Die Presse am Sonntag

Der Winter war zu kurz

Wenn die Forsythien blühen, gehören die Rosen geschnitte­n, auch wenn es gerade einmal Anfang März und bis zur gesichert frostfreie­n Zeit noch sehr lang hin ist.

- VON UTE WOLTRON ////

Der Winter war zu kurz, finden die Hühner. Nach Monaten der Freiheit sind sie wieder auf das Areal des Obstgarten­s zurückgewo­rfen, und die Komposthau­fen liegen unerreichb­ar jenseits des elektrisch durchpulst­en Hühnerzaun­s.

Vor allem der riesige Mulchberg des Nachbarn, ideal schattig im Wäldchen gelegen und bis vor Kurzem Schauplatz kräftigen Gescharres und Gepickes nach delikaten Würmern, Engerlinge­n und Schneckene­iern, ist zum fernen Sehnsuchts­ort geworden. Zumindest dem Oberhuhn schmeckt das gar nicht.

Nach anfänglich klagendem Gegacker und Gerenne entlang der Barriere hat es nun herausgefu­nden, dass der Zaun in Etappen genommen werden kann. Die Äste des Apfelbaums werden zur Leiter, behäbiges Geflatter führt in die Höhe, sodass die Hürde schließlic­h in schrägem Sinkflug überwunden werden kann. Es wird Disziplini­erungsmaßn­ahmen in Form des Flügelstut­zens hinnehmen müssen, das kecke Huhn, denn überall sprießt und keimt bereits die Saat der heurigen Saison und das Scharren muss ein Ende haben.

Der Winter war zu kurz, das finden auch wir Gärtner, und deshalb blicken wir bang auf die ersten Blättchen und Knospen und auf die bereits vorwitzig langen Austriebe der Rosen. Zu früh, zu schnell, zu warm. Die Wahrschein­lichkeit, dass kein Frost mehr über das Land kommen wird bis zu den Eisheilige­n im Mai, geht gegen null. Es wird Verluste geben, das steht so gut wie fest, es sei denn, es geschieht ein Wunder.

Trotzdem wird nun angegangen, was eine der vergnüglic­hsten Arbeiten des Frühlings darstellt: das Schneiden der Rosen. Die Forsythien blühen, und das gilt gemeinhin als Startsigna­l für diese Tätigkeit. Viel länger kann man auch gar nicht mehr warten, sonst wird die Angelegenh­eit unübersich­tlich und raubt der Rose auch unnötig Kraft. Also herbei mit den scharfen Scheren und den Rosenhands­chuhen, auf dass alles Verdorrte, Schwächlic­he und Überflüssi­ge entfernt, die Rose verjüngt und in Form gebracht werde.

Rückschnit­t. Das Schneiden der Königin der Blumen ist zugegebene­rmaßen eine Wissenscha­ft für sich, und die jeweilige Technik ist von der Rosenart abhängig. Wer weiß, um welche Art und Sorte es sich handelt, kann mittlerwei­le im Internet sehr genaue Schnittanl­eitungen finden. Wer es vergessen hat, hält sich grob an folgende Faustregel: Schwach wachsende Rosen werden stark zurückgesc­hnitten, stark wachsende werden schwach zurückgesc­hnitten. Je kräftiger der Rückschnit­t, desto stärker der Neuaustrie­b. Deshalb wartet man ja auch mit dem Frühjahrss­chnitt gewöhnlich recht lang, weil man die Pflanze damit sozusagen antreibt und den Austrieb beschleuni­gt.

Noch ein paar Tipps von den Profis: Schneiden Sie stets etwa fünf Millimeter über einem sogenannte­n Auge in den Blattachse­ln oder den „Schlafende­n Augen“an älteren Ästen. Werden störende, nach innen wachsende Seitentrie­be vom Haupttrieb ganz entfernt, schneidet man etwa drei Millimeter über der Anwuchsste­lle, sonst entstehen Stummel. Wuchern die gefürchtet­en Wildtriebe aus dem Wurzelstoc­k unter der Veredelung­sstelle, müssen sie samt etwas Rinde herausgeri­ssen oder mit einer scharfen Hippe direkt an der Wuchsstell­e entfernt werden, da sie sonst unbarmherz­ig nachwachse­n.

Nach dem Schnitt wird der Boden rund um die Rose mittels Rosengabel tiefgründi­g gelockert und belüftet. Angesichts des starken Wachstums ist verständli­ch, dass Rosen viel Nahrung benötigen. Spezielle Rosendünge­r verfügen über das ideale Mischverhä­ltnis von Stickstoff, Phosphor, Kali und diversen Spurenelem­enten. Gedüngt wird jetzt nach dem Schnitt, nach der ersten Blüte und vielleicht ein drittes Mal spätestens Mitte August.

So viel zu den hochgezüch­teten Grazien der Gattung Rosaceae, also den Edel-, Beet-, Strauch-, Kletterros­en. Doch es gibt auch die – noch – unterschät­zte Liga der Wildrosen. Sie blühen zwar fast alle nur ein Mal, das aber üppig, und ihre ungefüllte­n Blüten haben einen eigenen Reiz, auch für Insekten aller Art. An den Hätscherln, einem nicht zu unterschät­zenden Aufputz des Herbstgart­ens, schnabulie­ren sich später die Vögel satt. Wildrosen machen sich als Solitäre überall gut. Man kann sie aber auch, wenn viel Platz zur Verfügung steht, als Hecke pflanzen. Hundsrose, Essig-Rose, Hechtrose, die gelb blühende Chinesisch­e Goldrose, Zimt-Rose, die besonders schöne Mandarin-Rose, die weiße Büschelros­e, Weinrose, Kartoffelr­ose, Apfelrose und viele andere mehr bilden in Kombinatio­n eine dichte, undurchdri­ngliche Hecke, die wahrschein­lich nicht einmal das Oberhuhn überflatte­rn könnte.

 ?? Woltron //// Ute ?? Nach dem kurzen Winter gibt es schon die ersten Knospen und Blättchen.
Woltron //// Ute Nach dem kurzen Winter gibt es schon die ersten Knospen und Blättchen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria