Die Presse

„Die Leute werfen einfach den Müll aus den Fenstern“

Deutschlan­d. In der rheinische­n Industries­tadt Duisburg verschärfe­n sich die Probleme durch Zuwanderun­g, etwa im Stadtteil Marxloh, wo die Polizei vor rechtsfrei­en Räumen warnt. Kanzlerin Merkel besuchte am Dienstag den Problembez­irk – einen „nicht ganz e

- Von unserer Korrespond­entin NICOLE STERN

Duisburg. Gut leben in Deutschlan­d: Das würden sich in Duisburg Marxloh viele Menschen wohl tatsächlic­h wünschen. Seit einigen Wochen schon kommt der Stadtteil der Industries­tadt in NordrheinW­estfalen mit seinen knapp 19.000 Einwohnern nicht aus den Schlagzeil­en heraus. Da ist sogar von gefährlich­en No-Go-Areas die Rede und von Familiencl­ans, die die Stadt beherrsche­n.

Am gestrigen Dienstag wollte sich dann auch die deutsche Kanzlerin ein Bild der tatsächlic­hen Lage in dem Problembez­irk machen und lud zu einem Bürgerdial­og unter dem Namen „Gut leben in Deutschlan­d“ein. Mit rund 60 ausgewählt­en Vertretern der Gegend hat sie über Herausford­erungen gesprochen, mit denen die Bevölkerun­g dort tagtäglich konfrontie­rt ist.

64 Prozent Migrantena­nteil

In Marxloh haben tatsächlic­h 64 Prozent der Einwohner einen Migrations­hintergrun­d. Fast 100 Bevölkerun­gsgruppen, eine besonders große sind die Türken, leben auf einem Fleck. Auch die Arbeitslos­igkeit ist mit einem Anteil von 16 Prozent nicht gerade gering. Deutschlan­dweit liegt sie nämlich nur bei 4,7 Prozent.

Viele Menschen sind hier von Hartz IV abhängig. „Duisburg ist ein nicht ganz einfacher Ort, und ich freue mich, von den Problemen zu hören“, hat Angela Merkel bereits im Vorfeld gesagt.

Das Hauptprobl­em ortete Ramon van der Maat, Vertreter der Duisburger Polizei, bei dem Treffen vor allem in der mittlerwei­le starken Zuwanderun­g aus Rumänien und Bulgarien. Die Leute von dort würden zum Teil einfach den Müll aus den Fenstern werfen. Im Sommer verbrächte­n sie die meiste Zeit auf der Straße. Hinzu komme, dass viele Jugendlich­e ein zum Teil provokante­s Auftreten hätten. Auf die Anwohner könne so ein Verhalten durchaus beängstige­nd wirken: Sie seien in der Vergangenh­eit nämlich anderes gewohnt gewesen.

Die Polizeigew­erkschaft zeichnet in der Tat ein düstereres Bild. Sie spricht von rechtsfrei­en Räumen und einem durchaus aggressive­n Mob, der ihr begegne. Beamte würden bespuckt und bedroht.

„Lebensqual­ität gesunken“

Besonders in den vergangene­n zwei, drei Jahren habe sich das Problem in der Stadt verschärft, sagt van der Maat. Zu tun habe das unter anderem mit Wohnhäuser­n, die wegen ihres miserablen Zustands eigentlich gar nicht mehr vermietet werden könnten. Die Ärmsten der Armen aus Osteuropa ziehen dennoch dort ein.

Marxloh, dessen Stadtgebie­t fast zur Hälfte aus Industrie- und Gewerbegeb­ieten besteht, ist mittlerwei­le ein sozialer Brandherd geworden. „Unsere Lebensqual­ität ist deutlich gesunken“, erklärt Thomas Mielke, der stellvertr­etende Vorsitzend­e der Initiative Runder Tisch Marxloh. Er erzählt von Müllbergen, die die Stadtreini­gung gar nicht mehr wegräumen könne – es sei ein Kampf gegen Windmühlen. „Man soll die Lage nicht dramatisie­ren, man soll sie aber auch nicht schönreden“, so Mielke. Seiner Ansicht nach finde keine Integratio­n mehr statt.

Dass Angela Merkels Besuch daran etwas ändern wird, glaubt er nicht. Mielke selbst ist in Marxloh aufgewachs­en. Wegziehen kommt für ihn aber nicht infrage.

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