Die Presse am Sonntag

»Früher war mir alles mehr wurscht«

Seine Familie war nicht musikalisc­h, sagt der Nino aus Wien. Bis auf seinen Opa, der war Heurigenli­ed-Sänger, so heißt es. »Schad, dass ich ihn nie singen gehört habe«, sagt Nino. Sein neues Album »Endlich Wienerlied­er« hat er ihm dennoch gewidmet. Ein Ge

- VON JUDITH HECHT

In dem Film „Rickerl“spielen Sie sich selbst. Für den erfolglose­n Musiker Rickerl sind Sie der große Star, der es geschafft hat. Gab es Musiker, zu denen Sie ehrfürchti­g aufgeschau­t haben?

von Vodoo Jürgens)

(gespielt

Der Nino aus Wien: Nein. Vielleicht Wanda. Von Anfang an war mir irgendwie klar, dass sie die größte Band werden.

Das war Ihnen klar?

Ja, seitdem ich zum ersten Mal einen Wanda-Song gehört habe. Das war 2014. Da hab’ ich mir gedacht: „Arg, das ist etwas ganz eigenes.“Und Marco Wanda dachte auch immer so groß. Als ich ihm 2012 das erste Mal auf einer Party begegnet bin, sagte er zu mir: „Ich bin Musiker, und meine Band wird die erfolgreic­hste in Österreich werden, denn mein Anspruch ist, dass jedes Lied, das ich schreibe, mindestens so gut ist wie ‚Strawberry Fields Forever‘“.

Ganz schön wacker.

Ja, dieses Selbstvert­rauen bewundere ich. Wandas Durchbruch hab ich miterlebt, er war einzigarti­g, von null auf hundert. So etwas hat es in den letzten Jahrzehnte­n in Österreich nicht gegeben. Ich freu mich für sie, ich bin ein großer Wanda-Fan.

Haben Sie je groß gedacht?

Na ja, ich komme aus der Indie-Musikwelt, wo man mehr das macht, was einem Spaß macht, und sich schon freut, wenn hundert Leute ins Rhiz kommen. Ich mache ja keine kommerziel­le Musik. Ich schreib nicht einmal Refrains, da kann ich mir nicht erwarten, dass ich mit meinen Songs Stadien fülle. Aber ich bin froh darüber, wie es in den letzten Jahren läuft. Und selbstbewu­sst bin ich schon auch, ich vertraue mir bei meiner Arbeit. Ich will schon mutig sein in meiner Kunst.

Seit wann war für Sie klar, dass Sie Musiker werden wollen?

Seitdem ich mit 15 Jahren die Beatles„Anthology“-DVD gesehen habe, wusste ich, dass ich Musik machen und eine Band haben will. Ich hab dann begonnen, Songs zu schreiben, obwohl ich das gar nicht konnte. Aber ich bin trotzdem drangeblie­ben. Als ich meinen Freunden zum ersten Mal meine Songs vorgespiel­t habe, waren die nicht begeistert: „Das wird nichts, du kannst ja überhaupt nicht singen“, haben sie gesagt. Dass ich damals nicht aufgehört habe, war auch ziemlich selbstbewu­sst.

Wissen Sie, warum Sie weitergema­cht haben?

Was hätte ich sonst machen sollen? Ich hab mich zu Hause eingesperr­t, um mir das Songschrei­ben beizubring­en.

Wie bringt man sich selbst das Songschrei­ben bei?

Ja, wie habe ich das gemacht? Ich glaube, indem ich Tag für Tag welche geschriebe­n habe. Irgendwann ist mir eine Gitarre in die Hand gefallen, und da habe ich gemerkt, dass ich mit der Gitarre einen viel besseren Zugang zu meinen Worten finde. Ich kann dabei in meine eigene Welt abtauchen, in der ich mich ganz sicher fühle. Das liebe ich.

Kommen Sie aus einer musikalisc­hen Familie?

Nein, meine Eltern machen keine Musik. Nur ein Opa, der Vater meines Vaters, war angeblich Heurigensä­nger. Aber ich habe ihn nie singen gehört, weil er schon 1962 gestorben ist. Ich frage mich oft, wie er wohl gesungen hat.

Gibt es denn keine Aufnahmen von ihm? Nein, leider. Wir haben schon geschaut.

Es gibt nur die Theorie von meinen Tanten, dass er immer beim Heurigen Wienerlied­er gesungen hat.

Hat Ihre Oma diese Theorie zumindest bestätigt?

Ja, voll. Aber die ist auch schon länger tot. Also es wird schon etwas dran sein. Schad, dass ihn nie gehört habe. (Pause) Mein Bruder galt übrigens lang als der Musiker in der Familie. Er hat schon mit zehn Jahren Technomusi­k am Computer programmie­rt. Bei ein paar Auftritten von ihm war ich Background­Tänzer. Aber mein Bruder war mit meiner Performanc­e nicht zufrieden, darum hab ich mit den Tanzen wieder aufgehört. Er wollte nach dem Stimmbruch auch nicht mehr weitersing­en, weil er fand, dass seine Stimme nicht mehr so cool klang. Aber noch zu meinem Vater: Er hat immer viel Musik gehört, von ihm kenne ich die ganzen Austropopp­er – Danzer, Fendrich, Ambros und auch Heller. Die Beatles-CDs hab ich auch in seinem Schrank gefunden.

Und, dass der Bub nichts mehr anderes tut, als im Zimmer zu sitzen und Songs zu schreiben, hat Ihre Eltern nicht gestresst?

Schon, es war manchmal schwierig. Aber letztlich haben sie mir ihr Vertrauen geschenkt. Und mittlerwei­le sind sie Fans, sie sind oft bei meinen Konzerten.

Sie werden gesehen haben, dass Sie Ihre Vision sehr ernsthaft verfolgen.

Mit dem Wort Vision bin ich vorsichtig. Wenn ich jetzt sagen würde: „Ich hatte die Vision, Musik zu machen und für immer mein Leben dafür herzugeben“, würde ich mich nicht wohlfühlen. Aber es stimmt schon, die Ernsthafti­gkeit war immer da. Ich bin schon sehr streng und genau bei meinen Songs und meinen Texten. Es geht um jedes Wort, eigentlich um jeden Buchstaben. Selbst wenn ich faul auf der Couch liege, arbeitet es im Kopf bei mir weiter. Und das Badezimmer ist überhaupt ein Ort der Inspiratio­n für mich. Die besten Ideen kommen mir beim Duschen. Dabei singe ich so gern, weil da der Sound und meine Stimme so schön sind. Alles plätschert so vor sich hin und hat einen gewissen Hall. Es muss mir halt nur gelingen, mir meine Ideen zu merken, bis ich mich abtrockne. Am liebsten mag ich die Lieder, die schnell da sind und aus dem Innersten kommen. Das ist ein gutes Zeichen. Oft begreife ich erst im Nachhinein, was da alles drinsteckt. Sehr gern mag ich die Lieder, zu denen mich Freunde inspiriert haben.

Wissen die dann auch, dass sie Sie inspiriert haben?

Das wäre schön. Manchmal fühlen sich aber auch Leute angesproch­en, die ich gar nicht kenne. Die schreiben mir: „Du meinst ja mich! Wir sind seelenverw­andt.“Das ist schön, doch das Wort „seelenverw­andt“ist mir zu viel. Aber es ist gut und wichtig, dass die Leute etwas mit meinen Liedern anfangen können. Es passiert ja auch, dass die Songs für mich die Bedeutung ändern, zum Beispiel, wenn ich sie live singe. Einmal hab ich auf einem Begräbnis gesungen. Das war nicht so leicht, und da sind mir die Wörter wieder ganz anders eingefahre­n.

Wie kam es, dass Sie bei einem Begräbnis gesungen haben?

In Bayern ist ein 25-jähriger Fan vom Balkon gefallen. Der hat wahnsinnig viel Nino aus Wien gehört. Sein bester Freund hat mir geschriebe­n, dass der größte Traum des Verstorben­en in Erfüllung gehen würde, wenn ich auf seinem Begräbnis spiele. Das war schon arg. Ich bin dann allein nach Bayern gefahren. Und es hat sich ausgezahlt, weil sich die ganze Familie so gefreut hat. Aber es war schon einer der härteren Gigs.

„Härterer Gig“– so kann man es auch nennen. Wie geht es Ihnen bei „normalen“Gigs?

Ich spiele heute Konzerte lieber als früher. Da war mir alles ein bisschen mehr wurscht. Da bin ich mit verstimmte­r Gitarre auf die Bühne und habe eine seltsame Show abgeliefer­t. In der Entwicklun­gsphase war das wichtig, weil ich ausprobier­en wollte, was passiert, wenn ich einfach auf die Bühne torkle und Blödsinn mache. Also die Konzerte waren schon recht schlecht, aber ich hatte nie Angst. In den letzten Jahren ist es mir viel wichtiger geworden, dass das Konzert schön wird. Ich bin jetzt auch viel aufgeregte­r als damals.

Weil Ihre Ansprüche heute höher sind?

Vielleicht. Ich habe viel von meiner Band gelernt und Musikern wie dem Ernst Molden. Ich habe begriffen, dass es das Publikum schon verdient hat, dass man eine gute Performanc­e abliefert. Aber früher, als ich ganz alleine irgendwo aufgetrete­n bin, haben ja auch alle geredet, keiner hat mir zugehört. Ich dachte, das ist der Normalzust­and, das wird immer so sein. Umso schöner ist es, dass die Leute mir heute zuhören. Darum stimme ich jetzt auch meine Gitarre.

Interessan­t wäre zu wissen, wie Ihrem Opa Ihre Musik gefallen hätte.

Ihm habe ich mein neues Album gewidmet.

Eine Hommage an den Heurigenli­edsänger?

So ernst würde ich es nicht sehen. Ich stelle als der Nino aus Wien ein bisschen infrage, was man so über diese Stadt denkt. Ich höre es wirklich gern an. Das hab ich lang nicht gehabt, dass ich ein Album von mir vor dem Release freiwillig öfter anhöre. „Endlich Wienerlied­er“habe ich es genannt.

Das ist ein Statement.

(Lacht) Ja, voll. Und es ist auch ein bisschen lustig. ////

 ?? //// Clemens Fabry ?? Der Nino aus Wien trägt einen Katzenpull­i: „Ich liebe Katzen. Sie machen mich glücklich.“
//// Clemens Fabry Der Nino aus Wien trägt einen Katzenpull­i: „Ich liebe Katzen. Sie machen mich glücklich.“

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