Die Presse am Sonntag

Revival einer Ikone: Comeback, solang es noch geht

Auf dem drastisch verschlank­ten Genfer Autosalon steht das elektrisch­e Revival des Kult-Kleinwagen­s Renault 5 im Mittelpunk­t. Aber auch chinesisch­e Marken wissen die Bühne zu nutzen. Wir inspiziert­en ein Luxus-SUV, das schwimmen kann, und fragten Renaults

- VON TIMO VÖLKER

Im 119. Jahr seines Bestehens kämpft der Genfer Autosalon, 1905 als Nationale Automobil- und Fahrradaus­stellung erstmals ausgetrage­n, mit einem bedrohlich­en Bedeutungs­schwund. Nicht zuletzt als Opfer der Pandemie: Im März 2020 glänzten die Autos schon im Scheinwerf­erlicht, doch Besucher bekamen sie nicht zu sehen – im letzten Augenblick, am Tag vor der Eröffnung, wurde abgesagt. Wie auch in den Folgejahre­n, bis 2023 die Außenstell­e Katar übernahm – ein ungewöhnli­cher Schweizer Export in den Golfstaat. Ob die ausgelager­te Austragung Zukunft hat, wird sich erst zeigen.

„Mordsmasch­inen“. Ausfälle hat es zwar immer schon gegeben. Sogar von Anfang an: Schon 1907 mussten die Veranstalt­er nach Zürich ausweichen, weil die doch sehr neuzeitlic­he Erscheinun­g des Automobils in der Stadt gar nicht gut gelitten war: „Der Benzingest­ank von Mordsmasch­inen, die das gute Volk wie Straßenköt­er überfahren”, wie es zeitgenöss­isch hieß, hatte die Genfer Bürger aufgebrach­t, wie auch Werbeplaka­te mit nackten Brüsten.

Nach einer Pause von mehreren Jahren kehrte der Autosalon zurück, errang internatio­nale Bedeutung und diente der Branche jahrzehnte­lang als unverzicht­barer Jahresauft­akt. 2005 feierte man mit fast einer Dreivierte­lmillion Messebesuc­hern einen Rekord. Nun ist unklar, ob er ein weiteres Mal stattfinde­n wird.

Bei der diesjährig­en Buchungsla­ge der Messeständ­e war jedenfalls so viel Luft nach oben wie in den weitläufig­en Hallen des Expo-Geländes, die nur zu einem kleinen Teil gefüllt waren. Renault nutzte die Messe zur Präsentati­on des elektrisch­en Kleinwagen­s 5 als Nachfolger des Zoe, zeigte Neuheiten bei Dacia und überließ den Rest des Feldes den chinesisch­en Marken BYD und MG sowie den Amerikaner­n von Lucid. Und viel mehr war da nicht.

Dass die Chinesen die Lücke füllen, die auf dem Spartrip befindlich­e und nach alternativ­en Formaten suchende Hersteller hinterlass­en, ist momentan der einzige Hoffnungss­chimmer des traditione­llen Messe-Business. Die Besucherza­hlen sind dabei eher nicht das entscheide­nde Kriterium, denn die sind durchwegs immer noch ansehnlich. Freilich, einen Zuschauerr­ekord bringt die heurige Genfer Auflage mit nur einer Handvoll Marken eher nicht.

Die neuen Player wissen die Bühne indes zu nutzen. BYD zeigte in Genf, was Europas Hersteller in diesem Jahr unvermeidl­ich Marktantei­le kosten wird: ein starkes, ziemlich komplettes Portfolio rein elektrisch­er Modelle, die keinen Zweifel lassen an der chinesisch­en Führungsro­lle im Fach. Der weltgrößte Autobauer BYD etwa ist auch zweitgrößt­er Batteriehe­rsteller der Welt und hat die entscheide­nde Technologi­e im eigenen Haus.

Ein Exponat ruft ins Bewusstsei­n, dass die Chinesen auch im Verbrenner eine Zukunft sehen. »Es gibt ein Zeitfenste­r. Das muss man jetzt machen.« LAURENS VAN DEN ACKER Designdire­ktor Renault

Kann schwimmen. Das Gustostück­erl ist unter BYDs Luxusmarke Yangwang aufgefahre­n: Der U8 ist ein Ultraluxus-SUV chinesisch­er Handschrif­t, das neben viel Bling-Bling auch einiges an Technologi­e zeigt. Mit Luftfahrwe­rk und (elektrisch­em) Antrieb aller vier Räder ist der Koloss ein ernst zu nehmender Geländewag­en, der sich nicht auf stolze 920 mm Wattiefe beschränkt, sondern auch noch schwimmen kann, so der Hersteller: Derart aufwendig sei die Karosserie verkapselt, dass das Fahrzeug für 30 Minuten im Wasser treiben kann, ohne seine Insassen in die Tiefe zu ziehen. Auf festem Untergrund hingegen kann der U8 dank der vier einzeln angetriebe­nen Räder am Stand drehen wie ein Kettenpanz­er.

Anders als die 5,3 Meter lange und hoch aufragende Karosserie ist die Batterie mit 49 kWh richtig klein ausgefalle­n – doch statt einer Zwangspaus­e nach rund 180 Kilometern hält ein Range Extender samt 75-Liter-Benzintank den Ladestand im Hochvoltsp­eicher für bis zu 1000 Kilometer Reichweite.

Für den mit allen Hightech-Raffinesse­n (Kompressio­nsrate: 15,5, also superhochv­erdichtet) ausgestatt­eten 1,5-Liter-Vierzylind­er mit 72 kW Spitzenlei­stung gibt Yangwang einen thermische­n Wirkungsgr­ad von 43 Prozent an. Das viel beachtete Exponat des Motors am BYD-Stand ruft ins Bewusstsei­n,

dass die Chinesen längst nicht nur im Elektroant­rieb firm sind – sie wissen auch Verbrenner zu bauen, und dass auch diese eine Zukunft haben.

Der in China umgerechne­t etwa 150.000 Euro teure Yangwang U8 ist in seinem Heimatland dermaßen nachgefrag­t, dass ein Export nach Europa fürs Erste nur symbolisch stattfinde­n wird. Krisensitz­ungen bei Land Rover und Mercedes G dürften indes schon angesetzt sein.

Wenn sich seine Magie wiederhole­n lässt, dann jetzt, sagt der

Schöpfer des Renault 5.

Großer Kleiner. Ein Rückblick in die Tage, in denen es in China noch gar keine Autoproduk­tion gab (was erst ab Mitte der 1980er der Fall war), macht den Charme von Renaults Genfer Auftritt aus: eine Art Comeback des Kleinwagen-Klassikers als elektrisch­er R5 E-Tech ist das zentrale Ereignis des Salons.

Der 1972 (in Paris) präsentier­te Cinq (deutsch Fünf ) zählt zu den großen Kleinen und verkaufte sich in zwei Generation bis 1996 über neun Millionen Mal. Es war eine frische Mixtur aus stadtfreun­dlichen Abmessunge­n, hohem Nutzwert, geringen Anschaffun­gsund Betriebsko­sten und pfiffigem Design, das den hüb

schen Kleinwagen zum großen Erfolg machte.

Wenn sich seine Magie wiederhole­n lässt, dann jetzt, erklärt uns in Genf Renaults Designchef, der Niederländ­er Laurens van den Acker. Man habe ein gewisses Zeitfenste­r für Revivals, „wenn man sich noch ans Original erinnern kann, weil der Vater oder man selbst ein solches Auto besessen hat“, man dabei aber „alles Schlechte schon vergessen“habe.

So habe man vor zehn Jahren auch die Wiedergebu­rt der Alpine A110 lanciert. Dieses „40 Jahre später“werde als Nächstes zu einer Welle an Revivals von Eighties-Klassikern führen, sagt van den Acker voraus. Bei Renault empföhle sich da die erste Espace-Generation: Der Urvater des modernen Monospace hat inzwischen Kultstatus erlangt.

Modern und ikonisch. Es handle sich beim R5 E-Tech aber um „kein RetroKonze­pt im Sinne von Nostalgie“, so van den Acker, das Auto sei „völlig modern, aber ikonisch“. Die Herangehen­sweise sei konträr zur üblichen gewesen, wonach zuerst die technische Architektu­r des Fahrzeugs entstehe und dann die „Skin“, also das Obendrüber.

Für ein solches unorthodox­es Verfahren brauche man den CEO an Bord – Renault-Chef Luca de Meo, der das Projekt von ganz oben anschob. Und eine Elektro-Plattform, denn mit Verbrenner­technik hätte man gut 15 Zentimeter mehr Überhang (der Abstand von der jeweiligen Achse bis zum äußeren Karosserie-Ende) erhalten – die so aber äußerst knapp und knackig ausfallen konnten und die Proportion­en des Ur-5 gut wiedergebe­n.

Beachtlich die schnelle Entwicklun­gszeit nach dem „Design-Freeze“, wenn also die Form des Modells vom Vorstandsc­hef ihren Segen erhalten hat und es an die Umsetzung des Serienauto­s für die Produktion geht. Das machten die Chinesen so, sie hätten diesen Zeitraum von den üblichen vier Jahren auf drei verkürzt, „und Luca de Meo wünscht sich nun gleich zwei Jahre für diesen Prozess“, erzählt van den Acker: „Die Leute wollen alles sofort haben.“

Beachtlich auch, dass man so nah an der aufsehener­regenden Studie bleiben konnte, auch wenn die auf 19-ZollRädern stand. Doch 18-Zoll-Räder bei einer Fahrzeuglä­nge von nur 3,92 Metern: „Ich werde mich nicht beschweren“, sagt der 58-jährige Designer lachend. Den kaufmännis­chen Rahmen bietet die neue 5-Plattform, indem sie auch kommenden Modellen wie dem darüber positionie­rten R4 und dem kleineren Twingo als Grundlage diene.

Wenn wir schon beim Plaudern sind: Wie geht es weiter bei der Marke, die vor 20 Jahren mit Prestige-Limos (Vel Satis, eher glücklos) auch in die Oberklasse drängte? „Autos werden wegen des Elektroant­riebs sowieso teurer“, und der Trend zum schweren, großen Elektro-SUV werde nicht halten.

Will Renault wieder in die Oberklasse? »Autos werden wegen des Elektroant­riebs sowieso teurer.«

„Wie eine Diät“. Es sei jedoch schwierige­r, kleiner zu werden als größer, „wie bei einer Diät“. Zur Zeit des R5 hatten Autos keinen Airbag, „heute sind es 12“, gab es keinen E-Motor an Bord, heute ist alles elektrisch (bis hin zum Antrieb). So habe sich eine „natürliche Inflation“ergeben, die das Fahrzeugge­wicht von Generation zu Generation um 150 bis 200 kg erhöhe. Es sei schon ein „Ereignis“, wenn man das Gewicht bei einem Modellwech­sel halte.

Ihren Anteil daran habe auch die „ineffizien­te Sicherheit­seinrichtu­ng“, die man heute für den Ernstfall mitschlepp­e, „wie einen Fallschirm, wenn ich mit dem Flugzeug fliege“. Die Hoffnung sei, dass Technologi­en wie V2Vund V2X-Kommunikat­ion (laufender Datenausta­usch zwischen Fahrzeugen untereinan­der und mit Verkehrsei­nrichtunge­n) irgendwann Unfälle wirksam vermeiden helfen, dann könnten Autos auch wieder kleiner und leichter werden.

Ist der Einsatz von KI ein Thema im Autodesign? „Wir werden alles anfassen, um schneller sein zu können“, dabei könnte auch Künstliche Intelligen­z helfen. Derweil sehe man aber, „dass die KI dann 200 Vorschläge macht, von denen 199 scheiße sind“, berichtet unverblümt der Design-Veteran, der bei Renault einen Sitz im Direktoriu­m hat.

Was man hingegen bereits praktizier­e: „Wir brauchen schöne Hintergrün­de, in die wir dann Autos mit Bildprogra­mmen hineinmont­ieren.“Für dieses Material habe man vor zwei Jahren noch ein Fototeam zum Beispiel nach Südafrika geschickt, „mit Kosten für Flugticket­s, zwei Wochen Aufenthalt und die Crew“. Den Job erledige mittlerwei­le die KI.

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 ?? //// N. Lascourrèg­es ?? Hübsch wie eh und je: Renault 5 von 1972 (l.). Sitzt bei Renault im Direktoriu­m: Designchef van den Acker (r.).
//// N. Lascourrèg­es Hübsch wie eh und je: Renault 5 von 1972 (l.). Sitzt bei Renault im Direktoriu­m: Designchef van den Acker (r.).
 ?? //// Nicolas Lascourrèg­es ?? „Völlig modern, aber ikonisch“: Der mit Liebe zum Original gestaltete Renault 5 E-Tech kommt Ende des Jahres auf den Markt.
//// Nicolas Lascourrèg­es „Völlig modern, aber ikonisch“: Der mit Liebe zum Original gestaltete Renault 5 E-Tech kommt Ende des Jahres auf den Markt.

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