Wie Österreichs Wohnkrise zur Leistbarkeitskrise wurde
Die toxische Dependenz zwischen Immobilienpreisen, Zinsen und Löhnen sorgt dafür, dass Wohneigentum für viele zu teuer ist. Das Regierungspaket soll es wieder leistbar machen.
Will man von steigenden Mieten unabhängig sein, kauft man sich ein Eigenheim. Leistbar ist das für viele selbst mit jahrelanger Sparsamkeit nicht mehr. Horrende Immobilienpreise, hohe Zinsen und strenge Kreditvergabestandards sorgen für eine Leistbarkeitskrise auf dem Immobilienmarkt.
Die Folge: Das Volumen neu vergebener Immobilienkredite an private Haushalte ist seit August 2022 um 60 Prozent eingebrochen, die Zahl der Baugenehmigungen lag 2023 um 40 Prozent unter dem Niveau des Jahres 2021. Damit bricht die Wohnbauleistung deutlich drastischer ein als in ganz Europa. Hier lag der Rückgang nur bei etwa 15 Prozent seit dem Frühjahr 2022. Dennoch bleibt die grundsätzliche Nachfrage nach zusätzlichem Wohnraum weiterhin vorhanden. „Allein 2022 und 2023 ergab sich aufgrund des Bevölkerungswachstums österreichweit ein zusätzlicher Bedarf nach gut 80.000 Wohneinheiten“, sagt RBI-Analyst Matthias Reith.
Doch der Eigentumserwerb ist deutlich schwieriger geworden. Das zeigt eine Auswertung des AgendaAustria-Ökonomen Dénes Kucsera. Für eine 65 m2 große Wohnung musste man vor zwanzig Jahren ungefähr vier Jahresnettoeinkommen ausgeben. 2022 waren es schon mehr als sieben Jahreseinkommen. Gleichzeitig haben sich die Kosten für kreditfinanziertes Eigentum in Wien zwischen 2004 und 2022 mehr als verdoppelt. Das liege vor allem an den ruckartig angestiegenen Zinsen, sagt Kucsera. Zuletzt wurde es allerdings wieder etwas leistbarer. Grund dafür sind die Lohnerhöhungen.
Der Haken: Sollten die Einkommen weiter steigen und die Zinsen künftig sinken, könnten die Immobilienpreise wieder in die Höhe klettern. Um diese Abhängigkeit aufzulösen, brauche es laut Kucsera Anreize, um neuen Wohnraum zu schaffen. Doch einfach Geld dem Bausektor zu schenken, sieht er kritisch. Die Branche habe einen jahrelangen Boom erlebt und sollte eigentlich im Stande sein, eine Minitalfahrt der Wirtschaft zu überstehen. Anderseits sieht er auch zu wenig Eigenverantwortung bei den Haus- und Wohnungskäufern selbst, die die Niedrigzinsphase nicht genutzt haben. Zu viele Kredite seien variabel finanziert und sind nun mit höheren Zinsen deutlich teurer geworden.
So rückte das Thema in den Fokus der politischen Debatte. Diese sei angesichts der Wahlen mitunter auch sehr populistisch geprägt, sagt Reith. Die Regierung präsentierte am 27. Februar ein zeitlich befristetes Baukonjunkturpaket. „Die Maßnahmen setzen richtigerweise nicht direkt bei der Bauwirtschaft an, sondern richten den Fokus darauf, leistbaren Wohnraum zu schaffen bzw. mehr Haushalte in die Lage zu versetzen, trotz Zinswende Eigentum zu erwerben“, so der RBI-Analyst. Er prognostiziert, dass Wohneigentum in den nächsten Jahren ganz automatisch wieder leistbarer wird. Grund dafür seien sinkende Zinsen und Immobilienpreise, aber insbesondere die deutlichen Einkommensanstiege. „Bis es allerdings so weit ist, können Unterstützungen mit Ablaufdatum eine Brücke bauen.“