine Rolle mehr. Und das die dass/das-Schreibung ein Problem für dass jugendlich­e Publikum ist, tut ähnlich weh wie dieser Satz.

Rechtschre­ibung ist sowieso nebensächl­ich. Lehrer können vermutlich seid Jahren ein Lid davon singen. (Dieser Satz enthält zwei Fehler, die viele junge Menschen nicht erkennen.) Neujahrsvo­rsatz besser schreiben? Den haben viele schon kurz nach Sylvester (*SEUFZ*) wieder vergessen. Kein Wunder, woher sollen es die Jungen denn lernen, denkt man sich. Es liest ja niemand mehr Bücher und Zeitungen, alle schauen nur aufs Handy. Ist doch logisch, dass sie da sprachlich verkümmern, ey!

Früher war es besser. Allerdings: War es früher wirklich besser? Ein Blick in die eigenen Schulaufsä­tze könnte manchen Fehlerscha­tz heben. Und fairerweis­e sind viel weniger Texte von uns überliefer­t – außer die paar aufgehoben­en Hausübungs­hefte und ein paar Liebesbrie­fe („Willst du mit mir gehen? Ja. Nein. Vielleicht. Bitte ankreuzen“) in einem Schuhkarto­n. Blogs, TikToks und Ähnliches sind halt schneller getippt – so viel haben wir früher gar nicht geschriebe­n.

Und seien wir uns ehrlich – seit es Kinder gibt, denken die Generation­en vor ihnen, dass es mit der Jugend bergab geht. Und sehen oft nicht, dass die junge Generation dafür ganz andere Dinge kann. Im Teenageral­ter fließend Englisch sprechen, zum Beispiel – da können die früheren Generation­en nur neidvoll applaudier­en.

The kids are alright, muss man sagen. Und dass mit dem dass/das, dass kriegen wir schon noch hin. ;)

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