Verlage proben den Aufstand gegen Google
Europäische Medienunternehmen klagen den kalifornischen Suchmaschinen-Riesen wegen mutmaßlich wettbewerbswidrigen Verhaltens. Es geht um Milliarden Euro. Und wohl auch um den Fortbestand ziemlich vieler traditioneller Zeitungsverlage.
Die Meldung ging diese Woche in Printmedien beinahe unter. Das ist bei all den aktuellen kriegerischen Katastrophenmeldungen weltweit und dem hysterischen Wahlkampfmodus hierzulande fast verständlich. Doch für Zeitungen bedeutet sie Existenzielles. Also noch einmal: 32 europäische Medienunternehmen wollen gemeinsam gegen das global dominierende Suchmaschinen-Unternehmen Google vorgehen. Sie werfen ihm wettbewerbswidriges Verhalten bei Onlinewerbung vor. Zum Ausgleich entstandener Verluste solle der US-Konzern 2,3 Milliarden Euro zahlen, teilten die Anwaltskanzleien der Kläger mit.
Verlage aus 17 Ländern klagen, unter anderem aus Deutschland, Finnland, Norwegen, Belgien, Dänemark, Polen, Spanien, der Schweiz und Österreich (auch die Styria Media Group, zu der „Die Presse“gehört, ist dabei).
Sammelklage in USA. Der Aufstand gegen Google wird jedoch nicht nur in Europa geprobt. Das Unternehmen muss sich, wie Reuters am Samstag meldete, nach einem richterlichen Entscheid auch in den USA einer Sammelklage stellen. Werbetreibende meinen, es monopolisiere den Markt für Anzeigenbörsen. Der Richter wies zugleich mehrere kartellrechtliche Klagen gegen Google ab.
Wie stehen die Chancen gegen einen Riesen, der es mit dem schwachen Verb „googeln“sogar in Wörterbücher
schaffte? (Was sagt der Duden zu dem Wort, das er 2004 aufgriff und als „rechtschreiblich schwierig“bezeichnete? Es bedeute „mit Google® im Internet suchen, recherchieren“. Ein Beispiel: „Ich goog(e)le mal schnell“.)
Zurück zum Thema: In welcher Situation befinden sich die Betroffenen, deren bisher bewährte Geschäftsmodelle allein nicht mehr ihren Fortbestand sichern und denen auch technologische Innovationen dafür nicht ausreichen? Googeln wir einmal die Größenverhältnisse. Suchen wir bei Wikipedia nach dem übermächtigen Konkurrenten aus den USA: Unternehmensgründung
1998 in Kalifornien, Hard- und Software-Entwickler, Tochterunternehmen von Alphabet Inc. seit 2015, in 173 Sprachen aktiv. Weltweit laufen rund 80 Prozent aller DesktopSuchanfragen über Google.
Die Holding Alphabet mit ihren diversen Google-Töchtern hatte 2022 rund 187.000 Mitarbeiter. Der siebtgrößte Konzern der Welt machte damals einen Umsatz von 283 Milliarden US-Dollar. Zuvor war noch ein Börsenwert von mehr als 2000 Milliarden USDollar kurz übertroffen worden.
Diese unvorstellbare Marke haben sonst nur die US-Hightech-Multis Apple,
Microsoft und Nvidia passiert. Im Vergleich zu solchen Summen ist selbst der Axel-Springer-Verlag (der sich an der Klage beteiligt) mit circa 16.800 Mitarbeitern und einem Umsatz von vier Milliarden Euro (2022) ein Zwerg. Er kämpft mit Strukturproblemen, die für die gesamte Branche gelten.
Ein Beispiel aus dem größten Zeitungsmarkt in den EU-Staaten verdeutlicht das: In Deutschland betrug die verkaufte Gesamtauflage der Tageszeitungen 1991 (laut de.statista.com) noch 27,3 Millionen Exemplare. 2023 waren es nur noch 10,9 Millionen. Das könnte man auch einen Kahlschlag nennen. Kaum ein Verlag blieb verschont.
„Spekulative“Klage. Google hingegen machte 2022 mit Onlinewerbung einen Umsatz von 225 Mrd. Dollar (80 Prozent der Erlöse von Alphabet). Es wird geschätzt, dass 28 Prozent sämtlicher Ausgaben für Internet-Anzeigen dorthin gehen. Der Vorwurf der klagenden Verlage: „Ohne den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Google hätten die Medienunternehmen deutlich höhere Werbeeinnahmen erzielt und niedrigere Gebühren für Dienstleistungen rund um Onlinewerbung gezahlt.“
Und wie hat Google reagiert? „Die vorliegende Klage ist von spekulativer und fragwürdiger Natur“, sagte ein Konzernsprecher. Man werde „energisch und sachlich dagegen vorgehen“. Schauen wir mal, ob dagegen in Europa genug Energie aufgebracht wird.