Die schwere Hütteldorfer Imagekorrektur
Wie reagieren Klub und Sponsoren auf den Homophobie-Skandal im Derby? Ein Autopartner beendet die Zusammenarbeit, am Montag liefert der Fußballklub seine Stellungnahme bei der Liga ab. Gegen Lustenau werden über 17.000 Zuschauer erwartet.
Wien. Der Unmut nach dem 342. Wiener Derby verliert nicht an Fahrt. Die Beschimpfung durch Geschäftsführer Steffen Hofmann und das homophobe Gegröle eines Cotrainers wie mehrerer Spieler hinterließen ein quälendes Nachhallen in Hütteldorf. Sieg und Vision, mit einem weiteren Erfolg heute gegen Lustenau in die Meistergruppe einzuziehen, sind beinahe nebensächlich geworden. Österreichs populärster Verein erlitt einen kapitalen Imageschaden und muss Maßnahmen setzen, um zu garantieren, dass sich solch Verfehlungen nicht wiederholen.
Klubpräsident Alexander Wrabetz ist dringend um transparente Aufarbeitung dieser Causa bemüht. Nach der Anzeige durch die Bundesliga gegen Cotrainer Stefan Kulovits und fünf Spieler läuft die Frist zur Stellungnahme beim Senat eins zwar bis Mittwoch, der Ex-ORF-General will jedoch schon am Montag im Zuge des Lizenzierungsverfahrens schriftlich Stellung beziehen und am gleichen Tag auch vom Recht der Anhörung Gebrauch machen. Ob im Zuge dessen auch gleich ein Urteil fällt? Harte Strafen, von Sperren bis Punktabzügen, stehen im Raum.
Die Werte von Rapid? Dass sich Sportminister Werner Kogler in dieser Angelegenheit so offensiv zu Wort gemeldet und u. a. Sponsor Wien Energie zum Handeln aufgefordert hat, hört man, soll im Westen Wiens mit Verwunderung wahrgenommen worden sein. Michael Strebl, Vorsitzender bei Wien Energie, verlangt jedenfalls „konkrete Maßnahmen, um die Einhaltung der Werte des SK Rapid durch Funktionäre und Spieler zu gewährleisten und weiteres Fehlverhalten zu verhindern“. Die gefallenen Aussagen seien gesamtgesellschaftlich zu verurteilen, hätten „massiv negativen Einfluss“auf Österreichs Fußball, und damit auch für sein Unternehmen. Ein Partner, MVC Motors,
zog bereits die Konsequenz. Die Begründung lässt keinen Zweifel offen: „Die unangemessenen Äußerungen einiger Rapid-Vertreter widersprechen unseren Unternehmenswerten.“
Rapid muss bei der Anhörung „vorlegen“. Ein „Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung von Homophobie und Sexismus“wird präsentiert, weil die Thematik „heikel“sei, wollten weder Wrabetz noch der Verein auf „Presse“Anfrage darauf näher eingehen. „Aus Respekt vor dem laufenden Verfahren“bat man um Verständnis.
„Fußball für alle“. Um gegen Diskriminierung vorzugehen, haben ÖFB und Bundesliga vor Jahren die Ombudsstelle „Fußball für alle“eingerichtet. Ombudsmann
ist der offen schwule Fußballer Oliver Egger. „Ich werde so oft gefragt, warum sich sich nicht weitere Fußballer outen. Solche Videos wie die aus dem Wiener Derby sind die perfekte Antwort darauf. Weil der Fußball noch immer keine Atmosphäre geschaffen hat, wo sich alle willkommen fühlen.“
Dass Nationalteamspieler und ein Cotrainer derart aus der Spur liefen mit ihrem Gegröle, sei irritierend und „niederträchtig“. Ob Workshops, Sozialstunden, Katalog, Strafen – es bedürfe eines Umdenkens.
Die homophoben Ausfälle werfen einen Schatten, auch auf die Partie gegen Lustenau. Man habe das „Thema extrem ernst genommen“, erklärte Geschäftsführer Sport Markus Katzer, der mit dem Trainer versucht habe, den Vorfall aufzuarbeiten, um die sportliche Arbeit nicht überrollt zu sehen. „Wir werden alles dafür tun, dass so etwas nicht mehr vorkommt. Aber, wir haben auch einen sportlichen Auftrag und der lautet ganz klar, gegen Lustenau drei Punkte zu holen.“
Robert Klauß, der Deutsche (39), ist erst seit sieben Spielen in Hütteldorf. Er ließ zu seinen Gesprächen mit den Betroffenen nichts durchblicken. Nur so viel: „Man muss klar differenzieren zwischen dem Verhalten einer Person und deren Charaktereigenschaften. Das Verhalten war unwürdig, nicht zu tolerieren und schwer zu entschuldigen. Aber über den Charakter sollte man nicht vorschnell urteilen.“Nachdem die Causa weder kleingeredet und „keinesfalls bagatellisiert“werde, müsse er auch darauf schauen, dass Tore fallen.
Trainer Klauß: »Das Verhalten war unwürdig, nicht zu tolerieren und schwer zu entschuldigen.«
Ungebrochener Fanzuspruch. Im Moment tüftelt der 39-Jährige vor allem an einer Lösung gegen Lustenaus Defensivtaktik. In den vergangenen Partien bekam es Rapid mit Gegnern zu tun, die selbst im Spiel nach vorn aktiv wurden, nun müsse man den Gegner „herauslocken“. Unter seiner Führung feierte Rapid in sieben Pflichtspielen fünf Siege.
Für das Lustenau-Match waren bis Samstagmittag über 17.000 Tickets abgesetzt. Katzer mahnte Stadionbesucher ob des nahen Urteils zur Vorsicht. Ein Fehltritt wäre folgenschwer.