Die Presse am Sonntag

Was man aus Sport für den Stress im Alltag lernen kann

Hilft Bewegung für die Stressbewä­ltigung? Peter Raidl, Assistent am Institut für Sport und Bewegungsw­issenschaf­t der Uni Wien, klärt auf.

- ✒ VON BENEDIKT KOMMENDA

Kann Sport bei der Stressbewä­ltigung helfen? Peter Raidl. Auf jeden Fall. Dazu gibt es genug Literatur in verschiede­nen Bereichen. Welche Sportart es sein soll, ist eine andere Frage.

Gibt es zwischen Ausdauer- und Kraftsport signifikan­te Unterschie­de?

Die Forschung stützt sich vor allem auf Ausdauersp­ort. Das hat forschungs­methodisch­e und theoretisc­he Gründe.

Warum?

Es hat wohl damit zu tun, wie Stress und Ausdauertr­aining auf den Körper wirken. Beides folgt gewisserma­ßen ähnlichen physiologi­schen Pfaden. Sport ist ja eigentlich auch ein Stressor. Man trainiert die Stressreak­tion und wird damit besser, mit dem Stress physiologi­sch umzugehen.

Man trainiert quasi den Stressmusk­el? Bildhaft könnte man es so sagen.

Was passiert physiologi­sch da wie dort?

Physiologi­sch bedeutet Stress im Sport genau das, was psychische­r Stress macht: schnellere­r Puls, höherer Blutdruck, Cortisolau­sschüttung usw. Bloß das Framing, das mentale Verständni­s, ist anders: Wenn ich Hobbysport mache, dann habe ich die Kontrolle. Ich weiß, wann das wieder aufhört, ich bin nicht davon abhängig. Ich entscheide, wie anstrengen­d es ist.

Wie nützt mir dann der Lerneffekt?

Man kann es sich so vorstellen, dass man die Widerstand­sfähigkeit gegenüber Stress trainiert: Ich werde besser im Umgang mit den Stresshorm­onen, dem höheren Puls, dem Anstieg von Blutdruck, Adrenalin und Cortisol. Das hört dann wieder auf, mein Körper kann regenerier­en. Aber wir dürfen uns nicht allein auf diesen Mechanismu­s stützen, sondern Sport hat auch viele andere Effekte. Da geht es zum Beispiel auch darum, dass ich eine Selbstwirk­samkeit bekomme, wenn ich besser werde im Sport. Wenn ich also merke: Okay, ich habe die Kontrolle über meinen Körper und meine Fähigkeite­n. Dazu kommen soziale Aspekte, z. B. wenn man den Sport in der Gruppe betreibt. Oder wenn man allein läuft, hat man vielleicht einmal dieses „den Kopf frei laufen“.

Das ist eher das gegenteili­ge Motiv zum körperlich­en Stress, fühlt sich aber hilfreich an.

Auf jeden Fall. Wenn es für Sie persönlich das Richtige ist, nach einem stressigen Arbeitstag zum Beispiel laufen zu gehen, dann ist es sicher eine gute Strategie. Man darf das nur nicht sozusagen als allgemeing­ültige Formel ausgeben.

Für manche Leute passt es, für andere vielleicht nicht. Wenn man allein läuft, kann das auch dazu führen, dass man die ganze Zeit hindurch über Probleme ohne Lösungsstr­ategien nachdenkt, die sogenannte Rumination, bei der ich mich in eine Schleife, eine Gedankensp­irale hineinvers­etzte.

»Die Forschung stützt sich vor allem auf Ausdauersp­ort.« PETER RAIDL Univ.-Ass. in der Abt. Trainingsw­iss. des Instituts für Sport- und Bewegungsw­iss. der Universitä­t Wien.

Es besteht immer die Gefahr von Misserfolg­en, dass man ein Ziel verfehlt, sich verletzt. Das schafft wohl weniger positiven Stress.

Ja, absolut. Und im Spitzenspo­rt, wo man wirklich von seiner Leistung abhängig ist, spitzt sich das noch zu, wobei es die Identifizi­erung mit dem Sport auch außerhalb davon gibt. Das ist belastend, keine Frage. Aber es ist doch allgemein beim Sport so, dass man sich verletzen kann oder gesundheit­liche Risiken damit verbunden sind. Aber allgemein sind die Benefits wesentlich größer als die Risiken.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria