Taten statt Worte: Flüchtlinge zeigen, was sie können
Pilotprojekt. 11.700 Flüchtlinge sind derzeit in Wien als arbeitssuchend vorgemerkt. Doch woher weiß man, was ein Handwerker oder Akademiker kann, wenn es keine vergleichbaren Bildungssysteme gibt? Das AMS Wien will das Wissen der Flüchtlinge nun mit Prax
Wien. Noch liegen die Werkzeuge sauber geschlichtet auf der Werkbank. Hammer, Pinsel und – fast unscheinbar – ein Glasschneider, der eigentlich das wichtigste Instrument ist. Mit ihm sollen die Männer zeigen, dass sie ein Fenster verglasen können.
Daneben sind die Übungstationen für andere Berufe. Drei Schalter, die Gebäudetechniker an Strom anschließen sollen, eine Arbeitsbank mit Feilen, Beitel, Hammer, Kleber und einer Säge, um aus Holz einen Kerzenständer zu machen. Eigentlich braucht es dafür nur die Säge. „Aber wir haben auch anderes Werkzeug hingelegt, damit wir sehen, wer zum richtigen greift“, sagt Jürgen Saller. Der Mann im blauen Arbeitsmantel überwacht den Praxistest, der nächste Woche im Berufspädagogischen Institut Mödling (BPI) der Österreichischen Jungarbeiterbewegung (ÖJAB) stattfindet. Er ist Teil des Kompetenzchecks, ein Pilotprojekt des AMS Wien, das die Qualifikation von Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak testen will. Rund 11.700 Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtige sind derzeit in Wien als arbeitssuchend vorgemerkt. Gleichzeitig kommen sie aus Ländern, wo die handwerklichen Fähigkeiten oft „vom Großvater weitergegeben werden“, wie Saller es ausdrückt.
Zeugnisse, genormte Ausbildungen gibt es dort nicht oder sind schwer mit den österreichischen vergleichbar. Hinzu kommen Sprachprobleme. Das macht es für AMS-Mitarbeiter schwierig, die Menschen zu vermitteln. Der Kompetenzcheck soll nun Klarheit schaffen. In fünf Wochen zu je zehn Stunden durchlaufen die Teilnehmer eine Art Assessmentcenter: Geprüft wird etwa das Wissen um Fachsprache, berufliche Umgangsformen, Computerkenntnisse und eben die Praxis. Selbst wenn jemand den Handwerkstest nicht zur Zufriedenheit löst, sehe man bei einem Glaser, „ob er das Glas richtig anfasst“, sagt Saller, der seit sechs Jahren in der Lehrlingsund Facharbeiterausbildung tätig ist. Dass Menschen vorgeben, einen Beruf zu können, obwohl sie es nicht tun, käme immer wieder vor. „Man erlebt schon einiges“, fügt er hinzu. Umgekehrt gibt es auch positive Überraschungen. Saller kennt den Fall von einen ge- flüchteten Diplomingenieur, der schließlich in Frankreich einen Job gefunden hat, weil es in ganz Europa nur zwei Firmen gab, die sein Wissen brauchten. „Der war überdrüber in seinem Bereich“, sagt er.
Wie es den Männern im zweiten Stock des BPI Mödling gehen wird, wird sich erst zeigen. Sie sitzen am zweiten Tag des Kurses noch im Klassenraum und machen den Deutschtest. Murtaza, der zwei Jahre als Ma- schinenbauer im Iran tätig war, bevor er nach Österreich geflohen ist. Aref, der als Maurer und Fliesenleger Erfahrung hat, aber keinen Nachweis dafür, und Kabir, der als Elektriker und Fahrer in Afghanistan für eine amerikanische Militärbasis tätig war – und nun auch hier als Elektriker arbeiten will.
„Ein erster Schritt“
„Es ist ein erster Schritt“, warnt Ernst Traindt, für die Berufsausbildung im BPI Mödling zuständig, vor zu große Erwartungen. Vom Bauern mit guten handwerklichen Fähigkeiten bis zum Akademiker reiche die Gruppe der 56 afghanischen Männer, die derzeit bei ihm den Check absolvieren. Nach dem Test wird vom BPI eine abschließende Erklärung gegeben. Welche Fähigkeiten hat der Mann, wo braucht er noch Weiterbildung. Manche möchten eine Lehre machen. Andere müssen umgeschult werden. Ist jemand in der Praxis gut, wird geschaut, wie er die Ausbildung anerkennen lassen kann und danach, wie sein Wissen an den österreichischen Markt angepasst werden muss. „Das“, sagt Traindt, „ist dann aber langfristig gedacht.“