Wo Gewaltschutz verbessert wird und welche Lücken bleiben
Gewalt und das Thema der Femizide als Spitze eines Eisbergs überlagern auch heuer viele Debatten um den Frauentag. Passiert ist seit den Rekordhäufungen an Femiziden 2018 manches — aber nicht genug.
Es gibt an und um den Frauentag heuer ein Thema, das alles andere, was Frauen und Gleichstellung betrifft, fast überlagert: Gewalt. Schließlich ist der „schwarze Freitag“, an dem allein binnen 24 Stunden in Wien vier Frauen und ein Mädchen getötet wurden, nur wenige Tage her.
Am Freitag fand aus Protest ein „Schreitag“auf dem Wiener Minoritenplatz statt. Er sollte die Trauer und Wut über den gewaltsamen Tod dieser und vieler weiterer Frauen zum Ausdruck zu bringen. Denn seit 2018 wurden bereits 144 Femizide in Österreich begangen, ein „untragbarer Zustand“, heißt es vom Österreichischen Frauenring. Und: Jede Frau könne Opfer eines Femizids werden, unabhängig von Alter, Herkunft oder sozialem Stand. Frauen- und Gewaltschutzorganisationen appellieren nun dringend an die Regierung.
Während die für Frauen zuständige Ministerin Susanne Raab (ÖVP) zunächst meinte, sie wolle nicht in politischen Aktionismus verfallen, folgten am Donnerstag doch Ankündigungen: Das Innenministerium kündigte Schwerpunktaktionen im Rotlichtmilieu an, alle involvierten Player wie Frauenhäuser, Beratungseinrichtungen, Gewaltschutzzentren und Polizeidienststellen sollten noch stärker vernetzt werden.
Auch eine österreichweite Koordinierung, eine Strategie, soll entstehen. Eine genaue Analyse bisheriger Fälle soll helfen, diese zu erstellen. Details dazu sind aber offen. Das Gesundheitsministerium will Arztpraxen, oft Anlaufstellen für Gewaltbetroffene, stärker in die Sensibilisierung einbeziehen, das Innenministerium kündigte an, dass Koordinatoren für Gewaltschutz hauptamtlich arbeiten sollen. Zusätzlich sei eine eigene Analysestelle dazu im Bundeskriminalamt im Aufbau, auch die Zahl der spezialisierten Polizistinnen und Polizisten wird aufgestockt. Raab will auch die Mittel für die „Fachberatungsstellen für Sexdienstleisterinnen“um 51 Prozent aufstocken.
Aufschrei nach 2018. Die Forderungen nach mehr Gewaltschutz und die Debatte um Lücken im System sind seit 2018 ein Dauerthema. Damals, 2018, gab es einen Höchststand von 41 Morden an Frauen in Österreich. Ein Vergleich: 2014 wurden 19 Morde an Frauen gezählt, nicht halb so viele. Auch in den Jahren darauf blieb die Zahl hoch (2019: 39, 2020: 31, 2021: 36, 2022: 39). Und das ist die Spitze eines Eisbergs. Im Vorjahr, 2023, wurden laut Zählung des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser 28 Frauen ermordet, dazu kamen 51 Mordversuche bzw. Fälle schwerer Gewalt. 2024 kam es (bis Stand 27. Februar)
zu sieben Femiziden und neun Fällen schwerer Gewalt. 15.115 Betretungsverbote im Jahr 2023 oder 23.638 betreute Opfer familiärer Gewalt (2022) in Gewaltschutzzentren lassen erahnen, welche Dimension das Problem der Gewalt hat. Die Dunkelziffer dazu ist unbekannt.
Warum tut dagegen niemand etwas? Diese Frage wird, nebst Schuldzuweisungen, nach Häufungen von Fällen immer laut. Dabei wurde tatsächlich manches verbessert: Das Frauenbudget wurde von der aktuellen Regierung mehr als verdoppelt (2024 auf in Summe 33,6 Millionen Euro), der Großteil davon fließt in den Gewaltschutz. Auch das Sozialministerium hat das Budget für Gewaltprävention erhöht.
Die Polizei kann schärfer gegen Gefährder vorgehen: Das Betretungsverbot wurde mit Anfang 2020 zu einem Annäherungsverbot erweitert, damit darf sich der Gefährder der Betroffenen auf 100 Meter nicht nähern. Seit 2022 gilt mit Ausspruch eines Betretungs- und Annäherungsverbotes auch ein vorläufiges Waffenverbot.
Seit September 2021 müssen Personen, gegen die ein Betretungs- und Annäherungsverbot ausgesprochen wurde, verpflichtend an einer Beratung für Gewalttäter im Ausmaß von sechs Stunden teilnehmen. Auch Richter können verpflichtende Gewaltpräventionsberatung anordnen. Aufgestockt wurden auch Mittel für Opferhilfe oder für die psychosoziale und juristische Prozessbegleitung. Und 2020 wurden die sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen in Hochrisikofällen wieder eingeführt.
In Arbeit ist die Einrichtung von Gewaltambulanzen, diese sollen flächendeckend die Möglichkeit bieten, dass Gewaltbetroffene sich untersuchen lassen und Beweise gerichtsfest dokumentiert werden. Pilotprojekte dazu, etwa in Graz, laufen.
Genug ist das nicht, kritisieren Frauen- und Gewaltschutz-NGOs. Während etwa die Gewaltschutzzentren die Ankündigung eines nachhaltigen Gesamtkonzepts ebenso wie die Ankündigung der detaillierten Fallanalysen begrüßten, kritisiert der Frauenring, hier blieben noch zu viele Fragen offen: Etwa: „Was passiert mit gefährlichen Tätern, die noch keine Anzeige haben oder auf freiem Fuß angezeigt werden und nicht in U-Haft kommen? Wie können Frauen in dieser Zeit verstärkt geschützt werden? Welche Programme gibt es für mitbetroffene Kinder und Angehörige, die etwa Femizide mitansehen müssen? Welche Maßnahmen werden gesetzt, um die Verurteilungsrate zu erhöhen und die Einstellung der Anzeigen zu reduzieren?“, so Maria Rösslhumer, stellvertretende Vorsitzende des Frauenrings.