Die Presse

Venezuela bereitet sich auf „langen Krieg“vor

Grenzstrei­t. Das Regime rund um Präsident Maduro hat an der Grenze zu Kolumbien den Ausnahmezu­stand verhängt. Hunderte Personen wurden verhaftet.

- Von unserem Korrespond­enten ANDREAS FINK

Buenos Aires. Nicolas´ Maduro greift hart durch. In fünf Landkreise­n im Westen Venezuelas hat der Präsident den Ausnahmezu­stand ausgerufen. Mit der erstmals seit 1999 verhängten Maßnahme will der Erbe Hugo Chavez’´ „unser geliebtes Grenzgebie­t als bolivarisc­he Kooperatio­nszone neu gründen“. Der Ausnahmezu­stand erlaubt den Sicherheit­skräften Hausdurchs­uchungen ohne richterlic­hen Beschluss, verbietet Bürgern das Tragen von Waffen, schränkt das Demonstrat­ionsrecht ein und limitiert den Geldverkeh­r. Diese Verschärfu­ngen sollen für 60 Tage gelten und haben zum Ziel, den Schmuggel entlang der porösen, 2219 Kilometer langen Grenze zwischen Venezuela und Kolumbien einzuschrä­nken, die auf unbestimmt­e Zeit ganz geschlosse­n wurde.

„La frontera“ist für beide Staaten die wichtigste Außengrenz­e. Die Volkswirts­chaften Venezuelas und Kolumbiens sind eng verbunden und hängen vom Warenausta­usch ab. Das gilt gleicherma­ßen für Großliefer­ungen von kolumbiani­schen Lebensmitt­eln wie für den – illegalen – Schleichha­ndel mit allem, was in Venezuela vom Staat subvention­iert wird. Schon lange schmuggeln tausende Grenzgänge­r Benzin, das in Kolumbien 50-mal mehr kostet als in der Petro-Republik nebenan. In den vergangene­n Jahren haben die Schieber ihr Portefeuil­le auf Grundnahru­ngsmittel ausgeweite­t. Vielfach werden Maismehl und Milchpulve­r, die Venezuelas Regierung zu Weltmarktp­reisen in Kolumbien einkauft und dann subvention­iert in seinen Handelsstr­om einbringt, von korrupten Staatsdien­ern abgezweigt und über die Grenze zurückvers­chachert.

Venezuelas Regierung, die ihren Bürgern die Gründe für den Versorgung­smangel erklären muss, macht die Schmuggler verantwort­lich. Sie stellt deren Aktivitäte­n stets als Teil eines „Wirtschaft­skrieges“dar, den rechte kolumbiani­sche Gruppen und Venezuelas Opposition angeblich orchestrie­rten.

Militär durchkämmt Armenviert­el

Seit einem Jahr hat Venezuela nun die Kontrollen an den Grenzen verschärft, ohne jedoch das rentable Geschäft stoppen zu können. Vorigen Mittwoch wurde eine Grenzpatro­uille beschossen, drei Soldaten erlitten Verletzung­en. Obwohl die Täter nicht identifizi­ert werden konnten, sprach Maduro von kolumbiani­schen Paramilitä­rs.

Nun durchkämme­n venezolani­sche Militärs und Nationalga­rdisten die Armenviert­el entlang der Grenze. Dabei nahmen sie 691 voll- und 170 minderjähr­ige Kolumbiane­r ohne Aufenthalt­spapiere fest. Nicht alle Festnahmen verliefen offenbar gewaltfrei. Hunderte Häuser werden von Nationalga­rdisten mit einem „D“markiert, das steht für „Demolicion“´ – „Abriss“. Unter den Festgesetz­ten sollen acht Männer mit Verbindung­en zu Paramilitä­rs sein. Präsident Maduro behauptet, allein dieses Jahr seien 121.000 Kolumbiane­r nach Venezuela eingesicke­rt.

Jenseits der Grenze hörte man diese Zahl mit Staunen. Kolumbiens Migrations­behörden registrier­ten seit Jahresanfa­ng 315.000 Ausreisen ihrer Staatsbürg­er nach Venezuela. Fast alle seien jedoch wieder zurückgeke­hrt. Kolumbiens Regierung protestier­te gegen die „ungerechtf­ertigte“Grenzschli­eßung. Am heutigen Mittwoch will Kolumbiens Außenminis­terin Mar´ıa A´ngela Holgu´ın in Cartagena mit ihrer Amtskolleg­in Delcy Rodr´ıguez nach Auswegen suchen.

Eskalation vor der Parlaments­wahl

Doch ob Venezuelas Regierung diese überhaupt finden will, ist nach Ansicht der Opposition fraglich. Regierungs­gegner sehen die Eskalation im Zusammenha­ng mit den Anfang Dezember anstehende­n Parlaments­wahlen. Dort droht der Regierung wegen der massiven Versorgung­skrise eine Niederlage, Umfragen sehen die Opposition deutlich vor der sozialisti­schen Partei. „Die Regierung sucht einen Vorwand, um die Wahl abzusagen“, verlautbar­te das Opposition­sbündnis MUD am Montag. Diese Befürchtun­g gründet in der Rhetorik der Regierende­n: Der mächtige Parlaments­präsident Diosdado Cabello dröhnte am Freitag: „Bereiten wir uns auf einen langen Krieg vor!“

Dabei ist die Konfrontat­ion im Westen nicht der einzige Grenzkonfl­ikt Venezuelas. Der seit Jahrzehnte­n schwärende Disput mit seinem östlichen Nachbarn Guyana kochte im Mai hoch, nachdem der US-Ölriese Exxon ein reichhalti­ges Ölfeld vor der Küste der einstigen britischen Kolonie entdeckt hatte.

Für das arme Land, das bislang keine fossilen Brennstoff­e fördert, bedeutet der Fund ein erhebliche­s Zukunftsve­rsprechen. Doch er liegt vor dem Gebiet westlich des Flusses Esequibo – einer Zone, doppelt so groß wie Österreich, die Venezuela seit Jahrzehnte­n beanspruch­t. In allen Schullandk­arten ist das Gebiet, das zwei Drittel des Territoriu­ms Guyanas bedeckt, als Teil Venezue- las eingetrage­n. Ende Mai erhob Maduro per Dekret auch Anspruch auf das vorgelager­te Seegebiet, das praktisch die gesamte Küste Guyanas umfasst. Als Guyanas neuer Präsident David Granger das als „Verletzung internatio­nalen Rechts“beklagte, wurde in Caracas mit den Säbeln gerasselt. Offenbar konnte Kuba, das gute Verbindung­en nach Guyana pflegt, die Venezolane­r vorerst beruhigen. Nun brauchte Maduro offenbar einen neuen Feind.

 ?? [ Reuters ] ?? Venezuelas starker Mann beim Ballspiel. Präsident Nicolas´ Maduro hat an der Grenze zu Kolumbien das Militär aufmarschi­eren lassen.
[ Reuters ] Venezuelas starker Mann beim Ballspiel. Präsident Nicolas´ Maduro hat an der Grenze zu Kolumbien das Militär aufmarschi­eren lassen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria