Die blauen Frauen in Stadt und Land
Anteilsmäßig hat die FPÖ ein Frauenproblem: Ihre Gremien und Klubs sind klar männlich dominiert. Ihre Wählerschaft ist das aber immer weniger. Die Gunst junger Frauen verändert die Partei allmählich auch in ihrem Inneren.
Vor dem Weltfrauentag am 8. März dominiert er wieder die Debatten, der Gender-PayGap. Nicht nur bei Pensionen, Gehalt oder Care-Arbeit – als besonders eklatant galt die Geschlechterdifferenz auch im Wahlverhalten. Frauen wählten oft signifikant anders als Männer, am Anfang des Frauenwahlrechts jedoch mit genau umgekehrten Vorzeichen als später: Männer tendierten damals eher nach links, Frauen verorteten sich eher rechts der Mitte. Feministische Revolten, Debatten um die Antibabypille, die Familienrechtsreform und der aufkommende Selbstbestimmungswille drehte das in den 1970er-Jahren jedoch um: Frauen wählten eher SPÖ, ab ihrer Gründung 1986 auch die Grünen, Männer dafür eher ÖVP oder FPÖ.
Seither aber wurde das Wahlverhalten generell immer instabiler. Die „Lagermentalität“wurde von neuen Parteien (Liberales Forum, BZÖ, Team Stronach, Neos) erodiert, Vorhersehbarkeit wich Überraschungen – auch bei den Geschlechtern. „Der Unterschied zwischen Männern und Frauen ist nicht mehr signifikant“, sagt Meinungsforscher Peter Hajek. Anders in Deutschland, wo sich dieser seit 2017 umso deutlicher manifestiert. Ein Grund könnte in der Flüchtlingskrise und dem Aufstieg der türkisen Bewegung liegen, die Sebastian Kurz 2017 in eine türkis-blaue Regierung führte. Er verdankte den Erfolg auch dem „Umdrehen“der Frauen, die er, anders als ÖVP-Vorgänger, für sich gewinnen konnte. Bei der Salzburg-Wahl im Vorjahr gab es kaum noch Geschlechterdifferenzen: Die FPÖ, oft als Partei junger Männer konnotiert, punktete auch bei Frauen unter 30. Die damals 30-jährige Spitzenkandidatin Marlene Svazek symbolisiert diese Veränderung: Nicht nur die Wählerschaft der Blauen wird weiblicher, auch ihre Klubs und Gremien.
Frontfrau in Blau. Svazek ist dabei aber schon lang eine wichtige Personalreserve. Die Landeshauptmann-Stellvertreterin wird aktuell als blaue Kandidatin für ein Ministeramt gehandelt, obwohl sie das erst diese Woche bei einem Branchentalk in Abrede stellte. Im Vorjahr kündigte sie in der „Presse“an, nach Wien zu gehen, sollte sie Herbert Kickl bitten. Eine große Frauenauswahl hat er außerdem nicht: Svazek ist die einzige Frau an der Bundesparteispitze. Obwohl in drei Ländern acht Landesräte sitzen, gibt es nur noch eine zweite FPÖ-Frau in einem Regierungsamt: Susanne Rosenkranz ist in St. Pölten für Naturschutz zuständig. In der Proporzregierung in Linz sitzen zwei FPÖ-Männer, in Wien ein nicht amtsführender Stadtrat.
Ob man Frauen spezifischer fördern soll, wollte Svazek mit der „Presse am Sonntag“nicht besprechen. Rosenkranz betont, dass sie keinen Unterschied merke: „Du wirst gefördert, egal ob du eine Frau oder ein Mann bist“, sagt die Kremserin. „Das war für mich nie ein Thema, und das schätze ich auch an dieser Partei. Wer was kann, soll was werden.“Auch ohne Quote „oder besondere Förderung“. Sie selbst habe sich irgendwann gedacht, „nur zu Hause sitzen und sich aufbudln ist zu wenig“. Sie wolle „die Welt ein wenig besser machen. Das klingt wahnsinnig pathetisch, aber das spornt mich an.“
Im Vergleich aber fällt die FPÖ beim Frauenanteil weit ab. Im Bundesrat liegt der Anteil bei 30 Prozent, im Nationalrat ist er deutlich kleiner: Von 30 Abgeordneten
sind vier Frauen (13,3 Prozent). Damit liegt die FPÖ abgeschlagen auf dem letzten Platz in Bezug auf die Frauenquote. In den Landtagen sieht es ähnlich mager aus: Unter aktuell 67 Mandaten der FPÖ in ganz Österreich sind nur elf Frauen (16,4 Prozent). In Vorarlberg fällt das Verhältnis mit zwei von fünf Mandataren am weiblichsten aus. In den großen Klubs in Ober- (elf Mandate) und Niederösterreich (15) sitzen je zwei, in Kärnten und Salzburg ist es je eine von zehn, in Wien eine von neun. Im Burgenland ist der dreiköpfige Klub ein Männerklub.
Wie viele weibliche Mitglieder die FPÖ insgesamt hat, will sie offensichtlich nicht in Zahlen gegossen wissen: Auf Nachfrage in der Bundespartei wird auf Datenschutz und auf die Länder verwiesen, die wiederum auf den Bund verweisen. Die FPÖ Oberösterreich gibt konkrete Zahlen heraus: Von allen Mitgliedern sind laut Beantwortung der Landesgeschäftsstelle 29,9 Prozent weiblich, bei den Gemeinderäten sind es 19 Prozent. Laut Bundesrätin Andrea Michaela Schartel hat die Steiermark „über 43 Mandatarinnen“.
Die größte Gemeinde Österreichs mit einem blauen Ortschef ist Wels in Oberösterreich. Dort stellt mit Vizebürgermeisterin Christa Raggl-Mühlberger sogar die FPÖ die einzige Frau in der Stadtregierung, der sie seit 2014 angehört. Die Eigentümerin eines traditionsreichen Modegeschäfts wuchs laut eigenen Erzählungen in einem freiheitlichen Haus auf, weshalb sie sich schließlich für die FPÖ engagieren wollte. Bürgermeister Andreas Rabl (FPÖ) überredete sie 2009, für den Gemeinderat zu kandidieren. 2014 wurde sie Stadträtin, seit 2015 ist sie Vizebürgermeisterin.
Initiative freiheitlicher Frauen. Der Frauenanteil werde mehr, sagt Raggl-Mühlberger, „aber kann natürlich noch größer werden“. Um sich zu vernetzen, ist sie Mitglied der Initiative Freiheitlicher Frauen (IFF), die es in allen Bundesländern gibt. Das Freiheitliche Bildungsinstitut hat eine eigene „Frauen-Akademie“. In der Steiermark organisiert man, wie Landesvorsitzende Schartel informiert, Seminarreihen zu Rhetorik, Körpersprache, Medientrainings und Rechtlichem. IFF-Bundesvorsitzende ist Rosa Ecker, im FPÖ-Parlamentsklub für Familienagenden zuständig. Frauen seien in der FPÖ „sehr unterstützt und eingebunden“, sagt die Parlamentarierin. Die „harten Themen und die offenen Anfeindungen der politischen Mitbewerber, aber auch der Medien sind vielleicht für Frauen schwerer zu verdauen“. In der FPÖ aber sei das „kein Thema“. Weder im Nationalratsklub, noch auf Landesebene: „Politiker werden an ihrer Leistung gemessen, und die müssen Frauen und Männer gleichermaßen erbringen.“
Dennoch hört man aus den Gesprächen heraus, dass die Suche nach weiblichem Nachwuchs mitunter schwerfalle. Viele trauten sich nicht „in die erste Reihe“, argumentiert wird das mit CareArbeit, die sich nicht mit dem „Fulltime-Job“Politik vereinbaren lasse. Genau das aber gilt als Ideal der FPÖ: Das Modell Vater-Mutter-Kind wird im Parteiprogramm immer noch als „natürliche Keimzelle und Klammer für eine funktionierende Gesellschaft“forciert. In der Praxis in Oberösterreich und Salzburg sieht das dann so aus, dass Eltern (Mütter) einen Bonus bekommen, wenn sie ihre Kinder zu Hause betreuen. Auch in Niederösterreich wurde das überlegt. Der politische Gegner kritisiert das als „Herdprämie“. Eine solche gibt es aber jedoch auch im schwarzgrünen Vorarlberg. Und auch das FPÖParteiprogramm bekennt sich zur „Chancengleichheit von Männern und Frauen“. Quoten zur „Bevorzugung“werden aber „entschieden abgelehnt“.
Warum man überhaupt FPÖ-Politikerin wurde, wird auf ähnliche Weise erklärt. Auch Rosenkranz, verheiratet mit dem Volksanwalt und FPÖ-Präsidentschaftskandidaten Walter Rosenkranz, spricht von der FPÖ als einer, die „seit ich denken kann, die einzige Partei war, die ich unterstützt habe. Ich empfinde es so, dass die Freiheitlichen die Menschen in Ruhe lassen, aber nicht im Stich. Wir erklären ihnen nicht immer, was sie zu tun haben oder wie sie zu leben haben.“Gesellschaftspolitisch setze sie auf Heimat, Familie und Identität. Auch Raggl-Mühlberger verweist auf „traditionelle Werte“, aber „man kann bei einer Partei nicht alles unterschreiben“, sagt sie, die ihre Stadtpartei einer „gemäßigteren“FPÖ zuordnet. „Man muss sich die Bereiche herausnehmen, mit denen man sich identifiziert.“
»Das schätze ich auch an dieser Partei. Wer was kann, soll was werden.«
Die »Brachialsprache« an der Spitze sei etwas, »was wir Frauen weniger verwenden«.
Weiblicher Widerspruch. Das sind zuweilen andere, als die Chefs vorgeben. Denn, wenn deren Wortwahl besonders radikal wird, erfolgt zumeist weiblicher Widerspruch: Sie wolle auch nicht „Hexe“genannt werden, konterte Svazek auf Herbert Kickl, als dieser Leonore
Gewessler (Grüne) „Öko-Hexe“nannte. Sie meinte auch, dass FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl in seinem Denken „verunfallt“und „falsch abgebogen“sei, nachdem dieser Wiener Schülerinnen die Daseinsberechtigung abgesprochen hatte. „Selbstverständlich kann man mit Sprache sehr viel anrichten“, sagt Rosenkranz. „Es ist gefährlich, welche Stimmung sich da entwickelt.“Damit gemeint sind aber die politischen Gegner, etwa, wenn ein grüner Mandatar einen FPÖler als „Nazi“bezeichnet. Doch sind auch die Parteikollegen gemeint? „Ich meine alle“, sagt Rosenkranz. „Wir sollten die Aufregung aus der Politik herausbringen. Ich halte es für wichtig, Wahrheiten anzusprechen, ohne dass eine kollektive Schnappatmung anfängt.“
Raggl-Mühlberger wird deutlicher: Sie lehne es ab, dass Kickl zuletzt von einer westlichen „Endsieg-Mentalität“gegenüber Russland sprach. „Ich distanziere mich ganz klar von jeder Form des Rassismus und allem, was Menschenrechte beschneidet.“Die „Brachialsprache“sei etwas, „was wir Frauen weniger verwenden. Und was nicht gut ankommt.“