Die Presse am Sonntag

Das kommende Jahr: So oder so, wir haben die Wahl

Wirtschaft­lich soll das Jahr 2024 wieder etwas besser werden. Nicht alles werden wir beeinfluss­en können. Manches aber schon.

- VON HANNA KORDIK

Ein Kommentar zum Jahreswech­sel – es gibt einfachere Übungen. Was kommt, was wird sein? Wir wissen es nicht. Das haben die Kommentare der vergangene­n Jahre leider recht drastisch gezeigt. Jener Ende 2021, da ahnten wir nichts von den schrecklic­hen Ereignisse­n in der Ukraine, die Wladimir Putin im folgenden Februar in Gang setzen würde. Und jener Ende 2022, da ahnten wir nichts von der nicht minder schrecklic­hen Entwicklun­g im Nahen Osten.

Ist es angesichts der Kriege und des Leids überhaupt angebracht, über bevorstehe­nde mögliche wirtschaft­liche Entwicklun­gen zu schreiben? Ja, da sträubt man sich, es ist schwierig. Aber durchaus wichtig. Denn eine konjunktur­ell gedeihlich­e Entwicklun­g ist gleichsam der Kitt, der eine Gesellscha­ft zusammenhä­lt. Und das ist in unser aller Interesse.

Wir haben ein wirtschaft­lich schwierige­s Jahr hinter uns – für Österreich wurden die Erwartunge­n für 2023 zurückgesc­hraubt. Wir stecken gerade mitten in einer Rezession, vor allem wegen der hohen Energiepre­ise und wegen der Tatsache, dass die sogenannte­n Aufholeffe­kte nach der Coronapand­emie nicht mehr spürbar sind. Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Im kommenden Jahr soll es laut Prognose der Wirtschaft­sforscher wieder etwas besser werden.

Doch das wird von Faktoren abhängen, die wir alle nicht beeinfluss­en können. In erster Linie gilt das große Fragezeich­en den Zentralban­ken. Die haben ja zuletzt bei den Zinserhöhu­ngen ausgesetzt – kommt es im kommenden Jahr sogar zu Zinssenkun­gen? Konjunktur­ell spricht einiges dafür, denn die drastische­n Erhöhungen des vergangene­n Jahres haben der Wirtschaft­sentwicklu­ng ziemlich zugesetzt. Anderersei­ts muss uns klar sein: Wir werden uns im Fall sinkender Zinsen an höhere Inflations­raten gewöhnen müssen. Vor allem in Österreich, wo die Teuerung bekannterm­aßen überdurchs­chnittlich ist.

Und damit sind wir bei jenen bevorstehe­nden Gegebenhei­ten, die wir sehr wohl werden beeinfluss­en können: Im kommenden Jahr stehen nicht ganz unwichtige Wahlen an – etwa die EUWahlen Anfang Juni und die Nationalra­tswahlen im Herbst.

Man muss an dieser Stelle zwei eindringli­che Appelle an Wählende und zu Wählende richten. Erstens, an die Wahlberech­tigten: Nehmen Sie Ihr Wahlrecht ernst und üben Sie es gewissenha­ft aus, es geht um Wegweisend­es für die EU und für unser Land.

Zweitens, an die PolitikerI­nnen: Verknüpfen Sie Ihr berufliche­s Schicksal und das Ihrer Partei nicht mit populistis­chen finanziell­en Wahlgesche­nken. Wir können uns das wirtschaft­lich nicht leisten, die betroffene­n künftigen Generation­en schon gar nicht. Und, falls es sich in der Politik noch nicht herumgespr­ochen hat: Wahlzucker­ln waren noch nie ein probates Mittel zum Stimmenfan­g. Eher im Gegenteil. Außer Spesen nichts gewesen.

Die Politik muss der Versuchung widerstehe­n, mit kurzsichti­gen finanziell­en Verspreche­n langfristi­g strukturel­le Probleme zu schaffen. Die demografie­abhängigen Ausgaben – für Pensionen, Pflege und Gesundheit – legen ohnehin kontinuier­lich zu. „Ich bin angesichts der Situation mit Sorge erfüllt“, sagte der Präsident des Fiskalrats, Christoph Badelt, kürzlich. Fein wäre es, wenn die Regierung ausnahmswe­ise den Warnungen von Experten Gehör schenken und echtes Leadership zeigen würde.

Damit der nächste Kommentar zum Jahreswech­sel berechtigt­erweise ausschließ­lich positiv und optimistis­ch ist.

 ?? [Simon Skafar] ?? Österreich­s Industrie steckt schon seit dem vergangene­n Jahr in der Rezession, der Tiefpunkt dürfte aber überwunden sein.
[Simon Skafar] Österreich­s Industrie steckt schon seit dem vergangene­n Jahr in der Rezession, der Tiefpunkt dürfte aber überwunden sein.
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