Optimisten leben länger
Zwei Harvard-Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen einer positiven Lebenseinstellung und dem Erreichen eines hohen Alters. Optimisten erholen sich leichter von Stresssituationen.
Von einem 93-Jährigen Optimismus zu erwarten, ist ein bisschen viel verlangt“, lautet ein Bonmot des früheren deutschen Bundeskanzlers Helmut Schmidt. Neue Harvard-Studien belegen inzwischen allerdings, dass der spätere Mitherausgeber der „Zeit“damit vielleicht ein wenig danebenlag. Denn die US-Universität hat in zwei großen Studien belegt, dass es einen Zusammenhang zwischen einer optimistischen Haltung und dem Erreichen eines hohen Alters bei besserer Gesundheit gibt.
In der ersten Studie wurden 2019 Männer und Frauen untersucht, die alle aus ähnlichen sozioökonomischen und ethnischen Gruppen stammten. Um herauszufinden, ob die Ergebnisse gleichbleiben, wenn man die Untersuchung über diese Faktoren hinaus ausweitet, hat ein Team um Hayami K. Koga von der Fakultät der Sozial- und Verhaltenswissenschaften eine zweite Untersuchung gestartet, bei denen die Daten von Frauen unterschiedlicher Ethnien in den USA ausgewertet wurden. Was Koga die Ehre der meistzitierten Studie des Jahres 2023 einbrachte – vermutlich auch deshalb, weil die Schlagzeilen lauteten: „Optimistische Frauen leben länger“. Das ist zwar nicht falsch, aber irreführend, da die Untersuchung männlicher Probanden über ethnische Grenzen hinweg noch aussteht, bis die Mittel dafür vorhanden sind.
Nachdem sich die Ergebnisse der ersten beiden Studien aber gleichen und keine signifikanten Unterschiede bei Frauen mit lateinamerikanischem und asiatischem Migrationshintergrund sowie in der afroamerikanischen und kaukasischen Bevölkerung aufgezeigt haben, werden bei einer Studie mit Männern hier keine allzu großen Abweichungen erwartet.
Bei den fast 160.000 Untersuchten zeigen sich ähnliche Ergebnisse: Je optimistischer sie sind, desto älter wurden sie – je nach Ausprägung der Zuversicht lebten die Frauen um fünf bis elf Prozent länger als der Durchschnitt ihres Umfeldes; 53 Prozent der Optimistinnen erreichten ein besonders hohes Lebensalter von über 90 Jahren.
Weniger Auf und Ab. Die Gründe werden darin vermutet, dass Optimisten weniger extremes emotionales Auf und Ab erleben und sich leichter von Stresssituationen erholen. „Außerdem sieht es so aus, dass Optimisten bessere Fähigkeiten haben, ihre Emotionen in schwierigen Situationen durch kognitive Prozesse zu regulieren, etwa, indem sie die Situation eher als Herausforderung denn als Bedrohung wahrnehmen und kurzfristigen Belohnungen zugunsten langfristiger Ziele besser widerstehen können“, so Koga zur „Presse am Sonntag“. Was positive Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit hat, da das Persönlichkeitsmerkmal des Optimismus eine Verknüpfung mit besseren Biomarker-Profilen in den kardiovaskulären, metabolischen und Immunsystemen sowie bei Lungenerkrankungen aufweist.
Zusammenhänge, die auch Alexander Kautzky von der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Med-Uni Wien, kennt. „Diese Ergebnisse sehen wir in großen Kollektiven, und man kann sie auch breit messen, aber nicht genau hinterfragen, weshalb die Gründe schwer zu erklären sind.“Allerdings stehe Optimismus im Zusammenhang mit Faktoren wie Resilienz und lasse sich auch durch zwei Faktoren der „Big Five“, einem Modell der Persönlichkeitspsychologie, erklären. Demnach sind die „Großen Fünf“Gewissenhaftigkeit, Perfektionismus, Verträglichkeit, Extraversion und Neurotizismus. „Die letzten beiden werden mit Optimismus in Verbindung
gebracht.“So sei Neurotizismus – zu dem Eigenschaften wie die Neigung zu Ängsten, negativen Affekten und einer dauernden Unzufriedenheit gehören – ein Risikofaktor für psychische Erkrankungen.
Auf der anderen Seite steht das Persönlichkeitsmerkmal
Die optimistischen Frauen lebten um fünf bis elf Prozent länger als der Durchschnitt. »Wir wissen, dass Depressionen, Angsterkrankungen oder Schizophrenie mit einer niedrigeren Lebenserwartung einhergehen.« ALEXANDER KAUTZKY Leiter der Hauptambulanz der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie am AKH
Optimisten können ihre Emotionen besser regulieren und erleben weniger emotionales Auf und Ab.
der Extraversion. Wer hier einen hohen Wert hat, ist gesellig, aufgeschlossen, weniger anfällig für Angststörungen. „Diese bekannten Persönlichkeitsmerkmale korrelieren mit Optimismus, womit sich auch die höhere Lebenserwartung erklären lässt“, so Kautzky. „Denn wir wissen, dass Depressionen, Angsterkrankungen oder Schizophrenie mit einer niedrigeren Lebenserwartung einhergehen.“Und das nicht nur durch eine erhöhte Suizidrate, sondern auch durch ein höheres Risiko für chronische Erkrankungen wie Adipositas oder HerzKreislauf-Probleme. „Das könnte erklären, warum bei diesen Stichproben Menschen, die durch Optimismus resilienter sind, Vorteile haben. “
Darüber hinaus sorgen die Charakteristika der Extravertierten auch häufig dafür, dass diese bessere Jobs und eine höhere Bildung haben, was mit den sozioökonomischen Daten korreliere. „Wenn ich keinem finanziellen oder sozialen Druck ausgesetzt bin, unterstützt das natürlich ein positives Mindset.“
Wobei ein Teil (25 Prozent) des Optimismus in jedem Menschen genetisch bedingt und Hintergrund für die Ausprägung des Temperaments und der Persönlichkeit ist. Allerdings betont Kautzky, dass damit keinesfalls Ansätze à la „Du musst nur positiver denken“bei psychischen Erkrankungen gerechtfertigt seien. Aber das Wissen um diese Zusammenhänge könne durchaus hilfreich sein: „Denn Studien wie diese zeigen, wie wichtig die psychische Gesundheit auch für die körperliche ist.“